«Weniger Arbeit, mehr tschutten, Spass, Rock’n’Roll»
Der FC Zürich hat seit ein paar Tagen ein eigenes Museum. Der Schweizer Fussballclub blickt damit auf sein 115-jähriges Bestehen zurück. Geschichten eines Vereins, einer Stadt und einer Entwicklung mit sportlichen Höhen und Tiefen – nicht nur für Fans.
«Nein, es ist nicht das erste Fussballmuseum in der Schweiz. Der FC Basel und die Berner Young Boys haben auch eines. Aber es ist das erste Fussballmuseum in der Schweiz, das versucht, vor allem als Begegnungsstätte zu funktionieren. Wir wollten mehr ein Wohnzimmer machen als ein Museum, in dem man den Verein näher kennen lernt als in einem klassischen Fussballmuseum, wo alles hinter Vitrinen ist.»
Das sagt der 39-jährige Saro Pepe, Leiter des FCZ-Museums und des neuen Clubarchivs gegenüber swissinfo.ch. Tatsächlich sind die meisten Objekte im Museum zum Anfassen, nur wenige befinden sich hinter Vitrinen, so wie der Meisterpokal 1960-1976, der 1976 in den Besitz des FCZ überging. Spieler-Legenden wie Köbi Kuhn, Fritz Künzli und René Botteron prägten diese «goldenen Jahre».
Historisches Bewusstsein entwickeln
FCZ-Präsident Ancillo Canepa habe bei seinem Amtsantritt 2005 festgestellt, dass jegliches Clubarchiv fehle. «Er ist selber sehr interessiert an Sportgeschichte und wollte den Verein historisch wieder besser dokumentieren», sagt Pepe.
«Mit dem Geld aus der Champions League 2009, als der Verein 20 Millionen aus diesem europäischen Clubwettbewerb einnahm, wollte Canepa nicht nur in die erste Mannschaft investieren, sondern auch in ein paar nachhaltige Projekte: Es gab die neue Clubchronik ‹Eine Stadt, ein Verein, eine Geschichte›, die im November 2010 herauskam. Und seit dem 12. März 2011 gibt es das FCZ-Museum.»
Zur Sammlung von für ein Museum lebenswichtigen Memorabilien richtete man sich auch an ehemalige FCZ-Spieler. Einige von ihnen, wie Werner Leimgruber, der Captain der 1950er- und 60er-Jahre, hätten alte Trikots gebracht. «Die alten Spieler sind sehr dankbar, dass man sich jetzt um ihre Geschichte kümmert, dass sie dadurch jetzt Wertschätzung erfahren», so Pepe.
Helden und Anti-Helden
Auf einer 15 Meter langen Stellwand werden die 35 wichtigsten Figuren der FCZ-Vereinsgeschichte präsentiert – die ‹Wall of Fame›.
«Wir hatten die Aufgabe vom Verein, eine ‹Heldenwand›, eine ‹Wall of Fame›, ins Museum zu stellen. Nur schon die Auswahl der ‹Helden› war schwierig, jeder würde andere Spieler auswählen», sagt Pepe. «Das Problem haben wir mit Ironie gelöst, mit der Überspitzung der Grössenverhältnisse, Köbi Kuhn ganz gross in der Mitte, umgeben von kleiner bis ganz klein dargestellten anderen FCZ-Spielern.»
Man habe auch versucht zu zeigen, dass der Verein nicht nur aus Heldengeschichten bestehe, «sondern auch aus komischen, zum Teil tragischen Geschichten», so der Museumsleiter. Stichwort Fehleinkäufe: «Gewisse Spieler, die nur fünf Minuten gespielt haben, obwohl sie als grosse Stars aus dem Ausland eingekauft wurden, die nach zwei Spielen schon wieder gingen, weil man merkte, dass sie doch ein bisschen übergewichtig waren.»
Geschichten, die das Leben eines Vereins schreibt. Diese sind auf der Rückseite, der ‹Wall of Shame›, zu finden. Zum Beispiel das dunkle Kapitel des FCZ-Heroen Köbi Kuhn: Das berühmte Bild, das ihn in voller Grasshoppers-Montur auf einem Mannschaftsfoto von GC zeigt. Der Transfer wurde in letzter Sekunde vom damaligen FCZ-Präsidenten Edi Nägeli verhindert. Oder etwa die Flucht des entlassenen Trainers Raimondo Ponte vor der Presse durchs Fenster seiner Garderobe.
Gesellschaftspolitische Bezüge
Auch gesellschaftspolitische Bezüge fehlen im FCZ-Museum nicht: 1941 wehten an einer Veranstaltung im Letzigrund-Stadion Hakenkreuzfahnen. 1977 besprayten bewegte Jugendliche das Stadion mit der Parole «Weniger Arbeit, mehr tschutten, Spass, Rock’n’Roll, Zärtlichkeit». Gleichzeitig forderten sie «4 Franken Eintritt sind genug!»
Dazu Museumsleiter Pepe: «Der Fussball gehört zur Geschichte der Stadt Zürich. Man kann den Fussball nicht isoliert betrachten. Man hat immer auch zur Jugendkultur Verbindungen gehabt, in den 1970er- und 80er-Jahren zur Jugendbewegung, die sich auch im Stadion manifestiert hat.»
Die neusten Entwicklungen von Fan-Protesten habe man auch aufgenommen. So die Aktion vom letzten Jahr, mit der die Fans zeigten, dass sie gerne wieder Stehplätze im Stadion haben wollen. Sie demontierten vor einem FCZ-Heimspiel Sitzplätze. Die Stadt Zürich als Stadionbesitzerin versprach danach, dass in einem allfälligen neuen Stadion wieder Stehplätze eingebaut würden.
Und die alte Geschichte, der FCZ sei der «Arbeiterclub» der «linke» Club, GC der «Club der Reichen», der «rechte» Club? «Man kann in Zürich nicht von einem ‹Bonzenclub› Grasshoppers und einem ‹Arbeiterclub› FCZ sprechen. GC war zwar der Club für die reicheren Leute und der FCZ der Club für alle Leute. Er war aber nicht besonders links, er war einfach für alle, Arbeiter, Unternehmer, Kinder, für Leute aus allen Stadtquartieren. Diese alte Geschichte stimmt also nicht wirklich», so der FCZ-Museumsleiter.
Für Fans und andere
Dieses Konzept «Club für alle Leute» gelte auch für das Museum, sagt Pepe. «In erster Linie soll es aber ein Raum sein, in dem die FCZ-Fans mit dem Verein in einen Dialog treten können. Sie können uns noch mehr Objekte bringen für die Wand mit den Fanartikeln und Fanfotos. Gleichzeitig möchten wir aufzeigen, dass ein Fussballmuseum auch für nicht besonders am Fussball interessierte Leute spannend sein kann.
«Auch einzelne Spieler waren schon hier. Sie haben sich auf der Spielerwand selber verewigt. Der Tunesier Yassine Chikhaoui hat seinen Namen in arabischer Schrift hingeschrieben, was natürlich authentisch wirkt. Ich glaube, die zwei, drei Spieler, die ich bisher hier gesehen habe, waren positiv angetan von dem Museum.»
Genau so angetan übrigens wie FCZ-Präsident Ancillo Canepa: «Das ist das spannendste Museum von Zürich», schwärmt er.
Die Investitionskosten betrugen rund 350’000 Franken. Diese Summe wurde teils vom FCZ vorfinanziert, teils von Sponsoren abgefedert.
Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich laut Museumsleiter Saro Pepe auf 200’000 bis 250’000 Franken (Raumkosten, Lohnkosten, Kosten für Sonder-Ausstellungen).
Das Museum soll selbsttragend werden. Dazu wird eine Stiftung gegründet, die Stiftung FCZ-Museum.
Laut Pepe ist das ganze Projekt nicht beim Verein direkt, der Aktien-Gesellschaft, angegliedert, es ist eine eigene Institution.
Mit dieser Stiftung erhofft sich der FCZ Geldgeber, die das Museum möglicherweise auf Dauer unterstützen.
1968 gastierte das damalige brasilianische Fussball-Weltidol Pelé mit seinem Club Santos auf einer Europa-Tournée für ein Freundschafts-Spiel gegen den FCZ im Stadion Letzigrund. Der Nicht-Favorit FCZ, angeführt von Köbi Kuhn, gewann das spektakuläre Spiel 5:4.
Am 21. März 1998 beantragte Pelé mit einem persönlich ausgefüllten Fax eine FCZ-Mitgliedschaft für die Saison 1998/99. Eingefädelt hatte dies der damalige FCZ-Sprecher Guido Tognoni, der Pelé von seiner Zeit beim Weltfussballverband FIFA kannte. Das alles ist im FCZ-Museum dokumentiert.
Auch ein anderer weltbester brasilianischer Fussballer ist im FCZ-Museum verewigt: Ronaldinho. Sein Trikot hängt im Museum als ausgewähltes Exponat.
Der FCZ hatte in der Champions League 2009 auswärts völlig überraschend gegen den an internationalen und nationalen Trophäen erfolgreichsten Club der Welt, AC Milan, 0:1 gewonnen – einer der grössten Schweizer Club-Fussballsiege überhaupt. Das Trikot Ronaldinhos stammt allerdings aus dem Uefacup-Spiel des FCZ gegen AC Milan 2008.
Ronaldinho hat inzwischen AC Milan verlassen und ist in seine Heimat Brasilien zurückgekehrt.
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