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Wer hat Angst vor Tuberkulose?

Die Länder werden aufgefordert, mehr gegen die Tuberkulose zu tun. Keystone

Die Schweizer Lungenliga bestreitet das Risiko einer Tuberkulose-Epidemie in Westeuropa, nur weil an den Grenzen medikamenten-resistente Erreger festgestellt wurden.

Die Organisation sagte am Dienstag, dass ein Ausbruch in der Schweiz «unwahrscheinlich» sei. Die Weltgesundheits-Organisation WHO ist da anderer Ansicht.

Am Montag riefen die WHO und andere führende Gesundheitsorganisationen dazu auf, mehr gegen die alarmierende Zunahme der medikamenten-resistenten Tuberkulose in den baltischen Staaten, in Osteuropa und in Zentralasien zu tun.

Man hat festgestellt, dass sich in diesen Regionen jährlich 450’000 Menschen mit Tuberkulose (TB) anstecken und 70’000 Menschen daran sterben.

«Wenn wir die öffentliche Gesundheit in der Europäischen Union davor bewahren wollen, müssen wir diese Tatsache ernst nehmen», warnte Zsuzsanna Jakab, Direktorin des Europäischen Zentrums zur Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten.

Jean-Pierre Zellweger, medizinischer Berater im Tuberkulose-Kompetenzzentrum der Schweizer Lungenliga, sagte jedoch, es gebe keinen Grund für einen Alarm in der Schweiz.

«Das Problem besteht in Osteuropa. Sein Einfluss auf die Situation in Westeuropa und besonders auf die Schweiz ist sehr klein», erklärte er gegenüber swissinfo.

«Wir wissen, dass in Deutschland, in Frankreich, in Italien und in der Schweiz die Mehrheit der TB-Fälle unter Ausländern auftritt. Die Zahlen sind jedoch sehr gering.»

Weniger Fälle

Laut Zellweger sind die Tuberkulose-Fälle in den letzten fünfzig Jahren stetig gesunken. Dieses Jahr werden voraussichtlich 500 Fälle diagnostiziert, davon 20%, die als ansteckend klassifiziert werden.

Er sagte, dass in diesem Jahr an den Landesgrenzen nur acht Fälle festgestellt worden seien. Die Schweiz ist eines der wenigen europäischen Länder, die Asylsuchende systematisch auf TB untersuchen.

Argumente, dass die EU-Osterweiterung das Risiko der Verbreitung einer medikamenten-resistenten Tuberkulose vergrössern würde, träfen nicht zu. Es sei unwahrscheinlich, dass Menschen, die an dieser Krankheit erkrankt seien, noch reisen.

«Es besteht praktisch keine Gefahr für die Schweizer Bevölkerung», so Zellweger.

Die Untersuchung zur medikamenten-restistenten Tuberkulose der Schweizer Lungenliga wurde durch das Bundesamt für Gesundheit unterstützt, welches das Tuberkulose-Zentrum der Organisation finanziert.

Ekkehart Altpeter, Fachmann für das öffentliche Gesundheitswesen, betonte, die medikamenten-resistente Tuberkulose würde von der Regierung sehr ernst genommen. Er sagte aber auch, dass medikamenten-resistente Erreger nicht das Hauptinteresse bildeten.

«Bei der medikamenten-restistenten Tuberkulose haben wir in der Schweiz wirklich kein grosses Problem», sagte er.

Medikamenten-Resistenz

Altpeter sagte, das Bundesamt für Gesundheit hätte in den letzten zehn Jahren die Fälle von medikamenten-resistenter Tuberkulose registriert. Die Zahlen seien beständig gewesen. 2005 wurden fünf Falle registriert. Für ihn haben auch grössere Migrationsströme keinen Einfluss auf diese Situation.

Die WHO reagierte auf die Erklärung der Lungenliga, dass die Gefahr unwesentlich sei.

«Das ist eine Untertreibung, die sofort korrigiert werden muss. Die Menschen müssen wissen,dass es eine Gefahr gibt», sagte Mario Raviglione, Direktor der TB-Abteilung des WHO, gegenüber swissinfo.

Er erinnerte daran, dass die Länder an der EU-Aussengrenze noch nie mit so vielen Fällen von medikamenten-resistenter Tuberkulose konfrontiert gewesen seien und er fügte hinzu, dass es klare Hinweise darauf gebe, dass diese Fälle mit der Bevölkerungsbewegung in Zusammenhang stehen.

«Wir sagen den Menschen, dass sie vorbereitet sein müssen. Mit der Vogelgrippe und Sars war es ähnlich, aber früher oder später kommt es auch zu uns.»

Das Schweizer Lungenlilga-Tuberkulose-Zentrum wird von der Regierung finanziert. Es befindet sich in Bern.

Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit wurden 2004 in der Schweiz 593 Tuberkulose-Fälle registriert. Zwei Drittel der Angesteckten waren Ausländer.

Medikamenten-resistente Tuberkulose wird durch inkonsequente oder nur teilweise Behandlung verursacht, wenn die Patienten nicht die ihnen verschriebenen Medikamente während der vorgeschriebenen Zeit einnehmen.

Tuberkulose ist primär eine Erkrankung des Atemsystems. Sie wird durch Husten und Niesen verbreitet.

Weltweit sterben pro Jahr rund 1,7 Mio. Menschen an Tuberkulose.

TB kann mit Antibiotika erfolgreich behandelt werden.

Die höchste Zahl der Todesfälle tritt in Afrika auf.

Im 18. und 19. Jahrhundert war die auch Schwindsucht genannte Krankheit für rund 25% der Todesfälle in den europäischen Städten verantwortlich.

Die Schweiz war in dieser Zeit bekannt für ihre Sanatorien, die Tuberkulose-Kranke behandelten.

(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

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