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Wer will den Kampf gegen Malaria bezahlen?

Nyala im Südsudan. Im jüngsten Staat der Welt wie auch anderswo in Afrika dezimiert die Malaria Familien. Eines von sieben Kindern erreicht nicht das Alter von fünf Jahren. AFP

Seit zehn Jahren sind die Malariafälle weltweit rückläufig, namentlich dank Geldern von Privaten. Doch der Kampf ist noch lange nicht gewonnen, Staaten finden keinen Konsens über eine Konvention zur Finanzierung der Krankheitsbekämpfung.

«Der Malaria-Markt ist riesig, was die Nachfrage betrifft, aber winzig, was die Gewinne betrifft.»

Diese unbequeme Wahrheit stellt die Initiative «Medicines for Malaria Venture» (MMV) fest. Sie erklärt auch, warum Malaria weiterhin jedes Jahr einige hunderttausend Kinder dahinrafft, besonders in Afrika.

Das «Sumpffieber» wurde während langer Zeit schlechter Luft zugeschrieben (auf Italienisch: mal aria).

Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Parasit resistent gegen klassische Medikamente, während die Pipeline für neue Mittel immer noch leer ist.

Daher hat eine Gruppe von öffentlichen und privaten Geldgebern (darunter die Schweizer Regierung) die MMV gegründet, welche sich die Entwicklung innovativer, wirksamer und erschwinglicher Malaria-Behandlungen vorgenommen hat.

Ähnliche Ziele verfolgt die «Drugs für Neglected Diseases initiative» (DNDi), die 2003 in Genf entstanden ist. Zu den Gründern gehört auch die Organisation «Ärzte ohne Grenzen» (MSF).

Zusammen mit anderen haben diese Organisationen – unterstützt durch hunderte Millionen US-Dollars der Stiftung von Bill und Melinda Gates – einen grossen Verdienst daran, dass die Malaria im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zurückgegangen ist.

In den zwei Jahrzehnten davor gab es nur schlechte Nachrichten», sagt Bernard Pécoul, Direktor der DNDi. «Nachdem man in den 1960er-Jahren von der Ausrottung der Krankheit geträumt hatte, verschlechterte sich die Situation dramatisch. Ab 2000 wurde der Kampf wieder aufgenommen, mit neuen Mitteln, neuen Behandlungen, Moskitonetzen, die mit Insektiziden behandelt waren. Dies erlaubte es, dass die Fälle in einigen Ländern zurückgingen.»

Denn die Malaria gehört zu den vernachlässigten Krankheiten. Das sind solche, die nur arme Länder betreffen. «Von allen neuen Medikamenten, die in den letzten 30 Jahren entwickelt worden sind, hat nur 1 Prozent einen Einfluss auf vernachlässigte Krankheiten. Diese aber machen 12 Prozent aller Krankheiten weltweit aus», so Pécoul.

Erfolgsgeschichte

DNDi, MMV und die anderen wollen gegen dieses Ungleichgewicht ankämpfen. Ein beispielhafter Fall: Coartem. Mit der Kombination zweier Wirkstoffe, darunter dem Extrakt einer aus der chinesischen Medizin gut bekannten Pflanze, hat der Pharmariese Novartis derzeit das beste Malariamittel auf dem Markt.

Es wurde in den 1990er-Jahren für westliche Reisende entwickelt, die sich in tropische Zonen begeben. Eine Behandlung kostet knapp 12 Dollar. Das Medikament ist damit zu teuer für Kinder in Afrika. Zudem ist es für Erwachsene dosiert.

2003 ging der Konzern Novartis auf MMV zu. Diese erklärte sich damit einverstanden, die Entwicklung einer Dosierung für Kinder mitzufinanzieren. Diese ist seit 2009 auf dem Markt.

Bereits seit 2001 wird Coartem gemäss einer Vereinbarung mit der Weltgesundheits-Organisation (WHO) zu Herstellungskosten vertrieben – also etwa einem Dollar pro Behandlung. Bereits hat das Medikament das Leben von über einer Million Kinder verbessern können. Novartis verdient damit zwar kein Geld, poliert dafür aber sein Image auf.

Auch wenn er die Bemühungen und Resultate des Pharmakonzerns anerkennt, muss Bernard Pécoul feststellen: «Diese Erfolgsgeschichte ist leider die Ausnahme von der Regel.»

Konvention lässt auf sich warten

Damit nun diese Ausnahme zur Regel wird, hoffen die Akteure im Kampf gegen Malaria und andere vernachlässigte Krankheiten, dass die WHO eine verbindliche Vereinbarung betreffend Forschung- und Entwicklung verabschiedet, welche die gesundheitlichen Anliegen der Entwicklungsländer berücksichtigt.

Das Thema wurde an der letzten Weltgesundheits-Konferenz im Mai in Genf diskutiert. Die Expertengruppe der WHO hat namentlich empfohlen, dass jedes Land mindestens 0,01% des Bruttoinland-Produkts (BIP) dafür einsetzt. Das würde jährlich eine Summe von 3 bis 6 Mrd. US-Dollars zur Erforschung von Krankheiten der Ärmsten der Welt ausmachen.

Das ist nicht akzeptabel für eine Mehrheit der westlichen Staaten, angeführt von den USA – die jedoch bereits 0,01% ihres BIP für diesen Bereich aufwenden – sowie Japan und zahlreichen europäischen Staaten. Im Rahmen der Verhandlungen, von MSF als «extrem hart» bezeichnet, haben es diese Länder geschafft, den Beginn der Diskussion im Plenum um ein Jahr hinauszuschieben.

«Wir haben das nicht verstanden. Es ging doch lediglich darum, die Verhandlungen zu beginnen. Zudem liegt das Dossier seit mindestens zehn Jahren auf dem Tisch der Weltversammlung», kommentiert Pécoul.

«Dies ist umso unverständlicher, weil die Vertreter der Pharma-Industrie in diesen Verhandlungen sehr vernünftig waren. Sie sind einverstanden, die Forschung anzukurbeln, sogar mit Staatsmitteln, denn sie wissen genau, dass sie die Lösung nicht in ihren Businessplänen finden werden.»

Auch bei MSF ist man enttäuscht. Die Medikamente für die reichen Länder seien viel zu teuer für Entwicklungsländer, eine Behandlung gegen HIV für Erwachsene bringe nichts, wenn die Krankheit Kinder töte, und die Aufbewahrung von Medikamenten im Kühlschrank könne im afrikanischen Busch eine echte Knacknuss sein, heisst es.

«Wir unterstützen den Vorschlag Kenias, das sofort mit den Verhandlungen beginnen wollte», sagt Katy Athersuch, die für MSF an der Konferenz teilgenommen hat. «Wir hoffen jetzt, dass dieses zusätzliche Jahr nicht ein verlorenes Jahr wird, sondern dass die Staaten es nutzen, um konstruktive Vorschläge auszuarbeiten.»

Treffen in einem Jahr

Die Schweiz hatte sich am Treffen noch deutlicher als andere Länder gegen eine verbindliche Konvention ausgesprochen. «Wir wussten, dass es zu keinem Konsens kommen würde», sagt Botschafter Gaudenz Silberschmidt, Leiter der Abteilung Internationales beim Bundesamt für Gesundheit (BAG).

«Zudem hatte die Expertengruppe ihren Bericht einen Monat vor Beginn der Konferenz zugestellt. Ich kenne kein Land, das in der Lage ist, alle betroffenen Ministerien zu konsultieren und in derart kurzer Zeit zu einer konsolidierten Position zu finden – namentlich betreffend finanzieller Fragen.»

Dennoch ist sich die Schweiz des Problems bewusst: «Die Analyse der Expertengruppe ist ausgezeichnet», so der Botschafter. «Wir sind aber nicht absolut überzeugt davon, dass eine Konvention die Lösung ist. Wir werden die Frage rasch vertiefen, um herauszufinden, was der passendste institutionelle Mechanismus für das Problem sein könnte.»

… tötet alle 45 Sekunden ein Kind, meistens in Afrika

… ist für 40% aller Gesundheitskosten der afrikanischen Länder verantwortlich

… kostet Afrika jedes Jahr zwischen 12 und 30 Milliarden Franken

Sumpffieber oder Malaria ist die weitverbreitetste Infektionskrankheit der Welt. Sie wird von einem Parasiten ausgelöst, der von den Weibchen der Anophelesmücke, die meist in der Nacht zusticht, von Mensch zu Mensch übertagen wird. Man kann sich dagegen schützen und hat nach einer Infektion gute Chancen auf Heilung, doch die Krankheit tötet die Schwächsten, wenn sie keine Hilfe erhalten.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist der Malaria ausgesetzt. In unterschiedlichem Ausmass betroffen sind Afrika südlich der Sahara, Asien, Lateinamerika, der Nahe Osten und sogar Europa.

Die Symptome tauchen 10 bis 15 Tage nach dem Insektenstich auf: Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Erbrechen können beim Ausbruch der Krankheit auftauchen, was die Diagnose schwierig macht.

Wird die Krankheit nicht innerhalb von 24 Stunden behandelt, kann sich die schlimmste der vier beim Menschen wirksamen Parasitenarten, Plasmodium falciparum, zu einer schweren, oft tödlichen Krankheit entwickeln.

2010 wurden 655’000 Malariatote geschätzt, davon 81% in Afrika. Der Grossteil waren Kinder unter 5 Jahren. Im gleichen Jahr wurden 216 Millionen Ansteckungen weltweit geschätzt. In vielen Ländern, in denen die Krankheit vorkommt, erlaubt der Zustand des Gesundheitswesens weder genaue Diagnose noch Statistik.

Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Krankheit rückläufig. 2000 schätzte man noch 1 Million Tote und 233 Millionen Angesteckte. Somit nahmen die Todesfälle um fast ein Drittel ab, in 11 afrikanischen Ländern sogar um mehr als 50%. Doch Experten warnen, der Fortschritt stehe auf tönernen Füssen.

(Quelle: WHO)

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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