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Wettbetrug im Fussball wirkt wie Doping im Radsport

Geschlossene Tore zum Sportplatz Buchenwald in Gossau. Spieler dieses St. Galler Challenge-League-Clubs sollen in den Fussball-Wettskandal verwickelt sein. Keystone

Negative Schlagzeilen in Serie rund um den Fussball: Auf randalierende Hooligans und hohe öffentliche Sicherheitskosten folgt der Wettskandal, der diesem Sport schadet wie das Doping dem Radsport. Willy Mesmer von Swisslos erklärt Mechanismen der Manipulation.

Noch ist das gesamte Ausmass des Fussball-Wettskandals in der Schweiz unklar. Spuren führen hier in die zweithöchste Liga des Fussballs, in die Challenge League.

Zumindest weiss man, dass sich die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft (BA) in der Betrugsaffäre in der Schweiz zur Zeit weder gegen Schiedsrichter noch gegen Klubfunktionäre richten.

Welche Wetten sind anfälliger für Manipulationen und woran erkennt man sie?

Willy Mesmer von Swisslos, dem Anbieter des Sporttotos (heute Totogoal), nimmt Stellung.

swissinfo.ch: Wie ist es möglich, dass so viele Fussballspiele in mehreren Ländern von den Wettskandalen betroffen sind?

Willy Mesmer: Je mehr Geld im Spiel ist, desto grösser ist auch die Gefahr von Betrug und Manipulation. Diese Regel gilt aber nicht nur im Sport oder im Wettbereich.

swissinfo.ch: Weshalb sind eher Spieler aus unteren Ligen involviert?

W.M.: Wetten auf einzelne Ereignisse in Ligen mit weniger Beachtung, wie sie von diversen privaten Internet-Anbietern in grosser Zahl angeboten werden, bieten gegenüber dem traditionellen Toto mehr Möglichkeiten zu manipulieren. Die neuen Wettprodukte sind sozusagen «manipulationsanfälliger».

Beim traditionellen Toto muss der Ausgang von vielen Spielen – und in der Regel auch noch von Spielen aus verschiedenen Ländern – vorausgesagt werden. Eine Manipulation ist deshalb allein durch die Gestaltung der traditionellen Wettprodukte so gut wie ausgeschlossen.

swissinfo.ch: Hat das Internet, sprich die Globalisierung des Wettspiels, zur Manipulations-Anfälligkeit beigetragen, oder stehen andere Gründe im Vordergrund?

W.M.: Das Internet hat ganz neue Möglichkeiten eröffnet. So kamen neben den streng kontrollierten «staatlichen» Anbietern – auch viele dubiose Player auf, die oft von Offshore-Standorten aus agieren.

Der Sportwetten-Markt ist riesig, besonders in Asien ist die Nachfrage gross. Deshalb nehmen gewisse Anbieter unterdessen auch viele unterklassige Spiele oder sogar Begegnungen in Juniorenligen in die Wettprogramme auf.

Betrug an sich darf man aber auf keinen Fall nur am Sport oder am Wettgeschäft allein festmachen. Betrogen wird, seit es Menschen gibt.

swissinfo.ch: Wie viel Glaubwürdigkeit und Geld gehen damit dem Schweizer Fussball verloren? Werden damit auch die Wetten von Swisslos in Mitleidenschaft gezogen?

W.M.: Wie sich dieser Skandal auf die Entwicklung der Swisslos-Sportwetten auswirken wird, können wir zur Zeit noch nicht abschätzen. Wir gehen aber davon aus, dass die Kunden sehr wohl zwischen seriösen und unseriösen Anbietern unterscheiden können.

Spielmanipulationen aufgrund von Sportwetten sind aber ganz generell und natürlich weltweit eine der grossen Bedrohungen für den Fussball und den Sport allgemein – vergleichbar wohl nur noch mit der Dopingproblematik.

swissinfo.ch: Was sind die Gründe für die zunehmende Korrumpierbarkeit von Spielern?

W.M.: Ich glaube, es ist vor allem die Gier nach dem schnellen Geld. Die neuen Möglichkeiten im Internet haben auch den Fussball in den Fokus gerückt.

Aber vergessen wir nicht, dass ein Sport wie Boxen schon lange Jahre aufgrund solcher Machenschaften diskreditiert ist. Mit der «normalen» Nachfrage nach Wetten oder Glücksspielen hat die Manipulation von Spielen nichts zu tun.

swissinfo.ch: Wie läuft das Geschäft beim Wetten? Wer ist Buchmacher, wer Wettbüro? Wo genau liegt der Verdienst?

W.M.: Bei Buchmachern ist die Quote in der Regel abhängig vom Wettverhalten der Spielenden sowie vor allem auch von den Quoten der Konkurrenten.

Bei Swisslos hingegen sind die Quoten für vordefinierte Abrechnungszeiträume fix und werden aufgrund systematischer Informationsauswertungen durch Sport-Experten gebildet und unterliegen restriktiven Begrenzungen.

Im Gegensatz zu Buchmachern nimmt Swisslos kein finanzielles Risiko auf sich, sondern beschränkt dies durch definierte Einsatz- und Quotenlimiten.

Buchmacher nehmen bewusst Risiken auf sich und versuchen häufig auch, diese rückzuversichern – was ihnen dann oft nicht gelingt. Swisslos hat weiter auch nicht die gleich hohen Gewinnausschüttungsquoten wie Buchmacher, die häufig keine Einsatzgrenzen kennen und variable Quoten anbieten, während Swisslos mit festen Quoten und maximalen Einsatzhöhen pro Wette operiert.

swissinfo.ch: Was gibt es für Möglichkeiten, Manipulationen zu unterdrücken?

W.M.: Die Zahl der Angebote auf dem Markt ist einzuschränken. Zu diesem neuen Fall hat vor allem der ungewöhnliche Anstieg von Wettmöglichkeiten und von Wettanbietern geführt. Das macht eine effektive Kontrolle schwierig.

Aus der Sicht von Swisslos zeigt sich, wie wichtig ein kontrolliertes Angebot ist. Gewisse Wetten sollten gar nicht erst angeboten und vor allem sollten angebotene Wetten streng kontrolliert werden – wie das bei Swisslos der Fall ist.

Werden auf ein einzelnes Spiel oder auf eine Kombination von bestimmten Spielen oder einen bestimmten Ausgang eines Spieles übermässig hohe Beträge eingesetzt, reagiert das elektronische Überwachungssystem von Swisslos sofort.

Alle staatlichen Lotterien stecken viele Ressourcen in den Schutz und in die Integrität des Sports. Sie waren auch die ersten, die ein Monitoring-System eingeführt haben und seit 2005 ganz offiziell mit der UEFA zusammen arbeiten und alle Auffälligkeiten sofort melden.

Interview: Alexander Künzle, swissinfo.ch

Ein Beispiel: Favorit A spielt gegen Aussenseiter B.

Zur Halbzeit steht es 2:0 für A. Eine Niederlage von B ist also absehbar.

Die Betrüger wissen – weil live vor Ort – dass bei B zwei oder drei manipulierte Spieler auch in der 2. Halbzeit noch auf dem Feld stehen.

Das Spiel wird als Live-Wette angeboten, das heisst man kann auch noch im Laufe des Spiels Wetten abgeben.

Jetzt wird beispielsweise einfach darauf gewettet, dass B in der 2. Halbzeit noch drei Tore kassieren wird.

Das ist mit Hilfe der manipulierten Spieler relativ einfach zu bewerkstelligen und fällt nicht einmal gross auf.

Nach dem Bekanntwerden des neuen Wettskandals wird der Europäische Fußballverband UEFA am Mittwoch ein Krisentreffen abhalten.

Auch die Spitze des türkischen Verbandes (TFF) wird daran teilnehmen.

«Vor dem Treffen kann der Verband keine Stellungnahme abgeben», sagte ein TFF-Sprecher am Montag in Istanbul.

Laut Staatsanwaltschaft Bochum stehen europaweit 200 Spiele im Verdacht, manipuliert worden zu sein, darunter auch Spiele in der türkischen Süper Lig.

15 Tatverdächtige wurden in Deutschland festgenommen, neun in Italien, zwei in der Schweiz.

Insgesamt sind mindestens neun Länder in Europa betroffen.

Im laufenden Wettskandal sind rund 200 Fussball-Matchs in Untersuchung, wobei neun europäische Länder betroffen sind.

Diese teilen sich in zwei Gruppen auf.

In der Türkei, Ungarn, Slowenien, Österreich, Kroatien und Bosnien-Herzegowina könnten Clubs der 1. Liga betroffen sein.

In Deutschland, Belgien und der Schweiz dürften es eher die unteren Ligen gewesen sein.

In der Schweiz stehen 22 Matchs der Challenge League und 6 Testspiele im Visier der Untersuchungs-Behörden.

Letzte Woche sind in Deutschland und der Schweiz 17 Personen verhaftet worden.

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