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Wie Konsumenten zu kreativen Köpfen werden

Eine Kampagne für den Film Veronica Mars erzielte kürzlich auf der Website der Plattform Kickstarter einen Rekord als schnellstes Crowdfunding-Projekt. Das Ziel, finanzielle Mittel von 2 Millionen Dollar hereinzuholen, wurde in 12 Stunden erreicht. cinetext

Crowdfunding-Plattformen werden auch in der Schweiz allmählich bekannt. Die Beiträge von Internet-Benützerinnen und –Benützern ergeben Summen, mit denen kreative Köpfe ihre Projekte realisieren können. Blick auf eine neue Art der Produktion.

Die Wiederbelebung einer legendären Uhrenmarke, die Entwicklung eines menschenähnlichen Roboters, ein von Frank Zappa inspiriertes Musik-Album: Diese jüngst in der Schweiz realisierten Projekte zeigen, welches Potenzial die Finanzierung via Spendenaufrufe im Internet hat. Crowdfunding kann dort aus der Patsche helfen, wo herkömmliche Geldquellen, Donatoren und Sponsoren Mangelware sind.

In den letzten fünf Jahren hat die Zahl der Crowdfunding-Seiten im Netz laut Branchenportal crowdsourcing.org weltweit um 600% zugenommen. Eine Trendwende wird für die kommenden Jahre nicht erwartet.

Aktuell wird die Zahl dieser Portale auf 550 geschätzt, die zusammen knapp 1,5 Mrd. Franken generierten. In der Schweiz sind momentan sechs solche Plattformen aktiv.

Crowdfunding umfasst zwei unterschiedliche Zielrichtungen. Einerseits geht es um Mikrofinanzierung mittels Beiträgen und Spenden. Dank solcher Unterstützung kann jemand einen Gerichtsprozess bezahlen, eine zündende Idee oder ein konkretes künstlerisches Projekt umsetzen. Die Geldgeber erhalten dafür symbolische oder reale Entschädigungen, etwa in Form von signierten Musik-CDs, Eintrittstickets, oder sie dürfen den emotionalen Stolz verspüren, einem Kind in Afrika zu helfen.

Andererseits geht es um die Akquisition von Risikokapital zur Gründung eines Unternehmens. Die Investoren werden mit Geld oder anderen materiellen Dingen entschädigt. Weil Crowdfunding bisher aber keinerlei Regeln kennt, wachsen Bedenken, dass naive Geldgeber Betrügern aufsitzen könnten.

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In der Kunstszene verankert

«Wir Schweizer mögen manchmal etwas langsam sein, aber im Aufholen sind wir schnell», sagt Johannes Gees, Medienkünstler und Mitinitiant der erfolgreichen Donatorenplattform wemakeit.ch, gegenüber swissinfo.ch.

Die Seite steht kreativen Köpfen aus Bereichen wie bildende Kunst, Musik, Film oder Design offen. 2012, im ersten Betriebsjahr, kamen total 1,5 Mio. Franken zusammen. Dies erlaubte 65% der Initianten, ihre Projekte in die Tat umzusetzen. Mit dieser Quote liegen Gees und Kollegen gleich hinter startnext.de, der Nummer 1 in Europa.

Die Schweiz kenne eine lange Tradition der gemeinsamen oder genossenschaftlichen Finanzierung, erklärt Gees. Musikvereine, Sportklubs oder Quartierprojekte würden oft lokal finanziert. «Wir bieten lediglich die Instrumente zur Bündelung der Mittel.»

Sibylle Stoeckli, eine junge Industriedesignerin aus Lausanne, konnte dank wemakeit.ch ihr ambitioniertes Projekt Global Design Research finanzieren. Die erforderliche Summe von 10’000 Franken war innert eines Monats beisammen. Stoeckli hat sich nun aufgemacht, die Bedingungen von nachhaltigem Design in allen fünf Erdteilen zu untersuchen.

«Auf herkömmliche Weise hätte ich dieses Projekt nie finanzieren können», freute sich Stoeckli via Telefon aus Asien, der ersten Destination ihrer Studienreise um die Welt. Es reiche aber nicht, im Internet ein Projekt zu publizieren und darauf zu warten, dass das Geld hereinkommt. Erforderlich sei eine überzeugende Präsentation des Projekts und eine intensive Kommunikation mit den Geldgebern, was ihre gesamte Energie beansprucht habe, resümiert die Designern.

Ursprünglich war Crowdfunding eher ein Instrument zur Finanzierung schon bestehender Projekte. Heute besteht das Potenzial der internetbasierten Mikrofinanzierung darin, neue Felder der Kreativität zu erschliessen. «Crowdfunding kann Konsumenten in Kreative und Beteiligte transformieren», sagt Johannes Gees.

Die beiden Prinzipien:

«Alles oder nichts»: Die meisten Plattformen, auch jene in der Schweiz, schreiben vor, dass ein Projekt nur dann realisiert werden kann, wenn die Zielsumme erreicht wird. Ist dies nicht der Fall, erhalten die Geber ihr Geld zurück.

«Behalte alles»: Auf anderen Plattformen können die Initianten das Geld behalten, auch wenn die vorgegebene Summe verpasst wurde.

«Ideenbeschleuniger»

Eine andere Crowdfunding-Plattform aus der Schweiz ist 100-days.net. Sie ist international ausgerichtet und Teil der Internetgemeinde Ron Orp. «Die Entwicklung von 100-days.net hat mehr als zwei Jahre gedauert», sagt Romano Strebel, Mitbegründer der Ron Orp Community, deren Newsletter heute 170’000 Personen abonniert haben.

Wie der Name impliziert, haben die Initianten 100 Tage Zeit, ihr Projekt zu finanzieren. Innerhalb eines Jahres kamen so insgesamt 600’000 Franken zusammen, und die Quote der erfolgreich finanzierten Projekte betrug 55%.

Schweiz: Die Finma ist der Ansicht, dass Crowdfunding durch die bestehende Gesetzgebung abgedeckt ist. Demnach brauchen Intermediäre, sprich die Plattformen, keine Bewilligungen, solange sie die gesammelten Gelder nicht für eigene Zwecke beanspruchen.

Die Aufsicht stellt aber Bestimmungen zum Schutz unerfahrener Investoren vor betrügerischen Machenschaften im Zusammenhang mit Geschäftsgründungen auf. Im Falle eines Betruges kommt das Strafgesetz zur Anwendung.

USA: Präsident Obama setzte letztes Jahr ein Gesetz in Kraft, das die Finanzierung neuer Kleinfirmen fördert. Weil die gesetzlichen Absicherungen durch eine Kommission immer noch blockiert sind, schossen im Internet über 2000 Crowdfunding-Seiten aus dem Boden, um vom rechtlichen Vakuum zu profitieren.

Grossbritannien: Die Finanzdienstleistungs-Behörde (FSA) hat eine Warnung vor Crowdfunding herausgegeben. Es gebe keine Garantie, dass Investoren ihre Beiträge zurück erhalten, «da die Mehrzahl der Start ups scheitern», so die Argumentation. Auch könne Betrug nicht ausgeschlossen werden. Die Behörde empfiehlt, dass sich nur erfahrene Investoren an Crowdfunding-Modellen beteiligen sollten.

Internet-Antwort auf Risiko-Kapitalismus

Die Plattform C-Crowd ist ausschliesslich auf die Finanzierung von Geschäftsideen ausgerichtet. «Das ist unser Alleinstellungsmerkmal», sagt Gründer Philipp Steinberger gegenüber swissinfo.ch. Jahrelang hatte er Risikokapital für junge Unternehmen aufgetrieben, die zwei Mio. Franken oder mehr benötigten. Danach suchte er nach einem effizienteren und schnelleren Weg zur Hilfestellung an Unternehmer, die auch mit kleineren Summen loslegen können.

Unter den Erfolgsgeschichten von C-Crowd figuriert etwa die SuitArt AG. Die Massschneiderei aus Zürich trieb so die 550’000 Franken auf, um Franchisen in anderen Schweizer Städten und gar im Ausland zu eröffnen. Die Kapitalgeber erhielten dafür einen 20%-Gutschein für einen Massanzug.

C-Crowd wählt die Projekte aufgrund strenger Kriterien aus. Im Bestreben, die gesetzlichen Grundlagen einzuhalten, wirkte auch die Finma, die Finanzmarktaufsicht des Bundes, unterstützend mit.

Die erwähnten Beispiele zeugen vom grossen Potenzial von Crowdfunding-Plattformen, gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten. Der Erfolg weckt aber auch Befürchtungen, dass die Gesetzgebung zum Schutz der Konsumenten mit dem raschen Wachstum der neuen Branche nicht Schritt halten könnte. Denn Missbrauch oder gar Betrug könnten das Vertrauen in das online-Crowdfunding ganz schnell ganz stark erschüttern.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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