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Wieso fahren Leute in Lausanne für Uber?

Uber hat sein Tätigkeitsfeld in der Schweiz auf Zürich, Basel, Genf und seit Januar 2015 auch auf Lausanne ausgedehnt. Keystone

Mit einem herzlichen "Bonjour" steigt Robert* aus seinem Uber-Wagen und öffnet die Autotüre für mich. Seit Januar bietet Uber seine Dienste auch in Lausanne an. Doch wie einfach ist es für eine umstrittene Firma, an einem Ort mit tiefer Arbeitslosigkeit und hohen Löhnen Fahrer zu finden?

Einige Minuten, nachdem ich mit der Uber-App auf meinem Smartphone ein Auto bestellt habe, fährt mein Taxi vor – ein glänzender, neuer BMW 4×4. Nach der freundlichen Begrüssung werde ich gebeten, in den tiefen Lederpolstern des Rücksitzes Platz zu nehmen. Ein kurzes Antippen des Smartphones am Armaturenbrett bestätigt die Fahrt, und los geht’s.

«Ich habe eine gute Stelle und theoretisch mit zwei Kindern zu Hause viel zu tun, aber ich war interessiert, bei diesem neuen Abenteuer mitzumachen. Ich bin etwas ein Computerfreak», scherzt der 48 Jahre alte Robert.

Neugierig und auf der Suche nach etwas Spannendem im Hi-Tech-Bereich, meldete sich Robert als privater Fahrer («UberPop»), als der Dienst im Januar nach Zürich, Basel und Genf auch in Lausanne lanciert wurde.

Eine zehn Minuten dauernde Fahrt von zwei Kilometern ins Zentrum von Lausanne kostet 8 Franken, etwa die Hälfte des Normaltarifs.

Während wir uns mit Unterstützung von GPS-Technologie und «Kenntnis» der Stadt durch das hügelige Lausanne schlängeln, erklärt Robert, er sei jeweils am Donnerstag, Freitag und Samstag einige Stunden unterwegs, mit etwa 12 Fahrten pro Abend verdiene er damit pro Woche etwa 300 Franken.

«Für mich ist es eine Freizeitbeschäftigung. Es ist amüsant. Man trifft viele verschiedene Leute», sagt er. «Jemand, der es vollzeitlich als Beruf tut, muss am Ende des Tages allerdings ziemlich müde sein. Ich würde es nicht als Vollzeitbeschäftigung machen wollen.»

Trotz seinem geselligen Naturell zieht er es vor, dass sein richtiger Name hier nicht erwähnt wird. «Mir ist es lieber, mich für den Moment nicht zu zeigen, vor allem nach all den Presseberichten über Probleme mit Uber in Städten wie Genf, wo ein Fahrer angegriffen, sein Auto zerstört wurde», sagt er. Es hat nur wenig Verkehr heute Abend, wir fahren an den hellen Schaufenstern vorbei.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht (Simon Bradley, swissinfo.ch)

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Der schnell expandierende Fahrdienstvermittler Uber sieht sich auf der ganzen Welt mit Kritik von Zulassungsbehörden und etablierten Taxi-Unternehmen konfrontiert. Seit dem letzten September lief es für Uber auch im nahe gelegenen Genf nicht reibungslos.

Acht Uber-Fahrer reichten offiziell Klage ein wegen angeblichen Problemen mit professionellen Taxifahrern. Anfang März lehnte ein Gericht in Genf einen Antrag für ein vorsorgliches Verbot des Dienstes ab, der von lokalen Taxiunternehmen eingereicht worden war, die Uber unlauteren Wettbewerb vorgeworfen hatten.

In Lausanne scheinen die Dinge etwas anders zu liegen. Steve Salom, Generalmanager von Uber in der Schweiz, erklärte, er habe mit den Behörden in Lausanne «viel konstruktivere Gespräche» geführt. Bisher habe es mit den rund 300 professionellen Taxifahrern in Lausanne noch keine Probleme gegeben.

«Die Situation ist ruhiger. Allerdings hatte es auch in Genf eine Weile gedauert, bevor die Probleme anfingen», sagte Salom.

Ein anderer Uber-Fahrer, Jérémie Allemand, zeigt sich unbeeindruckt von den Spannungen.

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«Ich habe viele Uber-Fahrer gefragt, und die Taxifahrer sind eigentlich recht respektvoll», erklärt Allemand, als wir an einem Rotlicht warten. «Soviel ich weiss, gab es noch nie Probleme. Ich denke, es ist eine andere Kundschaft. Ich habe viele Kunden, die nie mit einem Taxi fahren würden. Es ist nicht dieselbe Zielgruppe», erklärt der Student der Hotelfachschule Lausanne und fährt zackig los, als das Licht der Ampel wechselt.

Der junge Fahrer sagt aber auch, er verstehe die Frustrationen der professionellen Taxifahrer: «Sie haben einen harten Job, und es ist nicht toll, wenn ein neuer Konkurrent auf den Markt kommt.»

Lebensstandard und Löhne sind in der Schweiz allgemein hoch, die Arbeitslosigkeit tief; in Lausanne liegt sie derzeit bei 7,3%. Wieso also machen sich Leute überhaupt die Mühe, für Uber zu arbeiten?

«Es besteht eine stete Nachfrage nach Fahrern», sagt Salom. «Viele Leute sind bereit, ihr Auto zu nutzen, um Geld zu machen. Viele Leute haben keine Vollzeitstelle und daher Zeit. Die Realität ist, dass einige Leute viel Geld verdienen, aber auch viele immer noch denken, dass sie nicht genug machen.»

Besser als ein Bar-Job

Als wir durch das Stadtzentrum fahren, weist Jérémie auf verschiedene Hotspots im Lausanner Nachtleben hin. Diese Orte sind für ihn eine gute Quelle, um Geld zu machen. Anders als Robert ist der Student auf zusätzliche Einkünfte angewiesen. Uber sei eine «coole Alternative».

«Ich habe in Bars gearbeitet. Das ist eine extrem harte Arbeit, Uber hingegen ist ziemlich bequem. Man sitzt in seinem Auto und macht etwa gleich viel Geld oder mehr, das ist für einen Studenten wirklich praktisch», sagt er. Wenn er an drei, vier Tagen je etwa zwei Stunden fährt, verdient Jérémie pro Woche etwa 150 Franken.

Wie Robert zieht es Ben*, der eine Stelle im PR-Bereich hat, vor, sich bedeckt zu halten, damit sein Arbeitgeber seine Nebenbeschäftigung nicht entdeckt. Ben verdient etwa gleich viel wie Jérémie; Geld, das er zum Zahlen seiner monatlichen Rechnungen braucht.

«Wenn ich 500 bis 600 Franken im Monat mache, ist das nicht schlecht», erklärte er gegenüber der Westschweizer Zeitung 24Heures, und fügte hinzu, der Anteil von 20% der Einnahmen, die an Uber gingen, sei fair. «Wir sind auf jeden Fall die Gewinner. Es gibt keine Lizenz und, anders als Taxifahrer, haben wir auch keine sonstigen Kosten.»

Schwer zu finden

Mundpropaganda und die sozialen Medien haben geholfen, die Nachricht zu verbreiten, dass Uber in Lausanne aktiv geworden sei und neue Fahrer brauche. Aber, räumt Salom ein, es sei schwierig, Chauffeure zu finden, die den Anforderungen entsprächen (siehe Kasten).

«Die Nachfrage von Passagieren ist riesig. Zudem sehen wir, dass wir zusätzlich für Nachfrage sorgen, wenn wir die Zahl der Fahrer erhöhen», so Salom. «Aber es gibt immer Engpässe. Es ist äusserst schwierig, gute Fahrer zu finden.»

Der «Umsatz» an Fahrern ist hoch, nur etwa 5 bis 10% aller Bewerber erfüllen die strikten Kriterien und fahren letztlich regelmässig für Uber in Lausanne.

Ob ein netter Umgang mit der Kundschaft zu den Voraussetzungen gehört, ist unklar. Meine Fahrer waren freundlich und präsentabel. Das ist auch in ihrem Interesse. Denn nach jeder Fahrt mit Uber kann der Kunde Reise und Fahrer bewerten. Schlechte Bewertungen können sich darauf auswirken, was künftige Fahrten angeht. Andererseits können Uber-Fahrer auch ihre Kunden bewerten, die zum Beispiel unhöflich waren, oder betrunken.

«Das ist wirklich toll, denn jeder Fahrer will die besten Noten und ist daher umgänglich», sagt Jérémie.

Wie er so weiter plappert, merkt man, dass er es ernst meint, wenn er sagt, dass er neben dem Geld auch den sozialen Aspekt seiner Arbeit als Taxifahrer geniesse.

«Uber-Passagiere sind coole Leute, die gerne reden», erklärt er. «Uber, das ist wie eine neue Generation. Ich sage es nicht gerne, aber diese Leute mögen die Interaktion. Noch nie hatte ich einen Kunden, der knauserte oder nichts sagen wollte. Sie steigen in einem anderen Geisteszustand ein als in ein normales Taxi», schliesst er, als wir vor meinem Zuhause vorfahren.

*Namen der Redaktion bekannt

Uber-Probleme

Uber nahm den Betrieb vor vier Jahren auf und ist heute in 250 Städten weltweit vertreten, darunter in Zürich, Basel, Genf und Lausanne.

Uber, mit einem geschätzten Marktwert von 40 Mrd. Dollar (39,4 Mrd. Franken), besitzt selber keine Autos und stellt keine Fahrer an, sondern verbindet Passagiere und Autos mit Hilfe seiner Smartphone-App. Und sorgt damit nach eigenen Angaben für ein in der Taxi-Industrie dringend benötigtes Konkurrenzangebot.

Das Angebot unter dem Namen «UberPop» wird als eine «Car-Sharing-Lösung für städtische Gebiete» beschrieben, bei der nicht-berufliche Fahrer ihre Dienste als «Chauffeure» anbieten können, für Fahrten zu oftmals niedrigeren Tarifen als jene der herkömmlichen Taxis.

Kritiker werfen dem global agierenden Fahrdienst-Vermittler, dessen Angebot auf einer Smartphone-App fusst, vor, er verstosse gegen Wettbewerbsbestimmungen, zudem seien die Sicherheitsüberprüfungen von Uber-Fahrern und deren Autos unzureichend.

Uber wurde in Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Südkorea, Indien und Kalifornien mit rechtlichen Problemen konfrontiert. Zudem kam es in Grossstädten wie London zu Protesten lokaler Taxiunternehmen gegen Uber.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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