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«Wir haben es geschafft: Stan + Roger = Davis»

Helden von Lille schreiben Schweizer Sportgeschichte: Captain Severin Lüthi (Mitte), flankiert von Marco Chiudinelli, Roger Federer (links) und Stan Wawrinka sowie Michael Lammer (rechts). Keystone

Noch nie hat eine "Salatschüssel" die Schweizer Presse derart in Jubelgesänge ausbrechen lassen wie der Davis Cup: Das 3:1 im Final gegen Frankreich, mit dem Roger Federer, Stan Wawrinka & Co die geschichtsträchtige, aber etwas unförmige Trophäe erstmals in die Schweiz holten, wird als "Sieg für die Ewigkeit" gefeiert.

Der Walliser Bote: «Wir sind Tennis». Der Landbote: «Das ist einfach nur ‹magnifique'». Aargauer Zeitung: «Die Tenniswelt ist rot und weiss». Zürcher Oberländer: «Den Traum wahr gemacht». Neue Luzerner Zeitung: «‹La Grande Nation› verneigt sich». Berner Zeitung: «Triumph für die Ewigkeit». Die Südostschweiz: «Wir haben es geschafft: Stan + Roger = Davis».

Der Sieg Roger Federers und Stan Wawrinkas als Nummern 2 und 4 in der aktuellen Weltrangliste gegen Frankreich auf dem Sandplatz in der umgebauten Fussball-Arena von Lille ist keine eigentliche Überraschung.

Aber die Klarheit des 3:1 konnte so nicht erwartet werden: Wegen Rückenproblemen musste Federer vor Wochenfrist in London den Final des Tennis Masters gegen Novak Djokovic platzen lassen. Und die Stimmung zwischen den beiden soll nach der Abnützungsschlacht, die sie sich an der Themse im Halbfinal geliefert hatten, und die Federer einmal mehr gewonnen hatte, kurzzeitig in den Keller gefallen sein. Umso grösser ist deshalb die Feierlaune, mit der das ungleiche Tennis-Duo die Schweiz ansteckt.

«Sternstunde: Davis-Cup gehört der Schweiz», schreibt die Neue Luzerner Zeitung. «Der 23. November 2014 wird für immer als das Datum in Erinnerung bleiben, an dem sich die Schweiz erstmals in einer Weltsportart einen Mannschaftstitel holte. Es ist ein unglaublicher Triumph – einfach zum Geniessen.»

Goldene Tennis-Ära

«Ein Meisterwerk und grosse Gefühle», so die Basler Zeitung. «Er ist also doch wahr geworden: Der Schweizer Traum vom erstmaligen Gewinn des Davis Cup, diesem Teamwettbewerb, der 1900 gegründet wurde und damit zu den traditionsreichsten Sportveranstaltungen überhaupt zählt. Roger Federer und Stan Wawrinka, die beiden treuen Ersatzspieler Marco Chiudinelli und Michael Lammer sowie Captain Severin Lüthi krönten damit eine goldene Tennis-Ära, die deswegen noch nicht zu Ende gehen muss.»

«Ein Tenniswunder, hart erarbeitet», schreiben der Tages-Anzeiger und Der Bund. «Die Schweiz verfügt mit den beiden Stars über die weltbeste Mannschaft, ‹das ist wie Neymar und Messi im gleichen Nationalteam'», wird der ehemalige Schweizer Top-Spieler Heinz Günthardt zitiert. Doch Federer/Wawrinka hätten sich den Sieg erdauern, erdulden, erleiden müssen. «Federers Davis-Cup-Karriere hatte schon vor 15 Jahren begonnen, jene Wawrinkas vor 10 Jahren», erinnern die beiden Zeitungen.

«Der Göttliche und der Irdische», schreibt die Aargauer Zeitung. «Der Charismatische und der Fleissige. Genie und Energie. Und darüber hinaus, damit es für die Schweiz perfekt und politisch korrekt ist, ein Deutschschweizer und ein Welscher.» Dann hebt der Kommentator vollends ab: «Nach dem America’s Cup, dem Stanley-Cup, dem Victoria-Cup und Continental-Cup oder dem Spengler-Cup eine weitere internationale Cup-Trophäe. Wir sind Cup. Jetzt fehlt uns nur noch der World-Cup im Fussball.»

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Spielt Federer weiter Davis Cup?

In die Strophen des Taumels mischen sich aber auch erste Untertöne von leiser Wehmut. «Die beim Londoner ATP-Finale aufgetretenen Rückenprobleme des vierfachen Familienvaters (Federer) zeigten auf, dass die Schweiz nicht noch beliebig viele Versuche hatte, mit dem Maestro zum Tennis-Halleluja voranzuschreiten», schreibt das Bündner Tagblatt.

Hohe Gratulanten

«Euer Sieg ist die Belohnung für euer Talent und euren Willen. Er trägt eure Unterschrift», gratulierte Bundespräsident Didier Burkhalter dem Schweizer Tennisteam per SMS zum historischen Finalsieg im Davis Cup über Frankreich.

Der Sieg sei auch jener der Schweiz; ein gemeinsamer Moment, der dazu diene, zusammen fortzuschreiten –  sei es bei den Erfolgen oder den Herausforderungen, so Burkhalter. «Wir sind euch dafür dankbar, dass ihr ein grossartiges Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte geschrieben habt.»

Unter die Gratulanten eingereiht hat sich auch der Nationalrat. «Es ist der Sieg einer Mannschaft, die sehr grosse Ausstrahlungskraft besitzt, ein beispielloser Sieg», sagte Ruedi Lustenberger, der abtretende Präsident der grossen Kammer, am Montag zur Eröffnung der Wintersession.

Es sei ein Sieg für die ganze Schweiz, der sehr viel Freude bereite, schloss der Luzerner, bevor der Rat das Schweizer Tennis-Teams mit starkem Applaus feierte.

«Herzliche Gratulation an Swiss Tennis zum historischen Gewinn des Davis-Cup-Titels!», freute sich auch der Bundesrat und Schweizer Sportminister Ueli Maurer, der den Triumph in Lille am Sonntag live aus der ersten Reihe hat mitverfolgen können.

Am Samstag war Justizministerin Simonetta Sommaruga vor Ort, um den Sieg im Doppel zur vorentscheidenden 2:1-Führung der Schweiz mitzuerleben.

«Mit dem Sieg im Davis-Cup findet die wechselvolle Beziehung ‹Fedrinka› ihren Höhepunkt», so die Neue Zürcher Zeitung. «Roger Federer und Stan Wawrinka haben in den letzten Jahren zusammen Höhen und Tiefen erlebt. Nun gewinnen sie den Davis-Cup. Das könnte das letzte Kapitel der Geschichte sein.» Die NZZ meint heraus zu hören, dass Federers Rhetorik eher auf ein Ende des Kapitels hindeute. «Er ist 33 Jahre alt. Die Vernunft legt ihm nahe, seine Einsätze zu dosieren. Entsprechenden Fragen wich er am Sonntag aus. Es war auch nicht der Moment, um sie zu beantworten.»

«4 Tage für das Halleluja», tönt es vom Blick. «Bangen um den Rücken der Nation, Euphorie nach Stans Auftaktsieg, Ernüchterung durch Rogers Pleite und triumphaler Abschluss – so dramatisch lief der Davis-Cup-Final.» Stan und Roger stünden auf der gleichen Seite des Netzes, alle Teammitglieder lägen sich in den Armen. Der Siegestaumel einer Mannschaft, die geschlossener nicht auftreten könne. «Sie trotzt allen Widrigkeiten – pflegt, heilt, motiviert und therapiert sich gegenseitig. Sie besteht aus Tennisspielern, welche die Ego-Gesetze ihres Einzelsports für ein paar Tage vergessen können.»

Wawrinka – die Lokomotive von Lille

Der grösste Dank gebühre nicht Federer, sondern Wawrinka, der sich diesem Wettbewerb seit Jahren am treusten verschrieben habe. «Für ihn zählt die Salatschüssel mehr als ein Grand-Slam-Pokal. Es war seine wichtigste Mission fürs Land. Und es war sein grösster Wunsch, dass Roger Federer ihm dabei hilft», so Blick.

Auch für das Bündner Tagblatt ist der Westschweizer der Held des Wochenendes. «Er, der sich in seiner ganzen Karriere für den Davis Cup aufgeopfert hat, avancierte im Final zum Leader. Mit seiner Galavorstellung gegen Tsonga wetzte er Federers Fehlstart aus, und im Doppel steuerte er das Seine zum wichtigen zweiten Punkt bei. Das Doppel – es steht symbolisch für das perfekte Teamwork, das der Schweiz zum Sieg verhalf.»

«Wawrinkas Sieg», titeln gar die Freiburger Nachrichten. «Mit seinem Sieg gegen Jo-Wilfried Tsonga sorgte er am Freitag dafür, dass die Schweiz nicht bereits am ersten Tag arg ins Hintertreffen geriet. Einen Tag später war er im Doppel der beste Spieler auf dem Platz, riss Federer mit und gab ihm so entscheidende Starthilfe, um in Lille selbst allmählich in die Gänge zu kommen.»

Severin Lüthis Verdienste

Die Neue Luzerner Zeitung rückt neben den beiden Stars aber auch einen dritten Mann in den Vordergrund: «Severin Lüthi (38) schliesslich, der Davis-Cup-Captain, schaffte es immer wieder, dass der grosse Traum vom Titel des Mannschaftsweltmeisters erhalten blieb. Mit seiner ruhigen, abgeklärten Art hielt er das Team auch in schwierigen Zeiten bei Laune.»

Auch die Aargauer Zeitung rückt den Mann im Hintergrund ins Rampenlicht. «Captain Severin Lüthi zeigte seine Qualitäten. Der Coach von Federer und Vertraute von Wawrinka schweisste die beiden in kürzester Zeit wieder zum Team zusammen. Lüthi erwies sich auch taktisch auf der Höhe. Kurzfristig engagierte er den Australier David Macpherson als Doppelcoach und lag damit goldrichtig. Mit dem Sieg im Doppel legten die Schweizer nicht nur den Grundstein zum Sieg, sondern schockten die Franzosen richtiggehend.»

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