«Wir würden das Geld eher für Ferien ausgeben»
In der Schweiz eine Familie zu unterhalten, ist teuer, wenn Steuern und Kinderbetreuung eine Rolle spielen. Um den Familienbetrieb und das Budget im Lot zu halten, sind viele Eltern auf die Hilfe der Grosseltern und ausserschulische Angebote angewiesen.
Silvia Meier hat ein drei- und ein einjähriges Kind. Sie arbeitet zwei Tage pro Woche als Verwaltungsassistentin. Diese Teilzeitarbeit ist nur möglich dank der Unterstützung ihrer Mutter und Schwiegermutter.
«Ohne die Hilfe der Grosseltern hätte ich mein Salär allein für die Krippe-Kosten ausgeben müssen», sagt sie gegenüber swissinfo.ch. Sie und ihr Mann leben in Oberrieden am Zürichsee. Bevor sie im Mai 2012 heirateten, waren sie bereits sechs Jahre lang ein Paar. Dass sie den Bund der Ehe eingingen, hatte folgende Gründe: Liebe, einen gleichlautenden Familiennamen und die Sicherheit der Familie.
Sie und ihr Mann hätten sich im Voraus informieren lassen, ob die Heirat eine höhere Steuerbelastung zur Folge habe. Laut der eidgenössischen Steuerbehörde bezahlen verheiratete Paare bis zu 10 Prozent höhere Einkommenssteuern als unverheiratete. Dies trifft vor allem bei Paaren zu, deren gemeinsames Einkommen über 80’000 Franken liegt.
«Was uns betrifft, macht es keinen grossen Unterschied», sagt Silvia Meier.
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Familienfreundliche Politik kommt an die Urne
Heirats-Malus
Ganz anders urteilt Simone Giger, die auch zwei Tage pro Woche in einem Büro arbeitet und Kinder im Alter von acht und vier Jahren hat. Sie lebt seit 18 Jahren unverheiratet mit dem Vater der Kinder zusammen.
«Ohne Kinder würden wir noch viel weniger ans Heiraten denken. Viel eher würden wir das Geld für Freizeit oder Ferien ausgeben», sagt Simone Giger, die in der Umgebung von Bern wohnt und für die Betreuung der Kinder auf die Unterstützung ihrer Mutter zählen kann.
Laut der OECD-Studie «Closing the Gender Gap. Act Now» von Dezember 2012 hat die Schweiz punkto Frauen- und Familienpolitik Nachholbedarf.
Zwar habe sich hierzulande seit 1990 die Kluft zwischen Männern und Frauen, die einer Arbeit nachgingen, deutlich verringert. Doch arbeiteten viele weibliche Beschäftigte in der Schweiz vor allem Teilzeit.
Die OECD will zwei Gründe erkannt haben, weshalb Frauen in der Schweiz oft Teilzeitbeschäftigungen bevorzugten. Zum einen gebe es kaum steuerliche Anreize für den zweiten Elternteil (meistens die Frau), eine Beschäftigung aufzunehmen. Zum andern seien die Kosten für ausserfamiliäre Betreuung der Kinder im internationalen Vergleich besonders hoch.
Die OECD hat die Betreuungs-Quoten der Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren verglichen und festgestellt, dass in der Schweiz knapp die Hälfte (46,8%) der Kinder dieser Altersgruppe in eine Kindertagesstätte gehen.
Die OECD untersuchte auch die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Dieser Unterschied sei mit ein Grund dafür, dass es für Mütter weniger attraktiv sei, nach der Schwangerschaft in den Beruf zurückzukehren. Dies treffe umso mehr zu, wenn der Lohn kaum die Kosten für die externe Kinderbetreuung decke, oder wenn die Familie aufgrund des Zusatzeinkommens in eine höhere Steuerklasse gerate.
Kindertagesstätten – ein Luxus?
«Es gibt ein ausgezeichnetes Tagesschul-Programm hier in Ostermundigen», sagt Giger mit Verweis auf das Angebot von Schulmahlzeiten sowie von ausserschulischen Aktivitäten. Die Gebühren richten sich nach den finanziellen Verhältnissen der Familie. Simone Giger ist sich bewusst, dass solche ‹Luxusangebote› nicht in jeder Gemeinde existieren.
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die sich eine familienfreundliche Politik auf die Fahne geschrieben hat, will Familien, wie jene Gigers oder Meiers, unter die Arme greifen.
Die Partei hat ausreichend Unterschriften gesammelt für zwei nationale Volksabstimmungen mit Vorlagen, welche die Familien entlasten sollen.
Die eine zielt auf Steuererleichterungen für verheiratete Paare ab; die andere würde Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuer befreien. Aber bevor die beiden Vorlagen an die Urne kommen, muss sich das Schweizer Stimmvolk am 3. März dazu äussern, ob der Staat in der Kinderbetreuung eine stärkere Rolle spielen soll.
In Silvia Meier Augen müssten familienfreundliche Gesetze auch längere Elternschafts-Urlaube beinhalten. «Mindestens sechs Monate für Mütter und zwei bis vier Wochen für Väter.»
Laut einem Bericht der Organisation für Wirtschaft und Entwicklung (OECD) liegt die Schweiz mit einem Schwangerschafts-Urlaub von 14 Wochen im internationalen Vergleich irgendwo in der Mitte der Rangliste der OECD-Länder. An der Spitze dieses Klassements liegt Grossbritannien mit 52 Wochen, am Schluss Australien mit 6 Wochen.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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