Zehn Jahre nach Erdbeben in Haiti: Spendengelder zeigen Wirkung
Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti die Erde. Noch immer ist die tatsächliche Zahl der Todesopfer unbekannt. Schweizer Hilfswerke setzten sich unter anderem für die Wasserversorgung und den Wiederaufbau von Häusern ein. Gemäss einer Evaluation der Glückskette zeigt diese Arbeit in den meisten Fällen bis heute positive Wirkung.
Mitte Oktober des vergangenen Jahres hat der UNO-Sicherheitsrat nach 15 Jahren die UNO-Friedensmission in Haiti eingestellt. Die UNO hatte 2004 nach dem Sturz des damaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide Friedenstruppen in das Land entsandt.
2017 wurden die Blauhelmsoldaten durch eine UNO-Polizeimission ersetzt. Diese soll nun durch eine noch kleinere politische Mission ersetzt werden.
In den vergangenen Monaten kam es in Haiti immer wieder zu Protesten, die sich vor allem gegen den seit Februar 2017 amtierenden Staatschef Jovenel Moïse richten. Die Opposition zweifelt seinen Wahlsieg an und fordert seinen Rücktritt. Seiner Regierung werden zudem zahlreiche Korruptionsaffären angelastet.
(Quelle: Keystone-SDA/afp)
«Als ich in Port-au-Prince ankam, verschlug mir das Ausmass der Schäden, der kaputten Häuser und Gebäude, die Sprache», erinnert sich Eric Chevallier. Er ist seit 2010 Programmverantwortlicher für Mittelamerika und Haiti bei HelvetasExterner Link. Das verheerende Erdbeben hatte 80% der Hauptstadt zerstört und je nach Schätzungen zwischen 200’000 und 500’000 Menschenleben gefordert.
In der Folge lancierte die GlücksketteExterner Link, ein Schweizer Geldgeber für humanitäre Hilfe, einen nationalen Spendenaufruf. Gut 66 Millionen Franken kamen zusammen. Davon flossen bis 2018 knapp 63 Millionen Franken in insgesamt 91 Projekte, die von 21 Partnerhilfswerken umgesetzt wurden, darunter Helvetas.
Das Hilfswerk kümmerte sich in der Region Petit-GoâveExterner Link um die Wiederherstellung des Einzugsgebietes mehrere Quellen, «um den Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser zu gewährleisten», erzählt Chevallier. Dabei wurde auch die Betroffenen vor Ort miteinbezogen: Sie bauten Mauern und pflanzten Bäume, um «die langfristige Verfügbarkeit, Qualität und Quantität des Wassers zu sichern».
Am kommenden Sonntag jährt sich das Erdbeben im ärmsten Land auf dem amerikanischen Kontinent zum zehnten Mal. Die Glückskette hat aus diesem Anlass am Montag in Genf eine von ihr extern in Auftrag gegebene Wirkungsanalyse präsentiert. Untersucht wurde unter anderem die langfristige Wirkung der geleisteten Hilfe auf das Leben der Menschen.
Gemäss der Wirkungsanalyse gaben 90% der insgesamt 525 befragten Haushalte an, dass sie dank der von der Glückskette unterstützten Projekte ihre Grundbedürfnisse abdecken und ihre Existenzgrundlage wiederherstellen konnten. 95% der Befragten leben noch immer in der Unterkunft, die sie damals erhielten.
Mit Blick auf die Wasserversorgung gaben 75% der befragten Haushalte an, dass sie noch immer Wasserquellen nutzen, die beispielsweise von Helvetas saniert oder gebaut wurden.
Einige Wasserstellen sind allerdings nicht mehr funktionsfähig: Gestohlene Solarmodule, technische Defekte, ausgetrocknete Quellen oder 2016 durch Hurrikan «Matthew» weggewaschene Zisternen gehören zu den Gründen.
Helvetas rief gegen Ende seiner Tätigkeit Komitees vor Ort ins Leben, um die langfristige Funktion der Wasserquellen zu sichern. Aufgrund unterschiedlicher Interessen von Behörden und Bevölkerung sei die Kontinuität der Arbeit dieser Komitees allerdings nicht gewährleistet, sagt Chevallier.
Positiv auf die Nachhaltigkeit der Hilfe ausgewirkt hat sich grundsätzlich, dass die Schweizer Hilfswerke – im Unterschied manch anderen internationalen Hilfsorganisationen – auf ihren Netzwerken im Land aufbauen konnten, weil sie schon vor dem Erbeben in Haiti tätig waren.
Dies betont auch Chevallier gegenüber SWI swissinfo.ch: Die Wirkung geleisteter Hilfe stehe in direktem Zusammenhang «mit unserem Wissen über die Menschen und Institutionen vor Ort».
Typisch für Haiti sei ein tiefes Gefühl der Solidarität zwischen den Familien, so Chevallier. Es sei deshalb besonders wichtig gewesen, «diese lokale gegenseitige Hilfe nicht durch unsere externe Hilfe zu zerstören.»
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