Grossverteiler, die Feinde der Bauern
Einmal mehr blockieren aufgebrachte Bauern Zufahrten zu den Grossverteilern Migros und Coop. Die Wut richtet sich gegen die vermeintliche Macht der Giganten. Immer geht es um Geld.
Die Protestaktionen begannen in Ecublens im Kanton Waadt vor dem Migros-Verteilcenter. Gegen 9 Uhr sperrten Landwirte dann die Verteilzentrale der Coop in La-Chaux-de-Fonds NE. Insgesamt waren über 150 Bauern an den Blockade-Aktionen beteiligt.
Die Bauern hatten am Montag erfolglos versucht, von den Grossverteilern Migros und Coop eine Erhöhung der Abnahmepreise für Rindfleisch zu erhalten. Sie verlangen eine Anpassung an das Preisniveau vom Oktober 2000, was einer ungefähren Preiserhöhung von zwei Franken pro Kilo gleichkäme.
Coop hat die Forderungen der demonstrierenden Bauern am Dienstag als «unrealistisch, marktwidrig und unerfüllbar» bezeichnet. Die Migros kritisierte die Aktion, weil diese nur von der wahren Problematik ablenke: der Fleisch-Überproduktion auf einem gesättigten Markt.
Auch die Bauernkoordination Schweiz (NBSK) in Gossau SG droht Migros und Coop mit Blockaden, falls die Verhandlungen um den Fleischpreis für die Produzenten scheitern. Sie fordern eine sofortige Erhöhung um einen Franken pro Kilogramm Schlachtgewicht.
Blockade erschwert den Dialog
Mitte Dezember 2000 blockierten welsche Bauern in Freiburg und Givisiez Coop-Verteilzentren. Damals forderte man generell, dass die Preise für Schweizer Landwirtschafts-Produkte angehoben würden.
Die welsche UPS (Union des Producteurs Suisse) hatte von Coop einen nationalen Diskussionstag gefordert. Nach den Auseinandersetzungen trat Coop auf die Forderungen der Bauern ein.
Allerdings wurde betont, dass die Blockaden den Dialog erschwerten. Die Konsumenten seien die Leidtragenden. So waren damals in Freiburg sieben bis acht Tonnen Brot blockiert, das nicht verkauft werden konnte.
Auch in der Deutschschweiz
In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit sind es die «militanten» welschen Bauern, die zum Mittel der Blockaden greifen. Die seien von Frankreich beeinflusst und würden das tun, was die französischen Bauern ständig tun: blockieren!
Dabei waren es im Herbst 1995 die «Zürcher Bauern», welche gegen den – wie sie sagten – historisch tiefen Schweinepreis ins Feld zogen und Grossverteiler blockierten, wie es nun die welschen Bauern tun. Im Nebensatz der Begründung der Blockade hiess es, man kämpfe «gegen die Margen der Grossverteiler».
Der Unmut gegen die Grossverteiler hat historische Wurzeln: Die staatlich-bäuerlichen Preisabsprachen gerieten bereits am 25. August 1925 ins Wanken, als in Zürich der Unternehmer Gottlieb Duttweiler die «Migros» gründete. Seither sind Migros und Coop (ursprünglich eine sozialdemokratische Organisation) die Feindbilder der Bauern geblieben.
Nicht nur Spektakel
Hintergrund der Bauernproteste seien die (zu) tiefen Lebensmittelpreise. Das schreibt der Zürcher Tages Anzeiger im November 2000 nach den damaligen Bauernprotesten. Man könne das, was die Bauern tun, nämlich militant werden, nicht einfach mit «unschweizerisch» abtun.
Die Proteste seien nicht einfach ein Spektakel, aus dem Ausland importiert. «1960 haben wir» – so der Tages Anzeiger – «27 Prozent unseres Haushaltbudgets für Nahrungsmittel ausgegeben. Inzwischen sind wir bei 7 Prozent angelangt.»
SVP- Nationalrat Josef Kunz sprach an einer Versammlung bäuerlicher Oppositionsgruppen im Januar in Wallisellen von der «Ohnmacht der Bauern im Markt» und geisselte die «EU-Industrielandwirtschaft», die für die Schweiz nicht in Frage komme. Hochwertige Schweizer Landwirtschafts-Produkte seien nicht zum EU-Preis zu haben, sagte Kunz.
Doch genau das wollen viele Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen. Sonst gehen sie, wann immer möglich, über die Grenze und kaufen im benachbarten Ausland zu EU-Preisen ein. «Millionen gehen uns so verloren», sagen die Schweizer Grossverteiler.
swissinfo und Agenturen
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