Hilfe in Sumatra läuft an
Die Schweizer Rettungskette hat als erstes internationales Rettungsteam die Suche nach Verschütteten in der von einem Erdbeben stark zerstörten Stadt Padang aufgenommen. Die Lage ist nach wie chaotisch, die Zahl der Toten steigt weiter.
Nach UNO-Schätzungen hat das verheerende Erdbeben in Sumatra mindestens 1100 Menschen das Leben gekostet. Bergungshelfer finden in den Trümmern immer mehr Leichen. Das indonesische Gesundheitsministerium vermutet, dass rund 3000 Menschen verschüttet wurden. UNO und IKRK schätzen, dass noch bis zu 4000 Menschen begraben sind.
Verschüttete haben eine maximale Überlebenschance von fünf Tagen. Trotzdem werden vor allem in den Trümmern des zentralen Spitals unter zusammengestürzten Schulen und Einkaufszentren noch Lebende vermutet.
So wurde mehr als 40 Stunden nach dem Erdbeben am Freitag zwei Frauen lebend geborgen. Die erfolgreiche Rettung schürt die Hoffnung, dass in einem Wettlauf gegen die Zeit noch weitere Verschüttete lebend geborgen werden können.
Manche Opfer, die lebend gefunden wurden, müssen durch kleine Spalten in den Trümmern mit Wasser versorgt oder mit Sauerstoffmasken am Leben gehalten werden, bis Bagger und andere Geräte die schweren Trümmer beiseite räumen können.
In der Stadt sind wahrscheinlich mehr als 500 Gebäude eingestürzt oder beschädigt, darunter das fünfstöckige Ambacang-Hotel, das gerne von ausländischen Surfern besucht wurde. Auch dort werden noch Dutzende Menschen vermutet.
Schweizer Rettungsteam vor Ort
Wie der Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH), Toni Frisch, vor den Medien erklärte, ist am Freitag um 2 Uhr Schweizer Zeit (7 Uhr Lokalzeit) ein siebenköpfiges Vorausdetachement der Schweizerischen Rettungskette in Padang eingetroffen.
Das Team habe Kontakt zu den lokalen Behörden aufgenommen und zusammen mit der UNO mit dem Aufbau eines Koordinations-Zentrums begonnen. Weiter seien mit Rettungshunden erste Abklärungen an Einsatzstellen vorgenommen worden.
Siebeneinhalb Stunden später landete die gesamte Schweizer Rettungskolonne (rund 120 Personen) mit zusätzlichen Rettungshunden und schwerem Material. Die Suche nach Verschütteten wurde unverzüglich aufgenommen.
Inzwischen sind auch Rettungsspezialisten aus anderen Ländern in Padang.
Bedarfsanalysen
Bereits am Donnerstag vor Ort war Caritas Schweiz, das in der betroffenen Region mit Partnerorganisationen arbeitet. «In einem ersten Schritt geht es darum, eine Bedarfsanalyse zu machen. Wir müssen herausfinden, was überhaupt gebraucht wird, was am Nötigsten ist, bei welchen Sachen man ein bisschen mehr Zeit hat», erklärt Bettina Iseli, Programmverantwortliche für den Wiederaufbau in Indonesien nach dem Tsunami, gegenüber swissinfo.ch.
«Es geht in erster Linie um ärztliche Versorgung für die Verwundeten. Wichtig ist auch, dass die Leute ein Dach über dem Kopf erhalten, damit sie in der jetzigen Regenzeit geschützt sind. Das wird oft mit simplen Plastikblachen gemacht.»
Bettina Iseli will mit der Schweizer Rettungskette zusammenarbeiten: «Wir werden unsere Aktivitäten mit jenen der Schweizer Gruppe eng koordinieren.»
HEKS (das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz) hilft mit einer halben Million Franken. Auch HEKS verfügt über Partnerorganisationen vor Ort. «Ich denke, auch Medair und Médecins Sans Frontières (msf) werden kommen», ist Bettina Iseli überzeugt..
Unterstützung bietet auch das Schweizer Kinderhilfswerk Terre des hommes an. Es leistet Nothilfe für 6000 vom Erdbeben betroffene Kinder und Angehörige in der Region Padang.
Für eine erste Soforthilfe-Aktion würden 100’000 Franken eingesetzt. Damit werden Notkocher, Hilfsmittel zur Trinkwasseraufbereitung sowie Decken und Nahrung zur Verfügung gestellt. Zudem soll eine erste psychosoziale Betreuung Kindern helfen, ihre Katastrophen-Traumata zu überwinden.
Kommunikationsprobleme
Ein grosses Problem für die Rettungskräfte ist der fast totale Ausfall der üblichen Kommunikationssysteme. So ist nur via Satellitentelefon eine stabile Verbindung zu den Schweizer Spezialisten in Padang möglich.
Wenn die Telefonleitungen tot sind, helfen Bettina Iseli auch schriftliche Updates, Lageanalysen, die jeden Tag von verschiedenen Organisationen gemacht werden. «Zum Beispiel jene von der UNO-Organisation Ocha.»
Langsam können sich Rettungsmannschaften auch zu entlegeneren Regionen des Erdbebengebiets vorkämpfen. «Weiter nördlich befindet sich die Stadt Pariamang. Diese ist laut unseren Kontakten fast gänzlich zerstört. Man hat sehr wenige Informationen aus den umliegenden Dörfern, muss jedoch davon ausgehen, dass auch diese sehr stark betroffen sind», sagt Bettina Iseli.
swissinfo.ch, Etienne Strebel
Padang ist eine Hafenstadt mit 900’000 Einwohnern und die Hauptstadt der Provinz West Sumatra.
Im März 2007 kamen bei zwei starken Erdbeben mindestens 72 Menschen ums Leben.
Sumatra ist die weltweit fünftgrösste Insel mit einer Bevölkerung von etwa 48 Millionen und einer Fläche von 470’000 km2.
Auf der Insel werden Gummi, Palmöl, Holz, Kaffee und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse produziert sowie Kohle, Erdöl, Erdgas, Zinn und andere Mineralien gefördert.
Sumatra liegt am so genannten Pazifischen «Ring of Fire», der von grosser seismischer und vulkanischer Aktivität geprägt ist.
Geologen warnen seit einiger Zeit, Padang könnte vielleicht eines Tages von einem grossen Erdbeben zerstört werden.
Die Provinz Aceh an der nördlichen Spitze von Sumatra war 2004 am stärksten vom Tsunami im Gebiet des Indischen Ozeans heimgesucht worden. Rund 230’000 Menschen kamen damals ums Leben getroffen.
Wegen der schlechten Infrastruktur, unvollständigen Warnsystemen und häufig schlecht gebauten Gebäuden führen seismische und vulkanische Ereignisse in Sumatra oft zu mehr Toten und Schäden als in stärker entwickelten Ländern wie etwa Japan.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch