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Hundstage in der Schweiz setzen Kuh und Milchbauern zu

An Hitzetagen saufen Milchkühe gut und gerne täglich 100 Liter Trinkwasser. swissinfo.ch

"Geht's dem Vieh gut, geht's dem Bauern gut", heisst es im Volksmund. Derzeit leiden aber viele Kühe in der Schweiz unter der Hitze und Trockenheit. Das macht auch der Milchwirtschaft zu schaffen. Bei der Wasserbeschaffung für die Tiere hat in einigen Regionen die Armee geholfen. In manchen Betrieben könnte auch das Futter knapp werden.

Am wohlsten ist es den Kühen bei Temperaturen zwischen 5 und 15 Grad. Seit Ende Juni ist das Thermometer tagsüber in fast allen Regionen der Schweiz an mehreren Tagen deutlich über 30 Grad geklettert. «Die Tiere leiden unter der Hitze», sagt Christian Burren, der in seinem Milchwirtschaftsbetrieb in Gasel in der Nähe von Bern mehr als 70 Kühe und Rinder hat. «Sie atmen viel schneller als üblich, vor allem die Älteren.» Die ältesten Kühe in Burrens Herde sind 12 Jahre alt. «Für eine Milchkuh ist das heute ein Greisenalter», bemerkt der Bauer beiläufig. «Manchmal hecheln sie mit langem Hals und offenem Maul, als hätten sie eine Lungenentzündung.»

Der Stress macht sie auch anfällig für andere Krankheiten. Stoffwechselstörungen, Klauenerkrankungen und Euterentzündungen sind eine häufige Folge davon. Burrens Tiere stammen aus der leistungsstarken Rasse «Red Holstein», die pro Tag zwischen 20 und 50 Liter Milch geben. «Mit einer Jahresproduktion von rund 9000 Litern gehören sie zu den leistungsstärksten 20 Prozent», sagt der Berner Landwirt nicht ohne Stolz. Aber je höher das Leistungsniveau einer Herde ist, umso anfälliger reagieren die Tiere auf Hitzestress. Gestorben sei bisher keines seiner Tiere, «aber es gab ein oder zwei Durchfallerkrankungen und Euterentzündungen mehr als üblich».

Hitze macht Christian Burren und seinen Kühen zu schaffen. swissinfo.ch

Reduzierte Hochleistung

Weil die Kühe stressbedingt weniger fressen, ist die Milchleistung um zehn bis zwanzig Prozent gesunken. «Im Prinzip können wir nichts anderes machen, als den Tieren möglichst schmackhaftes Futter vorlegen, also Gras, Heu, Silogras und Silomais. Wenn wir wegen der Hitze den Kraftfutter-Anteil erhöhen würden, bekämen die Tiere sofort Probleme mit der Verdauung, weil ihnen die Rohfasern fehlten. Da nehmen wir lieber eine Leistungseinbusse in Kauf.»  

Deutlich reduziert hat sich ausserdem der Fett- und Eiweiss-Gehalt der Milch. Auch das spüren die Bauern Ende Monat im Portemonnaie. Wer Milch mit geringeren Gehalten abliefert, muss einen Abzug in Kauf nehmen.

Burren macht deshalb auch im eigenen Interesse das Möglichste, um das Leiden der Tiere in der Hitze zu lindern. An heissen Tagen sind seine Milchkühe nur nachts auf der Weide und tagsüber im Stall, wo es meistens erst am Nachmittag und frühen Abend sehr heiss wird. In der Fachliteratur wird den Landwirten empfohlen, wo möglich Sprinkleranlagen einzusetzen, um mit feinem Wassernebel für Abkühlung zu sorgen, den Staub zu binden und die Insektenplage abzuschwächen.

In sogenannten Laufställen sei eine Kuhdusche sinnvoll, sagt Burren, weil sie sich fern von den Futter- und Liegeplätzen installieren lasse und von den Tieren nach Bedarf aufgesucht werden könne. «Aber in meinem Anbindestall, wo jedes Tier seinen fixen Platz hat, ist dies schlicht nicht möglich. Die Einstreu auf den Liegeplätzen würde sonst durchnässt, was eine ziemliche Schweinerei ergäbe.»

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Auch auf Grossraum-Ventilatoren, die von einigen Tierhaltungsexperten propagiert werden, hat der Berner Landwirt bisher verzichtet. Seine Stalltore seien an heissen Tagen stets beidseitig weit geöffnet, so dass mit Durchzug für etwas Abkühlung und genügend Luftaustausch gesorgt sei.

Das Wichtigste ist, darin sind sich alle Experten einig, eine ausreichende Trinkwasser-Versorgung. «Eine Milchkuh säuft normalerweise 50 bis 80 Liter Wasser pro Tag. An heissen Tagen auch bis zu 100 Liter.» Wasser à discrétion wird den Wiederkäuern auf Burrens Betrieb rund um die Uhr geboten. Im Stall teilen sich jeweils zwei Tiere einen Behälter, in den frisches Wasser fliesst, sobald die Kuh mit der Nase das Ventil berührt.

Lieber stillen sich die meisten Kühe den Durst aber auf der Weide, wo 400 Liter-Tränken zur Verfügung stehen und sie frei und in langen Zügen saufen können. Dort werden die Becken durch unterirdische Schläuche automatisch mit frischem Wasser versorgt, sobald der Pegelstand sinkt. «Eine Kuh kann in einem Zug mehrere Liter schlucken».

Die Wiederkäuer haben in Bezug auf die Qualität so hohe Ansprüche wie die Menschen, weiss Christian Burren. «Das Wasser für die Kühe kommt aus der gleichen Quelle wie das Trinkwasser im Haus.»

Ernteausfälle  

Unter der Trockenheit leiden nicht nur Milchbauern. Auch auf den Feldern gedeiht kaum mehr etwas. Vor allem in der Gemüseproduktion ist mit Ernteausfällen zu rechnen. Obwohl es am Nationalfeiertag geregnet hat, sind viele Bäche ganz oder fast ausgetrocknet. Deshalb ist es vielerorts verboten, ohne behördliche Bewilligung Wasser aus den Oberflächengewässern zu entnehmen.

Erfreulicher ist ein Sommer wie in diesem Jahr in der Regel für Obstbauern und Winzer, sofern die Wasserversorgung sichergestellt werden kann. Dank der Trockenheit haben die Reben nicht mit Pilzkrankheiten zu kämpfen. In manchen Regionen der Schweiz sind die Voraussetzungen für einen «guten Jahrgang» intakt. Zu intensive Sonneneinstrahlung schadet aber auch den Früchten. Schwarze Flecken können Zeichen eines Sonnenbrands sein.     

«Grenzkonflikt»

Von solchen Verhältnissen können andere Milchwirtschaftsbetriebe selbst im Wasserschloss Schweiz derzeit nur träumen. Weil Zisternen austrockneten und Brunnen versiegten, wurde das Vieh auf einigen Alpweiden mit Unterstützung der Armee mit Wasser versorgt.

Für rund 20’000 Kühe, die auf Waadtländer Alpbetrieben buchstäblich auf dem Trockenen sassen, kam während ein paar Tagen Hilfe von oben. Drei Armee-Helikopter schleppten in bis zu 50 Flügen pro Tag jeweils gut 2000 Liter Wasser aus den Seen in der Umgebung heran.

In der Hitze des Gefechts drangen die Piloten sogar in den französischen Luftraum ein, um das Wasser jenseits der Grenze aus dem Lac des Rousses zu schöpfen. Eine Bewilligung hatte die Schweizer Armee allerdings nur für den Überflug, aber nicht für die Wasserentnahme. Die Schweiz hat sich bei den Franzosen für den Fauxpas entschuldigt.

Der «Grenzkonflikt» ist allerdings noch nicht gelöst. Die betroffene französische Gemeinde verlangt eine Entschädigung für das entwendete Seewasser.

Auch im Kanton Freiburg wurden mehrere Betriebe per Helikopter versorgt, allerdings ausschliesslich mit Schweizer Wasser.  

Mehr Regen oder weniger Tiere

Wassermangel herrscht auch auf den sogenannten Grünflächen. Einige sind so ausgetrocknet, dass sie ihrem Namen nicht mehr gerecht werden – auch in Gasel. Das Gras ist kaum noch gewachsen. Normalerweise kann Christian Burren auf den Grünflächen alle 35 Tage mähen. Anstatt mit vier oder fünf rechnet der Berner Landwirt für dieses Jahr aber nur mit drei oder höchstens vier Nutzungen.

Auf den Weiden ist das Gras an manchen Stellen verdorrt. Ohne zusätzliche Nahrung müssten die Kühe nachts hungern. Deshalb füllt Christian Burren die Futterkrippe auf der Weide jede Nacht mit einem Ballen Silogras. Zum Glück sei der Futterwuchs im Frühling überdurchschnittlich stark gewesen. Noch sei genügend Silogras vorhanden, aber wenn die Trockenheit anhält, werde er zusätzliches Futter kaufen oder den «Tierbestand herunterfahren» müssen.

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