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Ein stehendes Heer für die Menschlichkeit

Zwei Männer in Leuchtwesten diskutieren
Ostukraine, 2015: Ein Schweizer Konvoi aus 31 Lastwagen mit Medikamenten und Chemikalien für die Trinkwasseraufbereitung im Kriegsgebiet. SKH/Michael Fichter

Ob Wasserspezialisten, Bau-Expertinnen oder Verhandlungsprofis: Die Schweiz hat rund 700 Personen zur Verfügung, die bei Krisen und Katastrophen in alle Welt entsandt werden können. Ein Blick auf eine besondere Institution der humanitären Hilfe.

Sie organisieren die medizinische Erstversorgung im Fall von Naturkatastrophen oder stellen sicher, dass Zelte dort ankommen, wo sie ankommen sollen. Sie dokumentieren die Abläufe internationaler humanitärer Hilfe, bauen Abwasserprojekte auf oder helfen bei der Entwicklung von erdbebensicheren Häusern. Die Einsätze der Angehörigen des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH)Externer Link sind vielfältig.

Unter «humanitärer Hilfe» versteht man sämtliche staatlichen und privaten Nothilfemassnahmen kurzfristiger Art, die im Ausland zur Rettung von Menschenleben und zur Linderung von Leiden aufgrund bewaffneter Konflikte, innerer Wirren, Natur- und Umweltkatastrophen beitragen. 

(Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz)

Der Name der Institution klingt nicht nach karitativem Engagement, sondern eher militärisch: In der Tat hat das SKH zumindest eines mit der Armee gemeinsam. Es ist nach dem Milizsystem aufgebaut, seine Angehörigen kommen mitten aus der Schweizer Zivilgesellschaft.

Jederzeit ein Einsatz möglich

Rund 700 spezialisierte Personen befinden sich im Pool der Institution. Dessen Zweck ist es, im Fall von Krisen, Katastrophen und Kriegen rasch reagieren und Hilfe in die ganze Welt schicken zu können. Diese Zivilpersonen sind quasi ein stehendes Heer: Sie sind flexibel und können rasch entsandt werden – also in den meisten Fällen stets einsatzbereit.

Deshalb sind sie beruflich oft selbständig – sie müssen besonders im Ernstfall schnell entsandt werden und können nicht noch ausgebildet werden. Viele der SKH-Angehörigen kommen aus technischen Berufen: Besonders in lebenswichtigen Bereichen wie Logistik, Wasser und dem Bauwesen ist ihre Expertise gefragt.

Sie sind in elf Fachgruppen aufgeteilt. Diese verteilen sich auf die folgenden Spezialisierungen:

Liste von Fachgruppen
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Die Einsätze in den verschiedenen Bereichen unterscheiden sich in ihrer Dauer. Im Fall von akuten Naturkatastrophen oder bei einem plötzlichen Konflikt können dies einige Wochen und Monate sein. Bei längerfristigen Projekten arbeiten die Korpsmitglieder zwischen einem halben Jahr bis zu zwei Jahre mit Personal vor Ort zusammen.


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Es gibt zwei Arten von Einsätzen: Entweder werden die Korpsmitglieder direkt von der Schweiz entsandt. Oder sie arbeiten im sogenannten «Secondment»Externer Link und werden von der offiziellen Schweiz für die Dauer eines Projekts an eine UNOExterner Link-Organisation «ausgeliehen». So soll Schweizer Knowhow auch in internationalen Teams weitergegeben werden.

Mit der Unsicherheit leben können

Wer Teil des Korps werden will, kann sich dafür bewerben. Das Aufnahmeverfahren ist streng; es stellt sicher, dass nur Expertinnen und Experten in den Pool kommen, die sich nicht nur für einmalige Einsätze zur Verfügung stellen wollen. 

Sie müssen das Schweizer Bürgerrecht und mehrjährige Erfahrung einerseits in ihrem Fachbereich und andererseits in der internationalen Zusammenarbeit haben, zudem mehrere Sprachen sprechen und mindestens 25 Jahre und maximal 55 Jahre alt sein.

Es gibt keine Festanstellungen – humanitäre Hilfseinsätze richten sich nach dem Bedarf «im Feld», dies kann sich rasch ändern. Die Korpsmitglieder erhalten einen Arbeitsvertrag für ihren Einsatz und einen Lohn. Wer SKH-Einsätze macht, muss mit der finanziellen sowie genereller Unsicherheit im Nacken leben können.

Vier Säulen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit

Das SKH gehört zum Bereich der humanitären Hilfe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), das wiederum dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten angegliedert ist. Somit ist die Tätigkeit des Korps fester Bestandteil der offiziellen Schweizer Aussenpolitik. Es ist quasi der operationelle Arm der humanitären Hilfe der Schweiz.


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Das Korps als Institution ist auch Teil der so genannten Schweizer Rettungskette, einem Zusammenschluss von zivilen, staatlichen und militärischen Organisationen, die bei Erdbeben zum Soforteinsatz kommen – mit Ortungsspezialisten, Ärztinnen und Rettungshunden.

Partnerorganisationen sind beispielsweise der Schweizerische Erdbebendienst SEDExterner Link, das Schweizerische Rote Kreuz (SRK)Externer Link, aber auch die Schweizer Fluglinie SwissExterner Link oder der Flughafen ZürichExterner Link.

Gesetzlich verankerte Unparteilichkeit

Seine Legitimation stützt das SKH auf das Bundesgesetz über internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre HilfeExterner Link von 1976. Hier ist in Artikel 7 festgelegt, dass humanitäre Hilfe zur «Erhaltung gefährdeten menschlichen Lebens» und «Linderung von Leiden» beitragen soll. Dies kann mittels vorbeugenden Massnahmen, aber auch mittels Nothilfe geschehen.

Das sind auch heute noch die Grundsätze des SKH: Seine Hilfe leistet es neutral und unparteiisch, arbeitet pragmatisch mit verschiedenen lokalen Partnern und versucht in seiner Arbeit auch vorbeugend tätig zu sein – unabhängig von Land, Ethnie oder Religion der betroffenen Menschen.

Im Bewusstsein dank Biafra

Das war nicht immer so. Während die «Auslandhilfe» im 19. Jahrhundert vor allem privater Wohltätigkeit zu verdanken war, richtete sich die Nothilfe in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg mehrheitlich weltanschaulich und konfessionell aus. Im Zug des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die humanitäre Hilfe integraler Teil des aussenpolitischen Konzepts der Schweiz.

Schweizer steht mit Einheimischen in Somalia neben Hütte
Somalia, 1980: Gemeinsamer Einsatz des SKH mit dem UNHCR für äthiopische Flüchtlinge. Keystone

Die Wichtigkeit von Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe verankerte sich im nationalen Bewusstsein besonders durch den nigerianischen Bürgerkrieg und die Biafra-Hungerkrise in den späten Sechzigern, die mit den neuen TV-Möglichkeiten direkt in die Wohnzimmer der Schweizerinnen und Schweizer drang. 

1973 wurde von der Regierung das Schweizer Katastrophenhilfekorps gegründet. Seit 2001 ist das SKH unter dem heutigen Namen aktiv.

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