In Christian Labharts neuem Dok spricht ein Verteidiger mit Idealen

Bernard Rambert setzte sich für Straffällige wie den Öko-Anarchisten Marco Camenisch, Ausbrecherkönig Walter Stürm oder Mitglieder der RAF ein. Der in Wetzikon ZH lebende Regisseur Christian Labhart lässt den Strafverteidiger im Film "Suspekt" zurückblicken.
(Keystone-SDA) Einige kennen ihn als «Roter Beni», andere geben ihm die weniger nette Bezeichnung des «Terroristenanwalts»: der heute 79-jährige Bernard Rambert, der über 14 Jahre vom Staat überwacht wurde und Ende der 1970er-Jahre vom Kanton Bern ein Berufsverbot auferlegt bekam.
Der Zürcher Filmemacher Christian Labhart lässt den Anwalt Rambert im Dok «Suspekt», der am Donnerstag in die Deutschschweizer Kinos kommt, auf seine Laufbahn zurückblicken. Das Setting ist schlicht gehalten: Der Film zeigt den Rambert in einer leeren Fabrikhalle sitzend, ihm Gegenüber eine Journalistin, die Fragen stellt.
«Ein parteiischer Film»
Rambert ist ein Linker. Von der Wichtigkeit politischer Proteste ist er überzeugt: «Wenn morgen ein Klimaaktivist mein Auto demoliert, werde ich mich aufregen und traurig sein für mein Auto. Aber ich werde die Aktion verstehen», sagt er einmal im Film. Auch der Regisseur Christian Labhart, der bereits in mehreren Filmen die kapitalistische Gesellschaftsordnung hinterfragt hat, positioniert sich klar links.
Die Redaktorin Julia Klebs, die Rambert im Film interviewt, schreibt ausserdem für die linke und emanzipatorische Zeitschrift «Widerspruch». Im Film kommen weder Opfer oder ihre Angehörigen noch Staatsanwälte, also mögliche Gegenspielerinnen und -spieler von Rambert, zu Wort. Ist das nicht einfach Wohlfühlkino für ein linkes Publikum?
Christian Labhart hofft es nicht, wie er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. «Für mich war klar: Ich mache einen parteiischen Film.» Den Einsatz, den Bernard Rambert in den vergangenen 50 Jahren als Strafverteidiger geleistet habe, sei so gross, dass es legitim sei, einen Film aus seiner Sicht zu drehen.
Von Brian K. zu Petra Krause
Dieser lässt im Film also Revue passieren, was er in seiner Karriere erlebt hat. Angefangen bei einem Fall, der noch nicht weit zurückliegt: 2022 erstattete er mit anderen Anwälten wegen der Haftbedingungen von Brian K., der der Öffentlichkeit auch unter dem Namen «Carlos» bekannt ist, Strafanzeige wegen Folter.
Rambert geht dann weiter zurück. Er erinnert sich, warum er im Fall des Bündner Anarchisten und AKW-Gegners Marco Camenisch, der wegen Mordes an einem Zollbeamten verurteilt wurde, auf Freispruch plädierte. Zuvor war Camenisch durch Sprengstoffanschläge auf Hochspannungsmasten bekannt geworden.
Man erfährt, dass Rambert stets aus der tiefen Überzeugung, dass jeder Mensch ein Recht auf eine würdige Behandlung hat, handelte. Dafür setzte er sich unerschrocken und ohne Angst vor Konsequenzen ein, wie der Film zeigt.
Bekannt ist auch der Fall von Petra Krause. Sie wurde 1975 in der Schweiz unter dem Verdacht verhaftet, Waffen geschmuggelt zu haben und Verbindungen zur Roten Armee Fraktion (RAF) zu unterhalten. Rambert vertrat als Anwalt die Frau, die im Gefängnis «einem strengen Isolationsregime» unterworfen war und bei der dies zu einem «physischen und psychischen Zusammenbruch geführt» hat, wie der Verteidiger im Film erzählt.
Eine Lektion in Protestgeschichte
Der 72-jährige Filmemacher Labhart wusste schon lange um die Fälle des fast gleichaltrigen Rambert. Er musste ihn mehrmals anfragen, bis er zum Film zustimmte. «Schliesslich stellte er zwei Bedingungen: Erstens sollte es keine ‹Homestory› werden. Zweitens war es sein Wunsch, das Erzählte in die Geschichte einzubetten», sagte Labhart.
So ordnet Rambert die Ereignisse in den historischen Kontext ein. Das reicht von den italienischen Saisonniers über bewaffnete Revolutionäre und der damit einhergehende Kampf gegen den Linksterrorismus der Schweizer Behörden bis hin zum Basler Frauenstreik von 2020.
Somit ist «Suspekt» eine Mischung aus Interview, Biografie und Geschichtslektion. Die schlicht gehaltenen Interview-Szenen werden mit Archivmaterial angereichert: Wir sehen Demonstrierende, die sich für die Freilassung von Christian Möller und Gabriele Kröcher, zwei Mitglieder der Bewegung «2. Juni», aussprechen. Auch sie hat Rambert verteidigt. Oder dann zeigt der Film Szenen der Jugendprotesten in Zürich von 1980. Auch Labhart erlebte sie mit: «Es war eine kreative Bewegung», erinnert er sich.
Filmemacher Labhart war während des Drehs von der Gelassenheit des Anwalts überrascht: «In unserer Generation gibt es viele, die sich wegen des Vormarsches der radikalen Rechten, nach der Wahl des US-Präsidenten Trump und dem Aufschwung der AfD in Deutschland, nur noch mit Zynismus zu helfen wissen», erklärte Labhart. Aber: «Bernard Rambert ist nicht verbittert.»