Zwischen Fake News und Fakten: Die Verantwortung der internationalen Medien
Das Jahr 2025 startet mit vielen Fragezeichen und Ungewissheiten. Das hat viel mit US-Präsident Donald Trump zu tun. Klar ist, dass sich der internationale Informationsraum weiter verändern wird – und Medien wie Swissinfo umso wichtiger werden, um Orientierung zu bieten.
Streift man zu Jahresbeginn durch die Medientitel der westlichen Welt und liest deren Ausblicke auf das neue Jahr, so steht konstant ein Name im Vordergrund: Donald Trump. Dem ehemaligen und neuen starken Mann in Washington wird von seinen Bewunderinnen und Bewunderern viel zugetraut. Ganz anders seine Skeptikerinnen und Skeptiker: Sie befürchten das Schlimmste.
Wie werden die zu erwartenden Handelskonflikte das Geschehen auf den Weltmärkten beeinflussen? Wie wird Trumps aussenpolitische Agenda die Geopolitik verändern? Welchen globalen Einfluss werden die Geschehnisse in den USA auf die wachsende Zahl von Demokratien haben, die in Bedrängnis sind?
Vieles bleibt Spekulation – und doch lohnt es sich, beim Blick in die Zukunft Trumps bisheriges Agieren zu analysieren, etwa im Bereich der Medien.
So spricht Trump seit jeher konsequent von «Fake-News-Medien», um den etablierten Medienhäusern jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen. Trump ist es gar gelungen, das Narrativ um die Erstürmung des Kapitols in Washington D.C. am 6. Januar 2021 durch seine Anhänger komplett umzudrehen – trotz zehntausenden Stunden an Videomaterial, die den Gewaltakt der Masse bezeugen und zahlreichen rechtskräftigen Verurteilungen von Vandalen.
Auf die Frage, ob Trump den Sturm auf das Kapitol in ein neues Licht rücken wolle und ob er irgendeine Verantwortung für die Geschehnisse an jenem Tag übernehme, verwies seine Sprecherin Karoline Leavitt in einer Erklärung auf die «politischen Verlierer», die versucht hätten, seine Karriere zu zerstören, und behauptete, dass «die Mainstream-Medien sich immer noch weigern, die Wahrheit über die Geschehnisse dieses Tages zu berichten».
Die Wahrheit gemäss Trump: Hinter den Gewaltakten des 6. Januar 2021 stecken Antifa-Agitatoren und eine Verschwörung des «tiefen Staates» und die vermeintlichen Vandalen und Aggressoren sind eigentlich politische Gefangene, Patrioten und Märtyrer.
Falsche oder einseitige Informationen mit Täuschungsabsicht gab es selbstredend lange vor Donald Trump, doch neu ist deren Ausmass und der Umstand, dass solche Verdrehungen vor den Augen der Weltöffentlichkeit geschehen.
Damit verstärkt Donald Trump eine Entwicklung, die schon viel früher eingesetzt hatte, wie die Politwissenschaftler David Barker und Morgan Marietta in ihrem Buch «One Nation, Two Realities» im Jahr 2019 festhielten. Aufgrund umfangreicher empirischer Studien in den USA argumentieren sie nämlich, dass die Wertvorstellungen der Menschen dafür entscheidend sind, wie sie Fakten wahrnehmen – und dass Menschen bevorzugt das glauben, was mit ihren Überzeugungen vereinbar ist. Dieser Befund gelte unabhängig von der politischen Orientierung. Das bedeutet umgekehrt, dass der Unterschied zwischen Meinung und Tatsache umso stärker verschwimmt, je polarisierter die Werte sind und je stärker eine politische Polarisierung vorherrscht.
Beste Veranschaulichung, wie weit sich mit diesem Umstand spielen lässt, bot Trump im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in der Fernsehdebatte gegen Kamala Harris: Als der Moderator von ABC News einbrachte, dass die zuvor von Trump geäusserte Behauptung falsch sei, dass Immigranten in Springfield, Ohio, Hunde und Katzen verspeisen würden, kanzelte Trump die Richtigstellung des Moderators kurzerhand als unglaubwürdig ab. Dies, obwohl ABC News diese Information aus erster Hand, über die Stadtverwaltung von Springfield, verifiziert hatte.
Es ist offensichtlich: Da die Prüfung von Fakten in der Regel den persönlichen Erfahrungsbereich übersteigt, hängt die Akzeptanz von Fakten letztlich davon ab, ob Menschen jenen Informationsquellen vertrauen, welche diese Fakten liefern.
Hier kommen die etablierten Medien ins Spiel: Sie allerdings, die diese Aufgabe der Informationsvermittlung traditionell innehaben und entlang journalistischer Regeln und medien-ethischer Kriterien operieren, stehen nicht nur wirtschaftlich unter starkem Druck. Auch das Vertrauen in öffentlich-rechtliche und private Medienhäuser weltweit erodiert. Gemäss dem Digital News Report des Reuters Institute vertrauen bloss noch 40% der Menschen den Informationen der professionellen Medien.
Die stete Verunglimpfung der traditionellen Medienhäuser durch Donald Trump und andere selbsternannte Kämpfer gegen das Establishment hat Spuren hinterlassen. Dazu kommt, dass sich mit den Sozialen Medien in jüngster Vergangenheit neue Informationsräume auftaten, in denen sich jede und jeder publizistisch betätigen kann – fernab jeglicher journalistischen Konvention. Politische Akteurinnen und Akteure nutzten in der Folge die Unsicherheit in der Bevölkerung und die Möglichkeiten der Sozialen Medien, um Misstrauen gegenüber den Medien zu schüren und ihre eigenen, zum Teil verzerrten Erzählungen zu verbreiten. Die jüngste Ankündigung von Facebook-Gründer und Meta-CEO Mark Zuckerberg, in den USA künftig auf eine externe Faktenüberprüfung zu verzichten, liest sich wie ein Bekenntnis, dass in den Sozialen Medien letztlich Meinungen und nicht Fakten zählen.
Gerade Autokratien machten sich diese offene Flanke im Informationsraum gerne zunutze, schreibt die Publizistin Anne Applebaum in ihrem neusten Buch «Autocracy, Inc.»: «Wie kann man bei so vielen Erklärungen wissen, was wirklich passiert ist? Was, wenn wir das nie herausfinden? Wenn Sie nicht verstehen, was in Ihrer Umgebung vor sich geht, schliessen Sie sich keiner grossen Demokratiebewegung an».
Für funktionierende Demokratien braucht es folglich funktionierende Medien. International agierende Medien wie Swissinfo können hier einen entscheidenden Beitrag leisten und sich dafür einsetzen, dass weltweit werthaltige Informationen und nicht krude Behauptungen die Grundlage für persönliche, gesellschaftliche oder politische Entscheidungen sind.
Bedingung dafür ist, dass die international agierenden Medien Vertrauen aufbauen. Dies kann jedoch nur gelingen, indem sie ihre Unabhängigkeit täglich unter Beweis stellen und einen Journalismus betreiben, welcher nicht polemisiert, sondern Unklarheiten benennt, Kontext bietet und Fakten checkt. Genau diesem Anspruch verpflichtet sich Swissinfo. Unsere Normen und Prozesse wurden extern auf ihre Vertrauenswürdigkeit überprüft und zertifiziert, und wir legen transparent dar, wie wir arbeiten.
Wir stellen fest, dass wir als internationales Medienhaus aus der neutralen Schweiz weltweit tatsächlich eine grosse Glaubwürdigkeit geniessen. Das ist für uns Verpflichtung, unterschiedliche Positionen zu Themen kritisch zu beleuchten, internationale Vergleiche anzustellen – und Schweizer Perspektiven einzubringen. Auf diesem Weg bedienen wir nicht bestehende Meinungen, sondern reichern diese mit neuen Sichtweisen an. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Diese Aufgabe wird mit Trump 2.0 an Bedeutung gewinnen.
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