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Der US-Austritt aus der WHO hat Folgen für die ganze Welt

Donald Trump unterschreibt ein Dokument an seinem Tisch im Oval Office
Am 20. Januar, dem Tag seiner Amtseinführung, rächte sich Donald Trump an der Weltgesundheitsorganisation und beschloss, sie zum zweiten Mal zu verlassen. Ein erster Versuch im Jahr 2020 hatte sein Nachfolger Joe Biden rückgängig gemacht. Copyright 2025 The Associated Press. All Rights Reserved

Der Rückzug der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird ein grosses Loch in den Haushalt der Organisation mit Sitz in Genf reissen. Die Entscheidung bedroht die globale Gesundheit, auch die der amerikanischen Bevölkerung.

20. Januar 2025 im Oval Office, kurz nach der Amtseinführung Donald Trumps: Der US-Präsident hält einen dicken schwarzen Filzstift zwischen den Fingern. «Was ist das», fragt er seinen Assistenten, der ihm eine Akte reicht. «Der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation, Sir», antwortet dieser. «Oh, das ist eine grosse Sache», freut sich Trump. Er unterschreibt das Dekret und beschwert sich ein letztes Mal über den zu geringen Beitrag Chinas zur WHO – 203 Millionen US-Dollar gegenüber 988 Millionen Dollar der USA.

Mit dem Austritt rächt sich Donald Trump an der WHO. Die UNO-Organisation ist verantwortlich dafür, globale Gesundheitsstandards festzulegen und weltweit Bedrohungen durch Krankheiten zu überwachen. Trump aber wirft der WHO vor, sie sei ineffizient und zu nachgiebig gegenüber Peking. Bereits während seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner den Austritt der USA aus der UNO-Organisation eingeleitet – im Juli 2020, mitten in der Coronavirus-Pandemie. Sein Nachfolger Joe Biden machte den Entscheid wieder rückgängig, bevor er wirksam werden konnte.

Der jetzige Austritt der USA wird sich auf die Projekte der WHO auswirken – und damit auch auf die globale Gesundheitspolitik. Damit steigt das Risiko, dass sich Infektionskrankheiten ausbreiten oder gar eine neue Pandemie ausbricht.

«In dieser Situation verlieren alle», sagt Antoine Flahault, Direktor des Institute of Global Health an der Universität Genf. «Die WHO sowieso. Aber auch alle Länder, denen die Organisation dient, einschliesslich der USA.»

Das grosse Geld

Der Rückzug der USA, dem grössten Beitragszahler der WHO, wird ein riesiges Loch in den Haushalt der Organisation reissen.

In den Jahren 2024 und 2025 hatten sich die USA zu Zahlungen von rund 988 Millionen US-Dollar verpflichtet. 261 Millionen davon sind Pflichtbeiträge – also jener Beitrag, den jeder Mitgliedstaat gemessen an seiner Wirtschaftsleistung entrichten muss. Der Rest sind freiwillige Beiträge für vordefinierte Programme.

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Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Generaldirektor der WHO, sagte, er bedauere die Entscheidung und hoffe, dass die USA sie rückgängig machen werden. Der Rückzug muss ein Jahr im Voraus angekündigt werden – dennoch bereitet sich die Organisation bereits auf Sparmassnahmen vor. Ihr Budget für 2026-2028 wird um 400 Millionen US-Dollar gekürztExterner Link, auf insgesamt 4,9 Milliarden US-Dollar. In einer internen E-MailExterner Link an die Mitarbeiter:innen kündigte die Leitung Sofortmassnahmen an, um die Ausgaben zu senken, darunter ein Einstellungsstopp und weniger Reisen.

Der Rückzug der USA wird besonders bei jenen Programmen Auswirkungen haben, die bisher zu einem grossen Teil durch sie finanziert werden: bei der Verbesserung des Zugangs zu medizinischer Grundversorgung, beim Reagieren auf gesundheitliche Notfälle oder bei der Ausrottung von Polio. Bei diesen Programmen machen die Beiträge der USA für 2024-2025 etwa 70% aus.

Foto von Tedros Adhanom Ghebreyesus
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, äusserte sein Bedauern über die Entscheidung der USA. Das Land habe in den vergangenen Jahrzehnten die globale Gesundheitspolitik massgeblich mitgestaltet. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Die Folgen sind jedoch nicht nur finanzieller Natur. Die Weltmacht USA haben die globale Gesundheitspolitik in den letzten Jahrzehnten massgeblich geprägt. Sie haben eine bestimmte Vision durchgesetzt und wissenschaftliche Modelle etabliert, die darauf aufbauen; vor allem in Bezug auf Impfungen, öffentlich-private Partnerschaften, den Zugang zu Medikamenten oder die Bekämpfung bestimmter Krankheiten. Dieser Ansatz ist heute bedroht.

«Die USA stellen einen grossen Teil des Gesamtbudgets der WHO, aber dieses entspricht in etwa dem des Genfer Universitätskrankenhauses», sagt Antoine Flahault. «Ich glaube also nicht, dass das Problem in erster Linie finanzieller Natur ist.» Es sei vielmehr der Verlust des «Geistes der Vereinigten Staaten», der der Organisation schaden könnte.

Bedrohung für die USA und die Welt

Gesundheitsexpert:innen befürchten, dass ein Wiederaufflammen jener Infektionskrankheiten droht, gegen die sich die USA stark engagiert haben: Vor allem Polio, HIV oder Tuberkulose.

Der Austritt der USA aus der WHO bedeutet auch das Ende der Zusammenarbeit mit der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Das habe Auswirkungen für die ganze Welt, sagt Suerie Moon, Co-Direktorin des Global Health Centre am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung (IHEID) in Genf. Die Behörde arbeitet eng mit der WHO zusammenarbeiten, insbesondere bei der Überwachung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten und Epidemien.

«Infektionskrankheiten verbreiten sich schnell und kennen keine Grenzen. Ohne diese technische Zusammenarbeit sind alle Länder gefährdet, auch die USA», sagt Moon. «Und ich glaube, dass die US-Regierung sich dessen nicht voll bewusst ist.»

Aktuelles Beispiel: der jüngste Ausbruch der Vogelgrippe in den USA. Diese hat bereits mehrere Dutzend Menschen infiziert und ein Todesopfer gefordertExterner Link. Gesundheitsexpert:innen schliessen eine neue Pandemie nicht aus.

Die Befürchtungen verstärken sich, wenn man bedenkt, mit welchem Misstrauen die Regierung Trump der Wissenschaft während der Coronavirus-Pandemie begegnete. Damals hatte der US-Präsident die Gefährlichkeit des Virus heruntergespielt und als Behandlung das Spritzen von Desinfektionsmitteln vorgeschlagen.

Logo und Gebäude der WHO
Durch den Austritt aus der WHO werden die USA keinen Zugang mehr zu den Daten haben, die die Organisation insbesondere im Alarmfall weitergibt, wodurch die Gesundheitssicherheit des Landes geschwächt wird. Keystone / Salvatore Di Nolfi

«Wenn die US-Regierung ähnlich reagiert wie damals, riskieren wir eine Vogelgrippe-Epidemie», sagt Suerie Moon. Da das Virus schnell mutiere, könnte das eine globale Pandemie auslösen. «Dieses Risiko, das von den USA ausgeht, kombiniert mit einer Schwächung der WHO und einem mangelnden Informationsaustausch zwischen dem Land und der Organisation, ist eine unmittelbare Bedrohung für die globale Gesundheitssicherheit.»

Der Austausch von wissenschaftlichen und gesundheitsbezogenen Daten zwischen den USA und der WHO ist bereits jetzt gefährdet: Die Regierung von Donald Trump hat die Gesundheitsbeamt:innen des Landes angewiesen, die Zusammenarbeit mit der Organisation sofort einzustellen. Umgekehrt werden auch die USA mit dem Austritt aus der WHO ihren Zugang zu den Daten wie etwa Vorwarnungen der WHO verlieren, was wiederum die Gesundheitssicherheit des Landes schwächen könnte.

Zusätzlich könnten auch der Rückzug Washingtons aus dem Pariser Klimaabkommen und die geplanten Kürzungen der US-Entwicklungshilfe Auswirkungen auf die Ausbreitung von Krankheiten weltweit haben: Etwa dann, wenn diese mit dem Klimawandel zusammenhängen, oder dadurch, dass die Gesundheitssysteme in den ärmsten Ländern geschwächt werden.

Selbst die US-Pharmaindustrie könnte darunter leiden. Während der Coronavirus-Pandemie hatte das internationale Impfstoffprogramm COVAX, das von der WHO mitverwaltet wurde, westlichen Impfstoffen den Vorzug vor jenen aus Russland und China gegeben.

Pandemieabkommen betroffen

Auch die Verhandlungen über das internationale Pandemieabkommen, die vor drei Jahren begannen, werden betroffen sein. Mit dem Abkommen sollte die internationale Gemeinschaft sich besser auf die nächste globale Gesundheitskrise vorbereiten und im Ernstfall darauf reagieren können.

Washington hat sich Mitte Februar aus den Verhandlungen zurückgezogen. Ohne die USA könnte es zu einer «Neujustierung des Machtgleichgewichts» kommen, sagt Suerie Moon. Allerdings, betont Moon, habe das Land bereits vor dem Amtsantritt Trumps den Ausstieg eingeleitet.

Die europäischen Länder und die USA hatten den Text bislang weitgehend ausgehöhlt. Sie wehrten sich vor allem dagegen, Patente aufzuheben und die Befugnisse der WHO zu stärken.

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Lücke zu füllen

Der Rückzug Washingtons aus der WHO könnte andere Staaten dazu veranlassen, ihr Engagement zu verstärken – wenn nicht finanziell, so zumindest diplomatisch.

«In der Politik gibt es kein Vakuum», sagt Nicoletta Dentico, Co-Präsidentin des NGO-Netzwerks Geneva Global Health Hub. «Wenn ein Platz frei wird, wird ein anderer Akteur ihn füllen.» Dass das finanzielle Defizit vollständig ausgeglichen wird, halten die befragten Expert:innen für unwahrscheinlich. Denn der Grossteil des Budgets der WHO hängt von einer Handvoll Staaten und Stiftungen ab.

>>Hören Sie unseren Podcast «Inside Geneva» (auf Englisch) über Donald Trump und die Zukunft der Vereinten Nationen.

Die Europäische Union und grosse europäische Beitragszahler wie Deutschland haben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zudem tendieren sie in Zeiten, in denen die Sicherheitslage angespannt ist, dazu, die Beiträge an die WHO zugunsten der Verteidigung zu kürzen. China könnte seinen Beitrag erhöhen – aber in der Regel bevorzugt das Land bilaterale Investitionen. Jenseits dessen haben nur die reichen arabischen Länder die Mittel, um den Verlust der US-Finanzierung auszugleichen.

Bisher hat Donald Trumps Entscheidung andere Länder jedoch eher dazu angeregt, dem Beispiel der USA zu folgen. Argentinien etwa hat Anfang Februar ebenfalls seinen Austritt angekündigt. Ein Sprecher begründeteExterner Link den Schritt mit «tiefgreifenden Differenzen in Bezug auf das Gesundheitsmanagement, insbesondere während der Pandemie». In Italien forderte ein Senator die Regierung auf, dem Beispiel Trumps ebenfalls zu folgen. In der Schweiz lancierte die rechtskonservativen Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) eine Petition, die den Bundesrat auffordert, aus der WHO auszutreten. Gegenüber Le TempsExterner Link erklärte die Partei, sie erwäge, einen Antrag im Parlament zu stellen oder eine Volksinitiative mit der Forderung zu lancieren.

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Editiert von Virginie Mangin/ Übertragung aus dem Französischen: Meret Michel/cm

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