Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Schweizer Budgetkürzungen schwächen das bereits unter Druck stehende internationale Genf

Hauptquartier der WHO
Ab 2025 streicht die Schweiz ihre Beiträge an das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV (UNAIDS) sowie an die Unesco und die Globale Bildungspartnerschaft. Weitere bedeutende Kürzungen sind geplant, insbesondere bei Unicef, UNDP sowie UN-Women. Copyright 2019 The Associated Press. All Rights Reserved.

Die Schweiz hat beschlossen, mehreren in Genf tätigen internationalen Organisationen die Finanzierung zu streichen, darunter UNAIDS und Unesco. Die Entscheidung, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die USA ihre Auslandshilfe eingestellt hat. In der Hauptstadt des Friedens herrscht ein Klima der Unsicherheit.

«Das ist ein harter Schlag, und der Zeitpunkt ist besonders ungünstig, gerade jetzt, wo die US-Hilfe ausgesetzt wird», sagt Christine Stegling, stellvertretende Exekutivdirektorin der UNAIDS-Abteilung für Politik, Aufklärung und Wissen.

Ende Januar wurde dem in Genf ansässigen HIV-Programm der Vereinten Nationen mitgeteilt, dass die Schweiz ihre Beiträge in der Höhe von 3 Millionen Franken ab 2025 einstellen würde.

«Diesen Verlust zu kompensieren wird schwierig sein, da der gesamte Entwicklungshilfesektor einen systemischen Schock durchmacht», sagt sie. Die Bundesbehörden streichen auch ihre Beiträge an die Unesco sowie die Globale Bildungspartnerschaft.

Weitere erhebliche Kürzungen sind geplant, insbesondere bei Unicef (-25% der Schweizer Beiträge), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP, -20%) sowie der Einheit der Vereinten Nationen für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung von Frauen (UN Women, -20%). Zudem wird die Schweiz ihre Entwicklungsprogramme in Albanien, Bangladesch und Sambia bis Ende 2028 einstellen.

Diese Massnahmen folgen auf den Entscheid des Parlaments von letztem Dezember, 110 Millionen Franken aus dem Budget 2025 und 321 Millionen Franken aus dem Finanzplan 2026-2028 im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen.

Sie sind Teil des umfassenden SparprogrammsExterner Link, das der Bundesrat im Herbst angekündigt hat und das unter anderem auf eine stärkere Finanzierung der Armee abzielt. Zusätzliche Mittel werden für den Wiederaufbau in der Ukraine (1,5 Milliarden Franken) und die internationale Klimafinanzierung (1,6 Milliarden Franken) bereitgestellt.

Verwundbar gegenüber Donald Trump

In Genf sorgen diese Ankündigungen für Unsicherheit, die durch die dreimonatige Aussetzung der Auslandshilfe durch US-Präsident Donald Trump für die Dauer einer Neubewertung verschärft wurde. Eine Ankündigung, die zu einer Zeit kommt, in der die Vereinten Nationen bereits mit einer beispiellosen Liquiditätskrise konfrontiert sind.

Wie viele andere in Genf ansässige Organisationen ist auch UNAIDS stark von den Beiträgen der USA abhängig – sie machen 40% des Budgets aus.

Mehr
Eine Hand, die ein Dekret mit einem Filzstift unterzeichnet

Mehr

Trumps Amtsantritt erschüttert das internationale Genf

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Washington ist der grösste Beitragszahler der UNO und spielt eine Schlüsselrolle in Genf, das von den Beschlüssen des neuen US-Präsidenten abhängt.

Mehr Trumps Amtsantritt erschüttert das internationale Genf

«Wir müssen uns schon jetzt auf drastische Sparmassnahmen vorbereiten und unsere Aktivitäten an eine möglicherweise reduzierte Finanzierung anpassen», sagt Stegling.

«In allen Ländern, in denen wir tätig sind, müssen HIV-Ambulatorien, die keine Reserven haben, ihre Türen schliessen, während sie auf eine Entscheidung aus den USA warten», sagt sie. «Den höchsten Preis dafür zahlen die Schwächsten.»

HIV-Infektionen auf dem Vormarsch?

Zwar begrüsst Stegling die US-Ausnahmeregelung für lebensrettende Behandlungen, zu denen auch Tests gehören, doch es bereitet ihr Sorgen, dass die Präventionsbemühungen – insbesondere die Verteilung von Kondomen und die vorbeugende Behandlung PrEP – unterbrochen werden.

«Dieses Einfrieren der US-Finanzierung wird unweigerlich zu einem Anstieg der HIV-Infektionen führen», sagt sie.

In der Schweiz begründen die Bundesbehörden die Streichung der Beiträge an UNAIDS damit, dass sie ihre Bemühungen zur Bekämpfung von HIV im Wesentlichen über die WHO und den in Genf ansässigen Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria konzentrieren wollen.

Ein Argument, das Christine Stegling nicht gerne hört: «Wir sind die einzigen, die direkt auf der lokalen Ebene arbeiten und die betroffenen Gemeinschaften einbeziehen. Der Globale Fonds und Pepfar (das amerikanische HIV-Programm, Anm. d. Red.) sind auf die Daten angewiesen, die wir vor Ort sammeln.»

Sie fügt an: «Wir wissen, wie wir HIV bis 2030 ausrotten können. Es wäre unverantwortlich, jetzt auszusteigen und 30 Jahre Fortschritt zu verlieren. Diese Infektionskrankheit beeinträchtigt die globale und nationale Gesundheitssicherheit; wir können eine Pandemie nicht einfach pausieren.»

Das internationale Genf ist eine Welt für sich. Abonnieren Sie unseren Newsletter und bleiben Sie über die Arbeit unserer Journalist:innen vor Ort informiert.

Auch Bildung und Kultur im Visier

Die Bereiche Bildung und Kultur sind ebenfalls von den neuen Sparmassnahmen betroffen. Ab 2025 wird die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) keine Beiträge mehr an die Globale Bildungspartnerschaft sowie an die Unesco leisten. Auch bei Unicef – dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen – werden die Beiträge um ein Viertel gekürzt.

Die DEZA kündigte an, sie wolle «die Tätigkeit im Bereich der Grundbildung schrittweise abbauen», um der Berufsbildung und der Bildung in Notsituationen Priorität einzuräumen. Wir haben die Unicef zum Thema kontaktiert, sie hat auf unsere Fragen nicht geantwortet.  

Mehr

Seitens der Unesco kam diese Ankündigung nur wenige Tage bevor US-Präsident Donald Trump ein Dekret unterzeichnete, um die USA aus dem Menschenrechtsrat zurückzuziehen und «die amerikanische Beteiligung an der Unesco zu überprüfen».

In seiner ersten Amtszeit hatte Trump die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur bereits verlassen. Beunruhigt die Organisation die Gefahr eines weiteren Ausstiegs der USA, der wiederum zu weiteren Rückzügen führen könnte?

Matthieu Guével, Kommunikationschef der Unesco, sagt: «Das finanzielle Engagement unserer multilateralen und privaten Partner ist stetig gewachsen – in den letzten acht Jahren haben sich diese Beiträge verdoppelt.»

Was die Kürzungen der Schweiz betrifft, betont er, dass nur die sogenannten «freiwilligen» Beiträge betroffen seien, und damit nur ein Teil der von der Schweiz bereitgestellten Mittel. «Diese Kürzungen werden sich auf einige unserer Operationen auswirken, insbesondere auf die des Internationalen Büros für Bildung mit Sitz in Genf, und wir werden weiterhin andere Akteure mobilisieren, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten», sagt Guével.

In Genf läuft der Countdown. Bereits Ende 2024 warnten Expert:innen vor der Gefahr, dass die Hauptstadt des Friedens ihren Einfluss auf der internationalen Bühne verlieren könnte. Die lokalen Behörden reagierten prompt: Am Mittwoch, 12. Februar, kündigte der Genfer Staatsrat eine Soforthilfe von 10 Millionen Franken für Nichtregierungsorganisationen anExterner Link. Nun hält das internationale Genf den Atem an und wartet auf die US-Evaluierung, die voraussichtlich Ende April vorliegen wird.

Externer Inhalt

Editiert von Pauline Turuban; Übertragung aus dem Französischen: Claire Micallef

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft