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Die Verhandlungen zwischen Iran und Europa kommen ohne die USA nur zögerlich voran

Die Polizei blockiert während Gesprächen über das Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran im Jahr 2015 den Zugang zum Hotel Intercontinental in Genf.
Die Polizei blockiert während Gesprächen über das Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran im Jahr 2015 den Zugang zum Hotel Intercontinental in Genf. Keystone/Laurent Gillieron

In einer angespannten politischen Lage und eine Woche vor Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus trafen sich Anfang Woche Diplomat:innen aus dem Iran, Frankreich, Grossbritannien und Deutschland in der Region Genf. Gegenstand der Gespräche, die am Dienstagabend endeten, war das iranische Atomprogramm. Die Chancen auf künftige Fortschritte in dieser brisanten Thematik sind jedoch gering.

Die Gespräche fanden an einem geheimen Ort in der Nähe von Genf statt. Sie waren laut den iranischen, französischen, britischen und deutschen diplomatischen Vertretungen, die sich bereits Ende November in der Schweiz getroffen hatten, «ernsthaft, offen und konstruktiv», wie sie am Montagabend nach dem ersten von zwei Gesprächstagen mitteilten. Der iranische Chefdiplomat fügte am Dienstagabend hinzu, er habe «den ernsthaften Willen» Frankreichs, Grossbritanniens und Deutschlands gespürt, die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm wieder aufzunehmen.

Das Treffen, das beide Seiten übereinstimmend nicht als «Verhandlungen», sondern lediglich als «Konsultationen» bezeichneten, sollte dem Iran und den europäischen Mächten die Möglichkeit geben, sich über verschiedene Themen auszutauschen, darunter auch das brisante Thema der iranischen Nuklearentwicklung.

Hinter dieser diplomatischen Sprache verbirgt sich eine reale Dringlichkeit. Die europäischen Länder sind besorgt über die Fortschritte, die der Iran mit seinem Atomprogramm gemacht hat. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA – der Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen – ist der Iran nun in der Lage, Uran auf 60% Reinheit anzureichern, was den 90% nahekommt, die für die Herstellung einer Atomwaffe erforderlich sind. Während Frankreich, Grossbritannien und Deutschland die iranischen Behörden dazu aufgerufen haben, ihre «nukleare Eskalation» zu beenden, verteidigt der Iran sein Recht auf diese Form der Energie für zivile Zwecke.

Der Iran ist durch militärische Rückschläge geschwächt, bei denen Israel seinen «Stellvertretern» wie der Hisbollah und der Hamas in der Region schwere Verluste zugefügt hat. Zusätzlich belastet der Sturz des verbündeten Regimes von Baschar al-Assad in Syrien den Iran, der sich gleichzeitig mit einer schweren Wirtschaftskrise konfrontiert sieht.

Vor diesem Hintergrund bemüht sich Teheran um eine Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen den Iran.

Für die iranischen Behörden ist eine Einigung mit den europäischen Mächten umso dringlicher, da im Oktober 2025 einige Klauseln des 2015 unterzeichneten Wiener Atomabkommens mit dem Iran (JCPoA) auslaufen. Insbesondere der Snapback-Mechanismus, der es Paris, London oder Berlin ermöglicht, einseitig internationale Sanktionen gegen den Iran wieder einzuführen. Dieser Mechanismus kann von den europäischen Mächten nach Ablauf der Frist nicht mehr genutzt werden.

Die Beziehungen des Irans zu den europäischen Ländern sind historisch gesehen besser als jene zwischen Teheran und Washington, die seit 45 Jahren unterbrochen sind, sie haben sich jedoch in den letzten Jahren verschlechtert. Gründe dafür waren die Lieferung iranischer Drohnen an Moskau im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und die Unterdrückung des Aufstands der Frauen im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini.

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Washington abwesend

Jedoch wird jede neue Vereinbarung zwangsläufig über die USA laufen, die bei den Gesprächen in Genf abwesend waren.

2018 hatte sich das Land unter Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückgezogen. Der Republikaner hatte diesen Vertrag – einen der bedeutendsten aussenpolitischen Erfolge seines Vorgängers Barack Obama – lange kritisiert. Das Abkommen, das auch von Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, China und Russland unterzeichnet wurde, setzt der Entwicklung der iranischen Atomkraft Grenzen, um im Gegenzug die internationalen Sanktionen gegen Teheran aufzuheben. Grenzen, von denen sich der Iran nach dem von Sanktionen begleiteten Rückzug der USA befreit hat.

«Heute wissen alle, dass das Abkommen hinfällig geworden ist», sagt David Rigoulet-Roze, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut de Relations Internationales et Stratégiques (IRIS), einer Denkfabrik mit Sitz in Paris. «Dies, weil Teheran seit der Unterzeichnung exponentielle Fortschritte bei der Anreicherung und der Menge an Uran gemacht hat, die selbst nach Aussage der IAEA nichts mehr mit einem zivilen Horizont zu tun haben. Es ist daher schwer vorstellbar, wie ein Iran mit einem übersteigerten Nationalismus sich diesem Abkommen unterwerfen könnte».

Laut dem Forscher ist es nun keine «technische Frage mehr, sondern eine politische Entscheidung», ob der Iran eine Atomwaffe herstellt. Die Tatsache, dass das Land unter Druck steht und geschwächt ist, könnte es dazu verleiten, sich mit einer Abschreckungswaffe – also einer Atombombe – auszustatten.

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Komplizierte künftige Verhandlungen

Seit seinem Amtsantritt letzten August hat der neue iranische Präsident Massud Peseschkian mehrfach den Wunsch geäussert, die Verhandlungen mit den Partnern auf der internationalen Bühne wieder aufzunehmen.

«Der Präsident und sein Team für auswärtige Angelegenheiten würden es vorziehen, ein Abkommen mit der neuen US-Regierung zu schliessen. Dieses könnte die europäischen Mächte einbeziehen oder auch nicht», sagt Farzan Sabet, Experte für Sicherheit im Nahen Osten am Geneva Graduate Institute. «Die iranische Regierung will eine Lockerung der Sanktionen erreichen und die Spannungen mit Washington abbauen, um eine militärische Konfrontation mit den USA zu vermeiden und nicht in eine Position zu geraten, in der sie sich gezwungen sieht, Atomwaffen zu entwickeln», fügt er hinzu.

Wie der Experte betont, besteht das Problem darin, dass der Präsident nicht der einzige Entscheidungsträger in der Atomfrage ist, da er von der Position anderer, mächtigerer Akteure innerhalb des iranischen Systems abhängig ist, insbesondere vom Obersten geistlichen Führer und den Revolutionsgarden. «Es ist schwer zu wissen, ob und wie sich die wahren roten Linien des Iran in der Atomfrage und anderen wichtigen Fragen verändert haben, insbesondere angesichts der jüngsten Ereignisse, die zu einer Schwächung der Sicherheit und des Einflusses des Landes geführt haben», sagt er.

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Rückkehr von Donald Trump

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus am 20. Januar bringt ebenfalls eine Reihe von Unsicherheiten mit sich. Der Republikaner vertritt eine harte Linie gegenüber dem Iran und hat sich in seiner neuen Regierung mit Persönlichkeiten umgeben, die diesen Ansatz teilen. Trump sieht sich jedoch auch als «Dealmaker» und könnte, wie bei seinem Besuch in Nordkorea während seiner ersten Amtszeit, versucht sein, einen Alleingang zu wagen und direkt mit Teheran zu verhandeln.

Für David Rigoulet-Roze ist es tatsächlich möglich, dass Donald Trump zu verhandeln versucht, ohne die europäischen Länder einzubeziehen, aber dann riskiert er, in ein Dilemma zu geraten. Der künftige US-Präsident versteht sich als unerschütterlicher Unterstützer Israels und hat angedeutet, dass er es dem jüdischen Staat erlauben könnte, iranische Atomanlagen zu treffen. Gleichzeitig will sich der Republikaner als friedfertiges Staatsoberhaupt präsentieren. «Sicher ist, dass, wenn Donald Trump ein Abkommen will, dieses für den Iran noch verbindlicher sein wird als der JCPoA. Und das Problem ist, dass Teheran das nicht akzeptieren wird“, sagt der Wissenschaftler.

Die Signale für ein nächstes Treffen zwischen Paris, London, Berlin und Teheran scheinen zwar auf Grün zu stehen, doch wurde bisher weder ein Datum noch ein Ort bestätigt.

Editiert von Virginie Mangin; Übertragung aus dem
Französischen: Claire Micallef

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