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Sudan: Alles, was Sie über die Verhandlungen wissen müssen

Bild von der Pressekonferenz, im Vordergrund eine Kamera, im Hintergrund verschwommen: Perriello.
Der US-Beauftragte für den Sudan, Tom Perriello, habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die sudanesische Armee zu den Verhandlungen in Genf kommen werde. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Heute sollen in der Region Genf Gespräche über den Sudan beginnen. Ziel ist es, nach 16 Monaten Konflikt einen Waffenstillstand zu erreichen, in dem Konflikt, der mit als die grösste humanitäre Katastrophe unserer Zeit gilt. Doch wie realistisch sind die Pläne?

Auf die Ankündigung folgte Funkstille. Seit Washington Ende Juli offiziell bekannt gegeben hat, dass unter der Führung der USA in der Schweiz Friedensgespräche über den Sudan stattfinden werden, sind in der Presse nur sehr wenige Details über den Ort des Treffens oder die Erfolgsaussichten durchgesickert. Und ungewiss blieb auch, ob die an dem Konflikt beteiligten Parteien anwesend sein werden oder nicht.

In den letzten 16 Monaten hat der Konflikt im Sudan fast 11 Millionen Menschen zur Flucht innerhalb des Landes veranlasst.

Wenige Stunden vor Beginn der Verhandlungen, die diesen Mittwoch beginnen sollen und von der Schweiz und Saudi-Arabien mitorganisiert werden, zeichnet sich ein etwas klareres Bild ab. Hier ist das Wichtigste in fünf Fragen und Antworten.

Was passiert im Sudan?

Das Land ist im April 2023 in einen gewaltsamen Bürgerkrieg geraten. Gegenüber stehen sich die sudanesische Armee unter der Führung von General Abdel Fattah al-Burhan und die Paramilitärs der Rapid Support Forces (RSF) unter der Führung von General Mohamed Hamdane Daglo, der ehemaligen rechten Hand seines Rivalen.

Zur Erinnerung: Militärs hatten 2019 einen Staatsstreich inszeniert, der einem 30-jährigen autokratischen Regime ein Ende setzte. Anschliessend wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Doch 2021 fiel das Land wieder in die Hände eines Militärrats. Die beiden Generäle waren Teil dieses Rates und gerieten schliesslich aneinander.

Beide streben nun nach der Macht und hoffen, die Reichtümer des Landes, das vor allem über Gold und Öl verfügt, in die Hände zu bekommen.

In den letzten 16 Monaten wurden Zehntausende Sudanes:innen getötet und fast 11 Millionen Menschen vertrieben, einige mehrfach. Nach Angaben der UNO sind mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Land geflohen.

Vor Ort kommt die humanitäre Hilfe nur tröpfchenweise an. Ihr Zugang ist stark behindert, und es fehlt an Finanzierungsquellen. Das Land befindet sich in einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt.

Die Krise ist auch eine der am meisten vernachlässigten, betonen die humanitären Organisationen der UNO und kritisieren die internationale Gemeinschaft für ihre Untätigkeit. Rund 25 Millionen Menschen, also mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes, benötigen Hilfe.

Diesen Dienstag schilderten mehrere UNO-Vertreter:innen vor der Presse im Palast der Vereinten Nationen die Schrecken, die die sudanesische Zivilbevölkerung tagtäglich erlebt. Unter ihnen sind auch Kinder, die den Bomben, dem Hunger und der sexuellen Gewalt ausgeliefert sind.

Worum geht es bei den Verhandlungen?

Bei den Gesprächen geht es um einen möglichen Waffenstillstand sowie einen besseren Zugang für humanitäre Helfer:innen.

Es handelt sich um ein neues Format, das von den USA mit Unterstützung der Schweiz und Saudi-Arabiens geleitet wird. Washington führte humanitäre Gründe für sein Engagement an, das auf frühere erfolglose Verhandlungsrunden in Jeddah, Saudi-Arabien, folgt.

Die Gespräche in Genf könnten bis zu zehn Tage dauern, während später eine zweite Runde folgen könnte.

Warum finden die Gespräche in der Schweiz statt?

Die Schweiz hat grosse Erfahrung mit der Ausrichtung von Friedensverhandlungen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Neutralität. Das Land könnte auch in humanitären Fragen einen Beitrag leisten, betonte Tom Perriello, der US-Gesandte für den Sudan, am Montag auf einer Pressekonferenz in Genf.

Die Nähe des europäischen Sitzes der UNO, wo die humanitäre Hilfe koordiniert wird, ist zweifellos ein weiterer Faktor.

Im Juli waren Vertreter:innen der RSF und der sudanesischen Armee auf Einladung des UNO-Gesandten für den Sudan, Ramtane Lamamra, nach Genf gereist.

Die beiden Parteien trafen sich jedoch nicht im Rahmen dieser indirekten Gespräche, bei denen es um humanitäre Hilfe und den Schutz von Zivilisten ging.

Wer nimmt am Treffen teil?

Das ist die grosse Frage, die noch offen ist. Es ist derzeit nicht klar, ob beide Seiten zu Gesprächen in die Schweiz gereist sind.

Die sudanesische Armee hatte am Wochenende erklärt, dass sie nicht an dieser Verhandlungsrunde teilnehmen wolle. Sie machte ihr Kommen unter anderem davon abhängig, dass sich die RSF aus den von ihnen kontrollierten Städten zurückziehen würden.

Sie hat sich auch gegen die Vereinigten Arabischen Emirate als Beobachter an der Konferenz ausgesprochen.

«Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie an den Gesprächen teilnehmen werden», sagte Tom Perriello jedoch und erklärte, dass die Genfer Gespräche «eine Erweiterung» der saudischen Gespräche sein werden.

Die RSF haben ihrerseits zugesagt, an den Genfer Gesprächen teilzunehmen. Ihre Abgesandten waren jedoch bis Montagnachmittag noch nicht in der Schweiz eingetroffen, so der US-Gesandte.

Die Gespräche sollen auch bei Abwesenheit einer der Parteien stattfinden, obwohl Tom Perriello eingeräumt hat, dass es sich dann um technische Gespräche und nicht um eine formelle Vermittlung handeln würde, was konkrete Fortschritte auf dem Weg zu einem Waffenstillstand erschweren würde.

Die UNO und die Afrikanische Union sollten als Beobachtende anwesend sein, ebenso wie Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Sehen Sie sich hier die Sendung RTS Géopolitis über den Krieg im Sudan an (auf Französisch):

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Welche Ergebnisse sind zu erwarten?

Die erklärten Ziele sind ein Plan für einen Waffenstillstand sowie ein verbesserter Zugang für die humanitäre Hilfe.

«Es ist unwahrscheinlich, dass wir in dieser Woche alle Probleme lösen werden», räumte Perriello ein.

Marc Lavergne, emeritierter Forschungsdirektor am CNRS (Centre national de la recherche scientifique), betonte letzte Woche auf Anfrage von RTS, dass «es ein positives Signal ist, dass die USA endlich ihr Gewicht in die Waagschale werfen». Er stellte aber gleichzeitig in Frage, ob dies ausreichen würde,

«Die Situation ist äusserst komplex und bislang hat keine der Initiativen, die Protagonisten an einen Tisch zu bringen, Erfolg gehabt», fügte er hinzu.

Seiner Meinung nach ist dieser Konflikt besonders schwer zu lösen, da es sich um «einen Interessenkrieg» handelt, in dem beide Seiten versuchen, die Reichtümer des Sudan an sich zu reissen. «Ich denke, dass Diplomaten angesichts dieser Art von Problematik etwas hilflos sind», fügte er hinzu.

Eine Lösung des politischen Konflikts steht hingegen nicht zur Debatte. Dies sei ein Bereich, in dem sich die Afrikanische Union engagiere und der von Washington unterstützt werde, sagte Perriello. Er fügte hinzu, dass es Sache der Bevölkerung und nicht der Generäle sei, diesen Aspekt zu lösen.

Editiert von Virginie Mangin, aus dem Französischen übertragen von Marc Leutenegger

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