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Weltweit sind mehr als eine Milliarde Schusswaffen im Umlauf

Mit der weltweiten Zunahme bewaffneter Konflikte nimmt auch der Waffenhandel stetig zu. So genannte Klein- und Leichtwaffen werden immer häufiger bei kriminellen Gewalttaten eingesetzt. Eine Eskalation der Gewalt, die mitunter auch Zivilist:innen zu den Waffen greifen lässt.

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Es ist ein Geschäft mit dem Tod. Laut Small Arms Survey sind weltweit über eine Milliarde Klein- und Leichtwaffen im Umlauf. Diese Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt.

«Man sieht, dass der weltweite Waffenbestand jedes Jahr wächst. Allein für den amerikanischen Markt werden jedes Jahr 13 Millionen neue Waffen produziert», erklärte Nicolas Florquin, Daten- und Analyseverantwortlicher des Forschungsprogramms, in der Sendung GéopolitisExterner Link im Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Die Genfer Organisation, die dem Graduate Institute angegliedert ist, untersucht illegale Waffenströme und bewaffnete Gewalt, um Entscheidungsträger:innen Daten zur Verfügung zu stellen.

Eine globale Plage

Da diese Kleinwaffen tragbar und damit leicht zu verstecken sind, bleiben sie meist unter dem Radar, zumal sich 80% von ihnen in den Händen von Zivilist:innen befinden.

Ein Übel, das besonders die Gewalt von Kartellen und organisierten Banden nährt, wie in Mexiko, wo jährlich rund 30’000 Morde verübt werden, die meisten davon mit Schusswaffen.

Angesichts dieser kriminellen Organisationen beschliessen einige Bürger:innen, sich ebenfalls zu bewaffnen. So sind in Mexiko mehr als 13 Millionen nicht registrierte Waffen im Umlauf.

Nach Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC)Externer Link ist Nordamerika die wichtigste Herkunftsregion der weltweit beschlagnahmten Schusswaffen, gefolgt von Europa und dem Nahen und Mittleren Osten. Ein Grossteil dieser Waffen wird nach Mittel- und Südamerika sowie in den Nahen und Mittleren Osten transferiert.

«Wir haben ein Panorama von Produzenten, das sich in den letzten 20 Jahren diversifiziert hat», kommentiert Florquin. «Wir haben nicht mehr das Bild von Waffen, die im Norden produziert und in den Süden exportiert werden. Es gibt Produzenten in anderen Regionen wie dem Nahen Osten, Lateinamerika, Mittelamerika und sogar Afrika.»

Nach Berechnungen der UNODC seien Pistolen die weltweit am häufigsten beschlagnahmten Schusswaffen (39%), gefolgt von Gewehren (25%), Schrotflinten (18%), Revolvern (14%), Maschinenpistolen (3%) und Maschinengewehren (1%).

Verschiedene Waffen
RTS

Befeuerung von Kriegsverbrechen

Ein undurchsichtiger Handel, der Konflikte befeuert, insbesondere im Sudan, wo seit 18 Monaten ein heftiger Bürgerkrieg und eine humanitäre Krise herrschen. Laut einer Untersuchung von Amnesty InternationalExterner Link schürt ein steter Strom ausländischer Waffen und Munition die Feindseligkeiten aus der Ferne.

Der Bericht nennt sechs Lieferländer: Serbien, Russland, Türkei, China, Vereinigte Arabische Emirate und Jemen. Mehrere dieser Länder sind Unterzeichner oder Parteien des Waffenhandelsvertrags, der den Transfer von Waffen in Länder verbietet, in denen ein hohes Risiko von Menschenrechtsverletzungen besteht, wie z.B. im Sudan. Trotz eines UNO-Embargos für die Region erreichen einige Waffen sogar Darfur im Westen des Landes.

Eine Reihe von zweckentfremdeten Waffen

Bei den Transfers in den Sudan handelt es sich um den Verkauf von Waffen, die für den zivilen Gebrauch – etwa für die Jagd oder das Sportschiessen – bestimmt sind, aber auch um Stichwaffen, die zu tödlichen Waffen umgebaut wurden.

Die Zweckentfremdung von Waffen, die oft ganz legal hergestellt werden, überrascht Florquin nicht. «Man sieht viele verschiedene Techniken, um die Export- und Importkontrollen zu umgehen, besonders die Kategorisierung von Waffen für militärische Zwecke als zivile Waffen», erklärt er am Beispiel von Scharfschützengewehren, die als Sportwaffen deklariert werden. Der Umbau von Schreckschusspistolen zu tödlichen Waffen sei zudem «eine der Hauptquellen illegaler Waffen in der EU», so der Experte.

Handwerklich hergestellte Waffen sind im weltweiten Waffenhandel auf dem Vormarsch. «Man sieht, dass das Phänomen heute explodiert ist und dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, Waffen nicht industriell herzustellen.»

Das gilt für kommerzielle Drohnen, die zu tragbaren Lenkraketen umgebaut werden, aber auch für Waffen aus dem 3D-Drucker, die einen immer grösseren Anteil am illegalen Waffenmarkt einnehmen.

Laut einer StudieExterner Link, an der Florquin mitgearbeitet hat, wurden 2023 weltweit fast 200 Vorfälle mit Waffen aus dem 3D-Drucker registriert, davon 110 in Nordamerika und 45 in Europa.

«Heute kann man seine eigene Waffe herstellen, indem man ein Teil (aus Polymeren, Anm. d. Red.) druckt, zum Beispiel das Gehäuse, und sich die Ersatzteile auf dem legalen Markt besorgt, um eine sehr leistungsfähige Waffe zusammenzustellen», erklärt er.

Im Februar wurde in Frankreich zum ersten Mal ein geheimes Netzwerk zur Herstellung von Waffen aus dem 3D-DruckerExterner Link ausgehoben.

Begrenzte Regulierung

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Waffenhandelsvertrags, der den Transfer von Waffen regulieren und verhindern soll, dass diese in Länder gelangen, in denen sie zur Begehung von Verbrechen eingesetzt werden können, fällt die Bilanz gemischt aus: «Der Vertrag verfügt über keinerlei Sanktionsmechanismen bei Verstössen», betont Florquin.

Er stellt fest, dass weniger als die Hälfte der Vertragsstaaten fristgerecht über ihren Waffenhandel berichten. «Bisher haben 115 Staaten den Waffenhandelsvertrag ratifiziert, darunter auch die Schweiz. Weder Russland noch die USA – zwei grosse Waffenexporteure – haben den Text ratifiziert.»

Die Zukunft der Regulierung von Kleinwaffen stand im Zentrum einer Debatte, die unter anderem vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und dem Small Arms Survey am 17. OktoberExterner Link in Genf organisiert wurde.

Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Géopolitis veröffentlicht und ist auch auf RTS Info erschienen.

Übertragung aus dem Französischen: Melanie Eichenberger

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