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Wie kann Indonesien mehr vom Nickel profitieren ohne seine Umwelt zu zerstören?

Nickel Indonesien
Nickelverarbeitung in Indonesien. Copyright 2023 The Associated Press. All Rights Reserved.

Indonesien nutzt seine Nickelerzvorkommen, um eine eigene Industrie zu entwickeln. Die Erfolgsgeschichte hat aber auch eine Kehrseite: Umweltverschmutzung und Abholzung der Wälder. Da die Nachfrage nach wichtigen Mineralien stark ansteigt, drängt die UNO auf Richtlinien.

Vor zehn Jahren kündigte Indonesien an, die Ausfuhr von Nickelerz, einem seiner wichtigsten Bodenschätze, zu verbieten. Nicht das Erz, der Rohstoff, sollte künftig den Inselstaat verlassen, sondern Nickel, das Endprodukt. So sicherte sich Indonesien seinen Platz auf der nächsten Stufe einer globalen Wertschöpfungskette.

Als die Länder weltweit unter Druck gerieten, ihre Umweltbelastung zu minimieren und auf sauberere Energiequellen umzusteigen, sah der Inselstaat mit den grössten Nickelreserven der Welt die Chance, seine Wirtschaft zu diversifizieren und mehr Einnahmen zu erzielen.

Nickel wird für die Produktion von Edelstahl gebraucht. Zudem wird Nickel mit Kupfer, Lithium, Kobalt und seltenen Erden für Windturbinen, Solarpaneele, Elektrofahrzeuge und Batteriespeichersysteme benötigt. Bedarf und Produktion werden sich nach UNO-AngabenExterner Link bis 2030 fast verdreifachen. Für die UNO ist die Nachfrage nach diesen natürlichen Ressourcen, von denen viele in Entwicklungsländern zu finden sind, eine Chance für diese Länder.  Sie kann hochwertige Arbeitsplätze schaffen und das Wachstum der Bruttoinlandprodukte (BIP) steigern.

«Die Energiewende ist eine historische Chance», erklärte die Generalsekretärin der UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD), Rebeca Grynspan, an der Klimakonferenz COP29 in Aserbaidschan im vergangenen November. Sie rief dazu auf, eine Zukunft zu schaffen, «in der wichtige Mineralien zu einem Katalysator für Wohlstand werden und niemanden ausschliessen».

Der willkommene wirtschaftliche Schub erfolgt jedoch oft auf Kosten der Umwelt. Der Abbau dieser Mineralien verschmutzt oft den Boden und lässt riesige Waldflächen kahl zurück.

Den Nickelproduzenten Indonesien hat der Boom dazu veranlasst, seine Nickelerz-Exporte zu stoppen, um eine eigene Verarbeitungsindustrie im Land zu entwickeln und nicht mehr nur das Rohmaterial zu verkaufen. Bis dahin war der Hauptmarkt China, 90% des indonesischen Nickelerzes gingen dorthin. Nach dem Exportverbot investierten ausländische Unternehmen, insbesondere grosse chinesische Unternehmen wie die Bergbauholding Tsingshan, im Land.

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Wirtschaftlich war diese Kollaboration ein Erfolg: Seit dem vollständigen Inkrafttreten des Ausfuhrverbots im Jahr 2020 dominiert Indonesien den Nickelmarkt. 2023 produzierte das Land fast die Hälfte des weltweit raffinierten Nickels.

Indonesiens Wertschöpfung aus Nickel stieg allein 2021 von 1,1 Mrd. Dollar auf 20,8 Mrd. Dollar. Die Massnahmen trugen auch zu höheren Steuereinnahmen aus der nachgelagerten verarbeitenden Nickelindustrie bei. Sie stiegen von 266 Millionen Dollar im Jahr 2019 auf 1,3 Milliarden Dollar im Jahr 2022.

Doch Indonesiens Ambitionen reichen weiter: An einer UNCTAD-Konferenz in Genf sagte Indonesiens stellvertretender Bergbauminister Septian Hario Seto im April 2024, das Exportverbot für Rohnickel sei nur ein Element eines umfassenden Pakets von Massnahmen zur Entwicklung einer lokalen Industrie. Dazu zählten auch steuerliche Anreize sowie Massnahmen zur Investitionsförderung und zur Vereinfachung von Genehmigungsverfahren.

«Die Regierung strebt einen wirtschaftlichen Wandel an (…) und will die Entwicklung einer Industrie mit hoher Wertschöpfung fördern», sagte Seto.

Zudem wurden Hochschulprogramme zur Ausbildung lokaler Arbeitskräfte und zur Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung aufgelegt.

Indonesien wird in Zukunft auch Batterien für Elektrofahrzeuge herstellen und plant den Bau von Elektroautos. Im Sommer 2024 eröffnete das Land seine erste Batteriefabrik für Elektrofahrzeuge in der Provinz West-Java.

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Wie schaffte das Entwicklungsland diesen Erfolg? «Ein umfassender nationaler Plan war von zentraler Bedeutung für die Fähigkeit des Landes, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen», erklärt Clovis Freire, Leiter der UNCTAD-Abteilung für Rohstoffe, gegenüber SWI swissinfo.ch in Genf.

Klage bei der WTO

Doch nicht alle freuen sich über den industriellen Wandel Indonesiens und das Exportverbot für Rohnickel.

Die Europäische Union befürchtete negative Auswirkungen auf ihre Stahlindustrie. Sie klagte bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf gegen das Erz-Ausfuhrverbot, es verstosse gegen die weltweiten Handelsregeln. Tatsächlich erklärte die WTO das Verbot der Erzausfuhr für unrechtmässig. Indonesien wiederum legte gegen diese Entscheidung Berufung ein. Das Verfahren ist noch hängig. Auch aus Sicht von UNCTAD besteht die Notwendigkeit, handelshemmende Massnahmen zu vermeiden.

Grosse Umweltschäden

Kritik gibt es inzwischen auch von Umweltorganisationen. Nach Angaben der International Union for Conservation of Nature (IUCN) führt der Nickel-Boom in Indonesien zu Abholzung, Umweltverschmutzung, auch zur Schädigung von Küstengebieten und Korallen sowie zum Verlust von Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung. Vor allem auf den Inseln Sulawesi und den Molukken werden der Organisation zufolge in alarmierendem Tempo Wälder gerodet.

Nickel Indonesien
Ein Lastwagen holt nickelhaltige Erde aus einer Mine, die in den Wäldern der Insel Halmahera im Osten Indonesiens angelegt wurde. Reuters

Die Organisation schätzt, dass der Nickel-Boom bereits jetzt zum Verlust von über 75’000 Hektar Wald geführt hat. Mehr als eine halbe Million weiterer Hektar indonesischer Wälder liegen innerhalb von Nickelkonzessionen und sind damit von Abholzung bedroht. Indonesiens Nickelerz liegt in flachen Lagerstätten, die leicht zugänglich sind, wenn der Regenwald gerodet wird.  Maartje Hilterman von IUCN NL fordert Externer Linkinsbesondere die Automobilindustrie auf, Massnahmen zu ergreifen, um die Herkunft ihres Nickels beispielsweise mit Hilfe von Satelliten zurückzuverfolgen und Nickel aus abgeholzten Gebieten zu unterbinden.

Aber nicht nur der Nickelabbau verursacht Umweltschäden, auch die rasante Zunahme von Nickelverarbeitungsanlagen schädigt die natürlichen Ökosysteme, etwa durch das Abholzen von Mangroven. Und auf der Molukken-Insel Halmahera brennen neben Schmelzöfen mehrere Kohlekraftwerke ununterbrochen, um Nickelerz zu Material für Batterien und Stahl zu veredeln, wie die Nachrichtenagentur AP kürzlich berichtete

Doch Nickelproduktion muss nicht schmutzig sein. So kann die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen den Treibhausgas-Ausstoss um bis zu 40% reduzieren, wie die gemeinnützige Organisation Transport and Environment 2023 in einer Studie Externer Linkschrieb.

Es geht auch sauber

Im September 2024 veröffentlichte ein UNO-Expertengremium Empfehlungen und Richtlinien für Regierungen, die Industrie und weitere Interessengruppen zur Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung wichtiger Mineralien. Ziel ist es, die gesamte Wertschöpfungskette dieser Mineralien umweltfreundlich zu gestalten und gleichzeitig die Menschenrechte zu achten.

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«Dieser Bericht zeigt Wege auf, wie die Revolution der erneuerbaren Energien auf Gerechtigkeit und Gleichheit basieren kann, so dass sie den Wohlstand in ressourcenreichen Entwicklungsländern steigert“, erklärte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres.

Einige Länder haben auf die Forderungen nach mehr Transparenz positiv reagiert. Kolumbien und Brasilien beispielsweise, die Nickel, Mangan, Kupfer und Seltene Erden fördern, setzen sich für ein neues verbindliches globales Abkommen über die Rückverfolgbarkeit der für die Energiewende benötigten Mineralien entlang ihrer gesamten Lieferkette ein, vom Abbau bis zum Recycling.

Die beiden Länder kündigten die Initiative im Oktober 2024 am Rande des UNO-Biodiversitätsgipfels COP16 in der kolumbianischen Stadt Cali an. Sie wollen bis zur UNO-Klimakonferenz COP30 im November 2025 einen Vorschlag für das Abkommen vorlegen.

Um Umweltprobleme zu beheben, hat Indonesien einen Mechanismus zur Rückverfolgbarkeit eingeführt, mit dem die Produktion und der Verkauf von Nickel überwacht werden sollen, wie die Nachrichtenplattform The Asia Live im Oktober 2024 berichtete.

Das System stellt sicher, dass jede Tonne Nickelerz von der Produktion bis zum Verkauf zurückverfolgt werden kann, so dass die Regierung Lieferungen von Unternehmen, die gegen Umweltvorschriften verstossen, blockieren kann. Darüber hinaus fordert Indonesien Unternehmen dazu auf, unabhängige internationale ESG-Zertifizierungen (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu erwerben.

Editiert von Virginie Mangin

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