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Ja zu Kohäsionsmilliarde und einheitlichen Kinderzulagen

Polen erhält als grösstes der neuen EU-Länder knapp die Hälfte des Kohäsionsbeitrags. Keystone

Der Bundesrat wertet das Ja zum Osthilfegesetz als "solidarischen Beitrag zu einem stabilen und sozialen Europa". Die EU-Kommission sieht eine Bestätigung des bilateralen Wegs.

Als «akzeptablen Kompromiss» bezeichnet die Regierung das neue Familienzulagen-Gesetz. bei den Kinderzulagen beträgt der Ja-Anteil 64% und bei der Osthilfe 53%.

Für die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zeugt das Ja zum Osthilfegesetz von staatspolitischer Reife der Stimmbürger. Es erlaube der Schweiz, auf dem erfolgreichen bilateralen Weg weiterzuschreiten. Nächster Schritt seien Verhandlungen über ein Stromabkommen.

Wirtschaftsministerin Doris Leuthard sagte, der Solidaritätsbeitrag für die 10 neuen EU-Mitgliedstaaten sei eine politische und wirtschaftliche Investition zum Vorteil der Schweiz. Die schweizerischen Unternehmen würden in den Wachstumsmärkten Osteuropas nicht diskriminiert.

Er freue sich über die positive Entscheidung der Schweizer Bürger, die auch in ihrem eigenen Interesse sei, erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Die EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner ergänzte, das Ja sei «eine Bestätigung des bilateralen Weges und die Basis für die zukünftige Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU».

Erfreut äusserten sich auch Vertreter von Polen und Ungarn, die zusammen mit den acht weiteren neuen EU-Staaten von der Kohäsionsmilliarde profitieren werden.

«Wenn man zusammen Handel treiben will, muss man Vertrauen in seine Partner haben können», erklärte der polnische Botschafter in der Schweiz, Janusz Niesyto.

Auch sein ungarischer Kollege Jenö Boros begrüsste den «sehr wichtigen» Entscheid, wie er sagte. Das investierte Geld sichere neue Perspektiven für die Schweizer Wirtschaft in Ungarn, fügte er an.

Gut 53% sagen Ja

Die Schweiz wird mit jährlich rund 100 Mio. Franken Aufbauprojekte in den 10 neuen EU-Ländern unterstützen. Das Osthilfegesetz, das für weitere 10 Jahre die Unterstützung demokratischer und wirtschaftlicher Reformen in den Staaten Osteuropas ermöglicht, nahm die von der Rechten aufgebaute Referendums-Hürde mit 53,4% Ja-Stimmen.

In 15 Kantonen stimmte das Volk zu, in 11 winkte es ab. Mit Überzeugung hinter die Vorlage stellten sich vor allem die Westschweiz und die städtischen Kantone. Die Waadt meldete mit 61,5% die grösste Zustimmung. Genf und Jura sagten mit je 60,1% Ja, knapp übertroffen von Basel-Stadt mit 60,5%.

Nein sagten vor allem die Kantone der Zentral- und Ostschweiz sowie der Kanton Tessin. Am höchsten ist der Anteil der Nein-Stimmen im Kanton Glarus mit 64,4%, vor dem Tessin mit 62,9 und Schwyz mit 61,3%.

Mit dem Ja hat das Schweizer Stimmvolk zum dritten Mal in Folge einer europapolitischen Vorlage zugestimmt.

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«Finanzpolitisches Resultat»

Ein weiteres Mal geschlagen geben musste sich in einer Europa-Abstimmung die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Schweizer Demokraten und die Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (AUNS).

Doch die Warnung vor einer Brüskierung der EU und das Argument, mehr Stabilität und Wohlstand in Osteuropa nützten auch der Schweiz und vor allem der Wirtschaft, wirkten offenbar stärker.

Trotz doppelter Niederlage am Abstimmungssonntag zeigte sich die SVP stolz darüber, bei der Osthilfe praktisch im Alleingang knapp 47% der Stimmbürger für ein Nein mobilisiert zu haben.

«Wenn alle Geld ausgeben wollen und sich niemand dagegen wehrt, ist es schwierig, dagegen anzukämpfen», sagte SVP-Präsident Ueli Maurer. Das Resultat sei aber rein finanzpolitisch und sage nichts über die europapolitische Stimmung in der Schweiz aus.

Ordnung im Dschungel der Kinderzulagen

Der Schweizer Sozialminister, Bundesrat Pascal Couchepin, freute sich über die klare Annahme des Familienzulagengesetzes. Es sei ein «akzeptabler Kompromiss». Dessen Annahme bestätige die Erfahrung, dass in der schweizerischen Sozialpolitik nur kleine Schritte ans Ziel führten.

Das Gesetz passierte mit 68% Ja-Stimmen. Es bringt Ordnung in den föderalistischen Dschungel der Zulagen. Auch Nichterberwerbstätige sind fortan anspruchsberechtigt, Teilzeitarbeitende erhalten überall die volle Zulage.

Am deutlichsten angenommen wurde das Familienzulagengesetz im Kanton Jura mit 83,7%. Nur knapp passierte die Vorlage mit je 50,3% Ja in Nidwalden und Glarus. Ganz aus der Reihe tanzte als einziger der Kanton Appenzell Innerrhoden mit 54,5% Nein.

In der ganzen Schweiz betragen die Familienzulagen künftig mindestens 200 Franken pro Kind und mindestens 250 Franken für Jugendliche in Ausbildung. Mit einem satten Zweidrittelsmehr wurde das Familienzulagengesetz angenommen.

swissinfo und Agenturen

Osthilfe:
1’158’442 Ja (53,4%)
1’010’255 Nein

Familienzulagen:
1’480’350 Ja (68%)
697’736 Nein

Stimmbeteiligung: 44,4%

Die Schweiz unterstützte die Länder Osteuropas seit 1990 mit bisher knapp 3,5 Mrd. Franken. Ziel: Aufbau von Demokratie und Wirtschaft.

Im Mai 2004 traten zehn neue Staaten der EU bei, mit der die Schweiz zwei Pakete von Bilateralen Verträgen abgeschlossen hat. Die EU hat die Schweiz zur finanziellen Unterstützung ihrer neuen Mitglieder aufgefordert, was im Frühjahr vom Parlament abgesegnet wurde.

Die Hilfe wird in Tranchen von 100 Mio. Franken, verteilt auf zehn Jahre, geleistet. Knapp die Hälfte der Gelder sind für Polen bestimmt.

Die Höhe der Familienzulagen in der Schweiz bestimmt jeder Kanton selber.

Vor 15 Jahren forderte eine parlamentarische Initiative, das Minimum der Familienzulagen national anzugleichen. 2004 lancierte die Gewerkschaft Travail.Suisse eine Initiative, die 450 Franken pro Monat und Kind forderte.

Das Parlament machte einen Gegenvorschlag: 200 Franken monatlich pro Kind bis 16 Jahre und 250 Franken für Jugendliche in Ausbildung bis 25. Darauf wurde die Initiative zurückgezogen.

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