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Jungunternehmer schnallen Gürtel um

Modegürtel, die News umfassen. swissinfo.ch

Die schicken Accessoires, die von einer Gruppe von jungen Schweizer Unternehmern hergestellt werden, machen in mehrfacher Hinsicht Schlagzeilen.

Für seine Taschen und Gürtel verwendet das Unternehmen Primecut mit Sitz in Wohlen (AG) unter anderem rezyklierte Zeitungen.

Das junge Start Up-Unternehmen hat bereits zwei prestigeträchtige Preise gewonnen. Nicht zuletzt dank der damit verbundenen Publicity verkaufen sich die Accessoires wie warme Semmeln.

Catharina Giese, 19 Jahre, ist das einzige Mitglied des Primecut-Teams, das von Anfang an dabei ist. Sie gehört zweifellos zu den jüngsten Unternehmensleitern des Landes.

Ihre Partner sind Claudio Büttler, Marketingmanager, Reto Marending, Produktionsmanager, und Daniel Böni, der für die Finanzen zuständig ist. Sie sind alle Anfang 20.

Anfänge reichen zurück ins Gymnasium

Primecut entstand im Zusammenhang mit einem Business-Projekt im Gymnasium, für das die Eltern das Gründungskapital zur Verfügung stellten.

Das Kleinunternehmen nahm 2003 am Wettbewerb Young Enterprise Switzerland (YES) teil und errang die höchste Auszeichnung. Anschliessend setzte es sich in einem europäischen Wettbewerb für junge Unternehmen, der 2004 auf Malta veranstaltet wurde, gegen 10’000 andere Firmen durch.

In der Folge gründeten die Primecut-Partner eine GmbH und baten die Neue Aargauer Bank in Wohlen, ihnen Geschäftsräumlichkeiten bereit zu stellen. Bankdirektor Werner Käch stellte ihnen für ein Jahr kostenlos einen Raum zur Verfügung. Ausserdem durften sie unentgeltlich die Telefon- und Faxanschlüsse benutzen.

«Wir suchten schon seit langem nach einer Möglichkeit, mit der Jungunternehmer in der Gründungszeit unterstützt werden können. Die Partner von Primecut legten uns einen sehr professionell erarbeiteten Businessplan vor. Offensichtlich waren sie von ihren Lehrern gut ausgebildet worden. Wir wollten ihnen beim nächsten Schritt unter die Arme greifen», sagt Werner Käch gegenüber swissinfo.

Das Erfolgsgeheimnis

Claudio Büttler führt einen grossen Teil des Erfolgs darauf zurück, dass das Unternehmen dem Zeitgeist Rechnung trägt: Die Produkte sind umweltfreundlich und weisen auch eine soziale Komponente auf. Jeder Gürtel ist ein Einzelstück, was in der Modewelt einen bedeutenden Vorteil darstellt.

Die Schlagzeilen werden aus alten Zeitungen ausgewählt und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Züriwerk Zürich – ein Unternehmen, das speziell für behinderte Menschen Arbeitsplätze anbietet – zu plastifizierten Collagen verarbeitet.

Anschliessend werden die Collagen vom Meili Huus, einem Textilproduzenten in Fahrwangen in der Nähe von Wohlen, entsprechend zugeschnitten und in die Gürtel eingenäht.

Gemäss Catharina Giese waren die Reaktionen überwältigend: «Wir erhielten unzählige E-Mails und wurden mit Bestellungen förmlich überhäuft.»

Mittlerweile liefert das Unternehmen seine Accessoires an zehn Geschäfte in der ganzen Deutschschweiz sowie an ein Geschäft in der isländischen Hauptstadt Reykjavik.

Doch der weitere Erfolg wird davon abhängen, ob die neusten Modetrends berücksichtigt werden. Claudio Büttler und seine Partner sind sich bewusst, dass ihr Produkt unter Umständen nur eine kurze Lebensdauer hat.

«Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Produktpalette erweitern und innovativ bleiben», erklärt er.

Von der Theorie zur Praxis

Während Catharina Giese momentan ihr letztes Schuljahr am Gymnasium absolviert, sind die anderen drei Partner bereits Hochschulstudenten. Claudio Büttler und Daniel Böni studieren Betriebswirtschaft an der Universität Basel, Reto Marending Biologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.

Für Claudio Büttler war rasch klar, dass er und seine Partner ihr theoretisches Wissen nicht immer anwenden können.

«Die Dinge funktionieren in der Praxis nicht immer so, wie man es in der Theorie erwarten würde», hält er fest. «So haben die Produzenten beispielsweise lange Lieferzeiten, weil wir ein so kleiner Kunde sind. Wir versuchen, Druck auf sie auszuüben, doch das ändert nicht viel.»

Reto Marending konzentriert sich auf die Verbesserung der Qualität der Gürtel. «Wir suchen nach einer Möglichkeit, sie etwas fester hinzukriegen und die Gürtelschnallen zu verbessern.»

Nun plant das Team, von den Taschen ein grösseres Volumen zu produzieren. Dies soll in Zusammenarbeit mit einem Partnerunternehmen von Meili Huus in Mazedonien realisiert werden, wo die Herstellungskosten tiefer sind.

Messebesuche, um Kunden zu gewinnen

Eine gute Kundenbasis ist für den Fortbestand jedes Unternehmens ein ausschlaggebender Faktor. In den letzten Wochen bereitete sich das Team auf die muba vor, die grosse Handelsmesse in Basel, die am 18. Februar ihre Tore öffnete. An dieser Messe sollen neue Kunden gewonnen werden.

Gemäss Büttler werden an der muba ungefähr 300’000 Besucher erwartet. «Wenn nur zehn Prozent dieser Besucher an unserem Stand vorbeikommen, bedeutet dies ein enormes Potenzial für den Ausbau unserer Kundenbasis», rechnet er vor.

Böni hofft, dass sich die Teammitglieder innerhalb der nächsten zwei Jahre einen vollen Lohn auszahlen können.

Doch das Geld ist ganz klar nicht der entscheidende Motivationsfaktor. «Ich bin mehr daran interessiert, Erfahrungen mit dem Führen eines Unternehmens zu sammeln», erklärt Catharina Giese.

«Es zwingt einen, seine Persönlichkeit zu entwickeln», fügt Reto Marending hinzu. «Man muss Präsentationen vor einem grossen Publikum durchführen. Und man sammelt Erfahrungen im Umgang mit Lieferanten und Produzenten. Es ist eine tolle Sache, ein eigenes Unternehmen zu haben.»

swissinfo, Julie Hunt in Wohlen
(Übertragung aus dem Englischen: Maya Im Hof)

Eine Gruppe von Schweizer Jungunternehmern hat ein florierendes Unternehmen aufgebaut, das Gürtel und Taschen herstellt, auf denen Schlagzeilen aus alten Zeitungen appliziert sind. Diese Accessoires verkaufen sich äusserst gut.

Das Start Up-Unternehmen gibt den Studenten, die es betreiben, Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen zur Frage zu sammeln, wie sich wirtschaftliche Theorien in die Praxis umsetzen lassen.

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