Kantone wollen neue EU-Debatte
Für eine Mehrheit der Kantone führt der bilaterale Weg über kurz oder lang in eine Sackgasse. Auch der Alleingang wird abgelehnt. 12 Kantone sind für einen EU-Beitritt.
Vom Bundesrat fordert die Konferenz der Kantonsregierungen eine Präzisierung seiner Strategie.
Langfristig erscheint einer Mehrheit der Kantone ein EU-Beitritt als wohl einzige Möglichkeit. Weil derzeit in der Schweiz in Europa-Fragen eine gewisse Ratlosigkeit herrscht, fordern die Kantone von der Regierung eine Präzisierung ihrer Europa-Strategie. Und zwar noch in der laufenden Legislatur-Periode – und sowohl inhaltlich als auch zeitlich.
Die Kantone machen damit einen gewissen Druck auf die Regierung. Diese hatte sich in ihrer Legislatur-Planung dafür ausgesprochen, in den nächsten vier Jahren das bei der Europäischen Union in Brüssel suspendierte Beitrittsgesuch weder zurückzuziehen noch zu aktivieren.
Langfristig keine Alternative zum Beitritt
«Die Kantone sehen langfristig kaum eine Alternative zu einem EU-Beitritt», fasste der Basler Regierungsrat Hans Martin Tschudi die Vernehmlassung zu einem europapolitischen Strategiepapier der KdK zusammen.
Von den 26 Kantonen äusserten sich in der Umfrage 12 grundsätzlich für einen Beitritt, wenn sie dazu auch verschiedene Einschränkungen machten. Im Lager der EU-Gegner befinden sich 8 Kantone, 5 äusserten sich unbestimmt.
Welcher Kanton wie geantwortet hat, wurde offen gelassen. Diese Situation spiegle in etwa auch den Volkswillen, hiess es bei der KdK weiter.
Gegen Alleingang
Deutlicher trat zu Tage, was die Kantone nicht wollen. Ein Alleingang sei kein Thema mehr, dafür sei die Verflechtung der Schweiz mit ihren Nachbarn zu gross, sagte Tschudi, der Vorsitzende der Europa-Arbeitsgruppe der KdK.
Er wies auch auf die Reihe der jüngsten Unstimmigkeiten in den Beziehungen zur EU und Deutschland hin. Zwar habe die Umfrage stattgefunden, bevor die neusten Probleme – Stichworte Verzollung der Re-Exporte, verstärkte deutsche Grenzkontrollen – aufgetreten seien.
Doch sei schon während der Zeit der Umfrage zu dem Strategie-Papier zwischen November 2003 und Januar 2004 klar gewesen, dass das bilaterale Verhandeln von Einzelproblemen mit der EU immer schwieriger werde.
Bilaterale auch keine Lösung
Aber auch der bilaterale Weg stösst auf Skepsis. Eine klare Mehrheit von 17 Kantonen erklärten bei der Umfrage unumwunden, der bilaterale Weg habe «mittel- und langfristig keine Zukunft», nur 6 Kantone wollen auf diesem Weg bleiben.
Dies sei ein klares Signal, dass es keine Bilateralen III, IV und V geben sollte, sagte der Schwyzer Regierungsrat Georg Hess. Andere Optionen als Beitritt oder Bilaterale sehen die Kantone nicht. Die Idee einer Zollunion mit der EU erachten nur gerade 2 Stände als prüfenswert.
Bundesrat soll Tempo machen
Klar ist für die Kantone, dass es in den Beziehungen zur EU vorwärts gehen muss. Die Entwicklung einer eigenständigen europapolitischen Strategie sei dringend notwendig, sagte Tschudi.
Der Bundesrat wird zum Handeln aufgefordert. Die Kantone unterstützen die Strategie der Regierung, die Europafrage grundlegend zu prüfen, machen aber zusätzlich Druck. Der Bundesrat müsse schnell eine Gesamtschau zur Europa- Politik vorlegen, was notfalls auch mit politischem Druck erreicht werden soll.
In dieser Gesamtschau soll die Regierung nach Ansicht der KdK die Vor- und Nachteile des bilateralen Weges wie auch eines Beitritts darlegen und konkrete Lösungen für die Nachteile beider Varianten aufzeigen. Ein Beitritt müsste, da er grundlegende Fragen wie die direkte Demokratie und den Föderalismus betrifft, breit diskutiert werden.
Als Beispiel nannte Tschudi die Frage, wie bei einem Beitritt die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf das EU-Niveau von 15% in der Schweizer Finanzordnung kompensiert werden könnte.
Auch Kantone haben Reform-Bedarf
Aber auch bei sich selber halten die Kantone Reformen für angezeigt. Die KdK soll als Mitwirkungsorgan der Kantone in der Aussen- und Europapolitik gestärkt werden.
Zudem wollen die Kantone ihre Position besser demokratisch verankern, indem sie ihre Parlamente vermehrt in Europa-Angelegenheiten miteinbeziehen. Eine Europa-Politik, die das Volk vernachlässige, sei zum Scheitern verurteilt, schloss Tschudi.
swissinfo und Agenturen
Die Kantone drängen auf eine neue Europa-Debatte.
Für eine Mehrheit führt der bilaterale Weg über kurz oder lang in eine Sackgasse. Auch der Alleingang wird abgelehnt.
Langfristig erscheint einer Mehrheit der Kantone ein EU-Beitritt als wohl einzige Möglichkeit.
Der Bundesrat wird zum Handeln aufgefordert. Die Kantone unterstützen zwar die Strategie des Regierung, die Europa-Frage grundlegend zu prüfen, machen aber zusätzlich Druck.
Die Regierung müsse schnell eine Gesamtschau zur Europa-Politik vorlegen, was notfalls auch mit politischem Druck erreicht werden soll.
Die Gesamtschau müsse Vor- und Nachteile des bilateralen Wegs und des EU-Beitritts darlegen und konkrete Lösungen für die Nachteile beider Varianten aufzeigen.
12 Kantone für Beitritt
8 Kantone gegen Beitritt
5 Kantone unbestimmt
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