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Den Skiferienorten den Puls fühlen

Die Engelberger Titlis-Bahnen möchten so hoch hinaus wie möglich. Keystone Archive

Die Schweizer Tourismus-Branche hat radikale Änderungen hinter sich, um in Zeiten des Klimawandels und zunehmendem Wettbewerb bestehen zu können.

Besonders gefährdet sind die 650 Seil-, Bergbahn- und Skilift-Betreiber, eine der wirtschaftlichen Schlüsselbranchen in den Alpenregionen.

Ihren Höhepunkt erreichte die Popularität von Winterferien in den Schweizer Alpen in den 80er-Jahren.

In den 90er-Jahren folgte wegen des verstärkten Wettbewerbs im Luftverkehr ein Rückgang. Sonnendestinationen im Süden wurden erschwinglich. Gleichzeitig verpassten die Alpendestinationen die Modernisierung ihres Angebots.

Auch innovative Marketing-Methoden liessen noch auf sich warten. Die Schneeverhältnisse wurden aber aufgrund der globalen Erwärmung bereits unsicher.

Zurzeit steigt die Anzahl der Touristen in den Statistiken wieder, doch der internationale Wettstreit um den Gast bleibt hart. Auch lieben es die Medien, mit jeder neu publizierten Studie über die Klimaerwärmung den Tod des Skisports herbeizuschreiben.

Dies schadet dem Image der Skiorte.

Die bekannteren unter den Skiorten kommen in den verschiedenen Klima-Szenarien zwar nicht schlecht weg, da sie meist in schneesicheren Höhen liegen. Doch genügt das allein noch nicht, um im Tourismus überleben zu können.

«Wir möchten die Ski-Region ausweiten», sagt Albert Wyler. Der Direktor des Engelberger Seilbahn-Unternehmens Titlis Rotair sieht dies «als Beweis, dass wir fest an die Zukunft unserer Skiregion auch in 20 Jahren glauben».

Geplant ist der Bau hochgelegener Skilifte, um die Titlis-Region mit zwei anderen Gebieten zu verbinden. Damit ergäbe sich eine Skiregion mit 210 Pistenkilometern – dreimal so viel wie Engelberg zu bieten hat.

Nicht gross genug

«Alle drei Regionen haben das Problem, nur mittelgross zu sein», sagt Wyler. «Aber mit einem Zusammenschluss könnten wir international wettbewerbsfähig werden.»

Auch bezüglich Aufrüstung in Sachen Schneekanonen ist Engelberg führend. Die Titlis-Region kann rund die Hälfte ihrer Pisten künstlich beschneien, und ist so für den Ski-Tourismus nicht von Mutter Natur abhängig.

Laut dem Tourismus-Experten Thomas Bieger, Professor an der Uni St. Gallen, macht die Titlis Region eigentlich alles richtig.

«Zu guter Letzt werden wir in der Schweiz rund 20 international wettbewerbsfähige Skiregionen haben», sagt Bieger gegenüber swissinfo. «Regionen, die auch die Möglichkeit haben, in Schneekanonen zu investieren, um Klimaveränderungen auszugleichen.»

Noch unberührte Skigebiete

Der Experte unterstützt auch den Trend, höher gelegene Gebiete, die bisher nicht befahren wurden, aber schneesicher sind, neu einzuplanen und dafür tiefer gelegene Skipisten aufzugeben.

Studien zeigen aber, dass hoch gelegene Skilifte weniger Umsätze generieren, obschon sie im Bau und Unterhalt teurer sind. Sie sind auch eher Stürmen ausgesetzt, die infolge des Klimawandels öfters erwartet werden.

Gegen dieses Bergauf-Rennen wehrt sich Monika Jäggi. Die Geografin hat die Schäden dokumentiert, welche Skipisten in Berggebieten im Kanton Wallis hinterlassen.

Laut Jäggi wächst auf den im Winter befahrenen Skipisten im Sommer keine Vegetation mehr, was zur Erosion beiträgt – das letzte, was man möchte. Denn gemäss Klimawissenschaftern führt der langsam auftauende Permafrost ohnehin zu vermehrter Erosion.

Eigenständigkeit in Umweltbelangen

Noch mehr Bedenken hat Monika Jäggi jedoch, was den Freihandel und dessen Auswirkungen auf die Souveränität der Schweiz in Umweltbelangen betrifft.

Für die Nichtregierungs-Organisation Erklärung von Bern hat Jäggi einen Forschungsbeitrag über Welthandel verfasst. Darin erklärt sie, dass das Dienstleistungsabkommen (Gats, General Agreement on Trade in Services der WTO), dem die Schweiz beigetreten ist, die Bemühungen um die Erhaltung unberührter Bergregionen schwäche.

«Gats will die Handelsschranken abbauen. Und Umweltgesetze werden als Handelshemmnisse erachtet», sagte sie gegenüber swissinfo.

Die Schweiz habe es unterlassen, beim Markteintritt von Ausländern Regeln zu setzen. Das heisst, dass grosse internationale Investoren künftig Mega-Resorts im Land aufstellen dürfen, ohne sich gross um Umweltbelange kümmern zu müssen.

NGO, Lex Koller und Samih Sawiris

Die Schweizer Regierung habe 2006, so Jäggi, einen gefährlichen Präzedenzfall gesetzt, als sie für den ägyptischen Investor Samih Sawiris eine Ausnahme statuierte, was die Regulierung des Grundstückbesitzes durch Ausländer betrifft («Lex Koller»). Damit konnte Sawiris seine Pläne für einen grossen Ferien-Resorts in Andermatt, Uri, fortsetzen.

Die künftige Entscheidungsinstanz in weiteren solchen Auseinandersetzungen liege, so Jäggi, gemäss Gats nun nicht mehr beim Schweizer Gericht, sondern bei der WTO.

swissinfo, Dale Bechtel
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander P. Künzle)

In der Schweiz gibt es rund 650 Seil-, Bergbahn- und Skilift-Unternehmen.

Mit insgesamt 11’000 Mitarbeitenden sind sie für die Berggebiete eine Schlüsselbranche und ein wichtiger Arbeitgeber.

Die Summe der Umsätze dieser Branche beträgt rund 840 Mio. Franken. Davon wird ein Viertel in den Erhalt und Neuerwerb von Anlagen investiert.

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