Der Klimawandel – eine unbequeme Wahrheit
Im Film "An Inconvenient Truth" bringt der frühere US-Vizepräsident Al Gore das Kunststück fertig, das Thema der Klimaerwärmung anschaulich darzulegen.
In einer eindrücklichen «One-Man-Show» legt er Zahlen und Fakten auf den Tisch und versucht so, dieses komplexe Thema in 90 Minuten abzuhandeln.
Dass sich Erde und Meere erwärmen, Eis und Gletscher schmelzen und Hurrikane heftiger werden, haben wohl alle schon gehört. Welches die möglichen Ursachen für diese Entwicklung und die Folgen davon sein könnten, wissen die wenigsten im Detail.
Im Film «An Inconvenient Truth» zeigt der 58-jährige US-Demokrat mit einer multimedialen Präsentation und anhand von Grafiken, Bildern, Tabellen und Cartoons, was mit unserem Planeten geschieht.
Gore konfrontiert das Kinopublikum mit einer geballten Ladung an Informationen, die Botschaften folgen Schlag auf Schlag. Und trotz der vielen Daten und Fakten ist der Film nie langweilig. Die technischen Hilfsmittel werden clever eingesetzt, der Frontalunterricht ist fundiert und überzeugend.
Schweizer Klimaforschung
Der Film baut an mehreren Stellen auf Ergebnissen der Schweizer Klimaforschung auf, so auf dem dokumentierten Rückzug der Alpengletscher und den in Eisbohrkernen der Antarktis gemessenen Treibhausgas-Konzentrationen der Universität Bern.
Zu sehen sind auch Bilder aus der Schweiz: der dramatische Rückzug des Rhonegletschers und das von einer Schlammlawine verwüstete Brienz im Jahr 2005.
Besonders erschreckend wirken die grafischen Darstellungen zunehmender Überschwemmungen. Sollte der Meeresspiegel um 6 Meter ansteigen, ausgelöst durch das Abschmelzen des Grönlandeises, könnten Gebiete der Niederlande, Shanghai, Bangladesh und ein Grossteil Manhattans überschwemmt werden. Massive Flüchtlingsströme wären die Folge. In der Tat eine unangenehme Wahrheit.
Legitime Vereinfachungen
Die wissenschaftlichen Resultate zur Klimaveränderung, die Gore im Film präsentiert, seien bis auf wenige Ausnahmen auf dem neusten Stand, schreibt Thomas Stocker in der NZZ am Sonntag. Er ist Leiter der Abteilung für Klima- und Umweltphysik der Universität Bern.
Wolle man ein so komplexes Thema in 90 Minuten abhandeln, seien Verkürzungen und Vereinfachungen notwendig. «Ohne diese würden die Aussagen zwar besser untermauert, ob sie aber auch besser verstanden würden, darf bezweifelt werden. Gore hat als erfahrener Politiker und Kommunikator die Vereinfachung gewählt», so Stocker.
Gores unfrohe Botschaft
Al Gore beschäftigt sich seit bald 30 Jahren intensiv mit dem sich wandelnden Klima und dem Verhältnis zwischen Mensch und Erde. Seit er im Jahr 2000 knapp nicht zum Präsidenten der USA gewählt wurde, tourt er um die Welt und spricht über den Zustand unseres Planeten.
Über 1000 Mal ist der Profi aufgetreten. So ist der Öko-Dok-Film nicht nur zu einem Plädoyer für den Planeten Erde, sondern auch zu einem Film über Al Gore geworden.
Auf die biografischen Einspielungen zum Hauptdarsteller hätte Regisseur Davis Guggenheim allerdings verzichten können, haben sie doch nur teils mit Al Gores Engagement in dieser Sache zu tun.
Unschöne Wahrheit ist gut gestartet
Der Film habe sie überzeugt, sagte eine Zuschauerin nach der Vorführung zu swissinfo. «Wenn der Film nur einem Teil des Publikums die Augen für die Problematik öffnet und damit zu einem Umdenken führt, ist das schon ein Erfolg.»
Leider führten sich aber nur Leute solche Filme wie «An Inconvenient Truth» zu Gemüte, die sich des Problems bereits bewusst seien. Jene, die für einen Katzensprung das Auto aus der Garage holten, in der Regel nicht.
Jean-Pierre Hügli, Pressesprecher für United International Pictures in der Schweiz, ist sich dessen bewusst. «Wir hoffen natürlich trotzdem, dass sich möglichst viele Leute diesen Film anschauen. Für einen Dokumentarfilm ist er sehr gut gestartet.»
Der Lerneffekt
Kinos in Winterthur und Zug hätten den Film gratis gezeigt. So habe er ein Publikum erreicht, das sonst vielleicht nicht gekommen wäre.
Zu hoffen ist, dass auch möglichst viele Schulklassen mit ihren Lehrkräften diesen aufrüttelnden Dok-Film zu sehen bekommen. Denn, so der Klima- und Umweltphysiker Thomas Stocker: «Die Aktualität der Fakten, die ausgezeichneten Bilder und verständlichen Grafiken, verbunden mit der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Al Gore, verleihen diesem Film einen hohen Lerneffekt – ohne die Zuschauer zu langweilen.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
Filmverleih Schweiz: United International Pictures Schweiz.
In der Romandie läuft «An Inconvenient Truth» von Regisseur Davis Guggenheim seit dem 11. Oktober, in der Deutschschweiz seit dem 19. Oktober 06.
Bisher wurden über 20’000 Eintritte verzeichnet.
Schweizer Premiere hatte «An Inconvenient Truth» am Filmfestival Locarno im August 2006.
In den USA spielte der Film seit Mai 2006 28 Mio. Fr. ein.
Albert Arnold Gore wurde am 31. März 1948 in Washington D.C. geboren.
Er besuchte die St. Alban’s Episcopal School in Washington.
In Tennessee arbeitete er auf der Farm seines Vaters.
Später studierte er in Harvard und an der Vanderbilt University.
Er diente im Vietnam-Krieg.
Bereits als Senator und später als Vizepräsident von Bill Clinton engagierte sich Gore für Umweltschutz-Fragen.
1992 veröffentlichte er das Buch «Earth in the Balance».
2000 war Gore US-Präsidentschafts-Kandidat und verlor die Wahl gegen George W. Bush in einer umstrittenen Auszählung .
Ende Oktober 2006 gab die britische Regierung nach einem alarmierenden Umweltbericht bekannt, Al Gore als Berater in Sachen Umweltschutz engagieren zu wollen.
Al Gore ist mit Mary Elizabeth Aitcheson, genannt Tipper, verheiratet.
Die beiden haben vier Kinder.
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