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Der Wolf soll zum Luchs werden

Immer noch herrscht die Angst vor dem bösen Wolf vor. Keystone

Die Schweiz verlangt vom ständigen Ausschuss der "Berner Konvention", den Wolf von "streng geschützte" auf "geschützte" Gattung zu reduzieren.

Umweltorganisationen kritisieren das Vorgehen. Damit stehe der Wolf vor der Ausrottung, sagen sie. Ein Entscheid wurde am Montag vertagt.

Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention, der für die Erhaltung der Wildtiere zuständig ist, tagt bis Freitag in Strassburg.

Am Montag wurder der Entscheid über die von der Schweiz geforderte Herabstufung des Schutzes des Wolfs von einer «streng geschützten Gattung» zu einer «geschützten Gattung» vertagt.

Die Mehrheit des Ausschusses wolle zuerst zusätzliche Abklärungen über die Situation des Wolfs in Europa und seinen Einfluss auf die Landwirtschaft treffen, wie das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) am Montag mitteilte. Zudem sollen juristische Fragen geklärt werden.

Ziel der Berner Konvention ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Unterzeichnerstaaten zu fördern, um wildlebende Pflanzen und Tiere sowie deren natürlichen Lebensräume zu erhalten und die vom Aussterben bedrohten wandernden Arten zu schützen.

Würde der Vorstoss angenommen, hätte der Wolf in der Schweiz den gleichen Status wie der Luchs und könnte zum Abschuss freigegeben werden. Dieser Schritt würde «die Anpassung der Konvention an die Praxis erlauben», erklärt Willy Geiger, Vizedirektor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL).

Schweiz: Sechs Wölfe geschossen

Von elf Wölfen, die sich seit 1995 in der Schweiz niedergelassen haben, sind sechs getötet worden, drei davon legal. Drei bis sechs Tiere sind gegenwärtig in der Schweiz erfasst.

Unter der geltenden Regelung muss ein Wolf 35 Stück Vieh in vier Monaten oder 25 in einem Monat gerissen haben, damit er zum Abschuss freigegeben wird.

Die vorgeschlagene Zurückstufung würde auch einen Ausgleich unter den Vertrags-Staaten schaffen. Gegenwärtig weigern sich nämlich 12 der 27 Staaten, die Tiere vollumfänglich zu schützen. Dazu gehören vor allem die Länder im Norden und Osten Europas, in denen sich der Wolf wieder angesiedelt hat.

Umweltorganisationen lehnen es ab, den Schutz des Wolfs zu vermindern. Die Wissenschafter sind sich darin nicht einig: Einige finden es vernünftig, das Gesetzt der Praxis anzupassen, andere glauben, dass die Wölfe nicht systematisch abgeschossen werden sollten, weil damit das Überleben der Art gefährdet würde.

Diskussion in Gang bringen

Der Antrag der Schweiz dürfte ebenfalls «die Diskussion im Rahmen des Europarats in Gang bringen», hofft Geiger. Bis jetzt existiere nämlich keine politische Zusammenarbeit, auch wenn die wissenschaftliche Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg funktioniere.

Laut Narcisse Seppey, Chef der Dienststelle für Jagd im Wallis, existiert auf lokaler Ebene eine Jagd-Zusammenarbeit mit Italien und Frankreich. Auf internationaler und politischer Ebene jedoch seien die Kontakte mit Paris und Rom gegenwärtig inexistent, sagte Geiger.

Nach Ansicht von Experten ist dieser Zustand absurd, wenn man die grosse Ausbreitung der Tiere in Betracht ziehe. Der «italienische» Wolf zum Beispiel sei in den Ost-Pyrenäen gesichtet worden.

Walliser Doppeldeutigkeit

Doch niemand will sich engagieren. In der Schweiz hat gemäss Geiger sogar das Wallis zu Beginn des Jahres die Teilnahme am internationalen Programm «Wolf» verweigert, das vom Piemont vorgeschlagen worden war. Zuvor hatte genau dieser Kanton wiederholt die Notwendigkeit beschwört, mit Italien zusammen zu arbeiten.

Auch die Bündner schlugen das Angebot aus. Das Tessin sei zwar interessiert gewesen, wollte aber nicht alleine teilnehmen. «Eine Vereinbarung mit dem Piemont und der Lombardei, wo die Wölfe herkommen, wäre sicherlich angebracht», unterstreicht der Vizedirektor des BUWAL.

Umweltorganisationen befürchten Ausrottung

Der Schweizerische Bund für Naturschutz, pro Natura, befürchtet, dass der Antrag der Schweizer Regierung in Strassburg dahin ziele, den Schutz des Wolfes zu schwächen. Die Organisation schreibt im Internet, dass sie schwarz sehe und ruft zu einer Protest-E-Mail-Aktion an die Regierung auf.

Die kleine Schweiz könne in ganz Europa einen neuen Ausrottungsfeldzug gegen den Wolf in Gang setzen, denn die offizielle Schweiz habe ein Problem mit dem Wolf, schreibt die Organisation.

Nur dank dem strengen Schutz habe sich der Wolf wieder erholt und breite sich aus. «Die Schweiz dagegen will das Rad der Zeit zurückdrehen», schreibt Pro Natura.

swissinfo und Agenturen

Seit 1995 sind 14 Wölfe von Italien und Frankreich her in die Schweiz eingewandert.

Für 7 Wölfe haben die Behörden eine Abschussbewilligung erteilt

Ein Tier muss 35 Tiere in vier Monaten rissen, um zum Abschuss freigegeben werden.

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