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Ein Mächtiger im Dienste der Entwicklungshilfe tritt ab

Walter Fust blickt auf eine sehr lange Amtszeit als Deza-Direktor zurück. Keystone

Der scheidende Deza-Direktor Walter Fust freut sich, dass er die Entwicklungs-Agentur des Bundes "in hervorragendem Zustand" übergeben kann. Kritik an der Tsunami-Hilfe weist er zurück.

Die Arbeit der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (Deza) geniesst weltweit höchstes Ansehen. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Walter Fust.

swissinfo: Welches ist der wichtigste Impuls, den Sie in Ihrer 15-jährigen Amtszeit an der Deza-Spitze setzen konnten?

Walter Fust: Die interne Gouvernanz, also die Zusammenführung der Bereiche Humanitäre Hilfe, Ostzusammenarbeit und bilaterale und multilaterale Entwicklung.

swissinfo: Sie wurden etwa als Herr über ein Milliardenbudget tituliert. Wie mächtig ist der Deza-Direktor?

W.F.: Ich bin weder mächtig noch ein König, wie das einige meinen. Ich habe in erster Linie eine grosse Verantwortung. Sie wurde mir vom Bundesrat übertragen und vom Parlament immer wieder kontrolliert.

In der Umsetzung des Auftrages habe ich aber Gestaltungsfreiheit. Die habe ich im Dienste der Sache genutzt, aber immer unter genauester Einhaltung der Vorschriften. Ich bin ein Mächtiger im Dienste der Sache, nicht als Person.

swissinfo: Die Schweiz wendet aktuell knapp 0,4% des Bruttoinland-Produktes (BIP) für Entwicklungshilfe auf. Die UNO verlangt zur Erreichung der Milleniums-Ziele 0,7%.

W.F.: Die knapp 0,4% werden von der Staatengemeinschaft ganz klar als nicht ausreichend eingestuft. Der Bundesrat ist aber realpolitischen Sachzwängen ausgesetzt. Ich bin ihm deshalb dankbar, dass er das Budget für Entwicklungszusammenarbeit auch in den nächsten sieben Jahren mit einer Wachstumsrate von 3,3% versieht. Da sind wir im Vergleich mit anderen Bundesaufgaben im Spitzenfeld.

swissinfo: Der Bundesrat hat jüngst den Rahmenkredit für die Entwicklungshilfe-Abteilung im Volkswirtschaftsministerium erneuert. Wäre nicht die Konzentration der Entwicklungshilfe auf die Deza, die zum Aussenministerium gehört, sinnvoll?

W.F.: Für mich ist ganz klar, dass es ein Dienstleistungszentrum des Bundes für die internationale Zusammenarbeit geben sollte. Das ist aber eine Frage des politischen Willens und der Ökonomie der Mittel, um die Kosten für die Leistungserbringung möglichst tief zu halten.

Ich vertrete diese Meinung mit absoluter Überzeugung, weil ich das Innenleben lange genug kenne, und wir mit Stellen aller Departemente zusammenarbeiten.

swissinfo: Die Deza wird für ihre Tsunami-Hilfe von der Zeitung «Weltwoche» stark kritisiert. Die mit Deza-Hilfe aufgebauten Dörfer werden als «Geisterdörfer» tituliert. Trifft dies zu?

W.F.: Abklärungen von unabhängigen Fachleuten vor Ort haben ergeben, dass der Journalist die thailändischen Dörfer auf der Insel Koh Phra Thong während der Schulferien besucht hatte. Ebenso fand er Häuser von Seenomaden leer vor, weil diese bis zu zwei Monate unterwegs sind.

Es gibt auf der Insel auch kein Spital, wie es im Artikel hiess, sondern einen Sanitätsposten. Er wird von zwei Krankenschwestern betrieben, die nur zu gewissen Zeiten Sprechstunde haben. Es trifft zu, dass vier von 27 gebauten Häusern zur Zeit nicht bewohnt sind. Die Familien sind ausgezogen, haben aber die Eigentumsrechte noch nicht veräussert.

Ich habe auch den Schweizer Botschafter, der die Dörfer eingeweiht hat, gebeten, vor Ort einen Augenschein zu nehmen. Ich selber war während der Aufbauphase zweimal auf der Insel. Ich habe gesehen, dass der Pier für die Fischerboote genau so gebaut wurde, wie er vorher war. Der gesamte Wiederaufbau wurde konsequent mit Einbezug der Bewohner durchgeführt.

Wir haben eine Zusammenstellung der Fakten gemacht, die wir Ende Monat publizieren. Dies wird die Sache in ein anderes Licht rücken.

swissinfo: Dieselbe Zeitung wirft der Deza im Zusammenhang mit der Hilfe in Sri Lanka Misswirtschaft und Planungsfehler vor.

W.F.: Auch dort haben wir Expertisen von unabhängigen Fachleuten machen lassen. Darin werden uns ausgezeichnete Resultate bescheinigt.

Ich muss aber betonen, dass hinter dieser Kritik Denunziationen und Unzulänglichkeiten von ehemaligen Mitarbeitern von Hilfswerken, aber auch der Deza stehen. Es gab Managementprobleme, und wir mussten Personal ersetzen. Die Probleme wurden aber im Sinne der Sache gelöst.

swissinfo: Ihr Nachfolger Martin Dahinden wurde als Mann mit ausgewiesenen Managerqualitäten vorgestellt. Deutet dies auf entsprechenden Reformbedarf in der Deza hin?

W.F.: Managerqualitäten sind unweigerlich nötig zur Führung der Deza. Die Deza ist in einem hervorragenden Zustand, und ich freue mich, sie so meinem Nachfolger zu übergeben. Management ist die Vorwegnahme zukünftiger Entwicklungen. Er wird sich zweifelsohne auf die Entwicklung dieser Zukunft, auf neue Akzente ausrichten müssen.

Wir haben uns in den letzten 15 Jahren ständig verändert und angepasst und regelmässig die Portfolios überprüft. Das wird auch mein Nachfolger tun müssen.

Die Deza ist nicht in der Krise, im Gegenteil. Eine Untersuchung über Führungsunterstützung in 60 Bundesämtern ergab letztes Jahr, dass die Deza zu den Top Five gehört. Das ist ein gutes Zeugnis.

swissinfo-Interview, Renat Künzi

1945 in Mosnang (Kanton St. Gallen) geboren, hat Walter Fust Staatswissenschaft studiert und in der Privatwirtschaft gearbeitet. 1975 trat er in den diplomatischen Dienst ein.

Nach verschiedenen Posten kehrte er 1984 nach Bern zurück, um persönlicher Berater von Bundesrat Kurt Furgler zu werden.

Nach dem Direktionsposten bei der Schweizerischen Zentrale für Handels-Förderung wechselte Fust 1990 als Generalsekretär ins Departement des Innern.

1993 wurde er Deza-Direktor.

Die Wahl zum Direktor des Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen (UNO) im November letzten Jahres blieb Fust verwehrt, weil sich die USA mit massivem Lobbying für ihre eigene Kandidatin stark machten.

Fust übernimmt nun im Auftrag von Ex-UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Leitung des Humanitären Weltforums Genf.

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