«Frühlingsputzete» in Schweizer Städten
Graffitis, Hundekot, überquellende Abfallkübel und weggeworfene Gratiszeitungen am Boden. So präsentieren sich Schweizer Städte. Doch fast überall haben die Behörden den Abfallsündern den Kampf angesagt: Kampagnen sollen die sachgerechte Entsorgung fördern.
«Abfall ist ein Problem der Städte. In den Städten funktioniert die soziale Kontrolle nicht», sagt Ursula Weinmann, Pressesprecherin von Entsorgung und Recycling Zürich. «Da kann es passieren, dass ein Abfallsack zu lange auf der Strasse stehen bleibt. Wird dieser dann aufgeschlitzt, dann sieht es sehr schnell widerlich aus», erklärt Weinmann.
Doch Zürich bleibt nicht untätig: Alle Zugezogenen erhalten einen ausführlichen Entsorgungsplan und neuerdings werden illegal deponierte Abfallsäcke, also solche, für die keine Sackgebühr bezahlt wurde, in einem speziellen Abfall-Mobil in aller Öffentlichkeit «seziert»: Kann der Urheber ermittelt werden, schickt ihm die Stadt eine Rechnung. Der Unkostenbeitrag für die legale Entsorgung kostet dann 98 Franken.
«Littering» in den Strassen und auf Plätzen…
Andere Probleme schafft der Abfall, der gar nicht in den Abfalleimern landet, also die Papierchen, Plastikbecher und Heftchen, die achtlos auf den Boden geworfen werden. «Dieses sogenannte ‹Littering› ist in der ganzen Schweiz zu beobachten», erklärt Stefan Baumann von der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz (PUSCH).
PUSCH will Littering in einer schweizweiten Kampagne angehen: Das Programm heisst «Trash ist Kultur», es soll Konsumierende sensibilisieren. Denn viel Abfall habe mit verpackungs-intensiven Konsumformen wie Fastfood zu tun. «Wir wollen nicht den Drohfinger erheben, sondern die Leute motivieren, die Abfälle korrekt zu entsorgen.» Plakate, Kleber und Strassentheater sollen die Regeln in Erinnerung rufen und mit gutem Vorbild vorangehen.
Auf Ermahnung kombiniert mit Repression setzt die Stadt Zürich rund ums Seebecken und im Industriequartier. Das Motto der Kampagne: «Erlaubt ist, was nicht stört.» Die entsprechenden Benimmregeln werden auf überdimensionalen gelben Plakaten in Erinnerung gerufen: «Wand nur anpinkeln, wenn ein Pissoir dran ist» heisst es dort beispielsweise. Offenbar sind selbst solche Grundlagen des Zusammenlebens im urbanen Umfeld keineswegs mehr selbstverständlich. Damit die Aufrufe auch umgesetzt werden, wurden auf den Sommer hin neue öffentliche Toiletten aufgestellt, mehr Abfallkübel montiert und berittene Polizei-Patrouillen abkommandiert.
… als Zeiterscheinung
«Das unsaubere Strassenbild wirkt sich aufs Image der Stadt aus», meint Adrian Haas, Geschäftsführer der City-Vereinigung der Geschäfte in der Berner Innenstadt. «Vielleicht ist es eine Frage der Erziehung, dass soviel achtlos fortgeworfen wird. Wenn dann mal etwas liegen bleibt, scheint das ein Anreiz zu sein, noch mehr liegen zu lassen», meinte Haas. Die City-Vereinigung sitzt in einer Arbeitsgruppe, die das Problem unter den Berner Lauben angehen will.
Als städtischer Vertreter sitzt Paul Müller in diesem Kontaktgremium: «Das Problem ist die Gedankenlosigkeit und Disziplinlosigkeit der Leute.» Für Müller ist klar: «Wir werden an PUSCH teilnehmen. Die langfristige Dauerkampagne ist sehr wertvoll.» Ausserdem ist ab nächstem Jahr eine alljährliche Frühlingsputztete geplant. «Dieses Jahr fällt der internationale Abfall-Verhütungs-Tag auf unsern Car-Free-Day, wir werden also auch das Abfall-Problem mit einbeziehen.»
Graffitis unter Kontrolle
Noch hartnäckiger als der lose Abfall halten sich die Graffitis und Tags (gesprayte Unterschriften) an Hauswänden und in Unterführungen. In Winterthur wurde den Sprayern schon vor drei Jahren der Krieg erklärt: Eine Gruppe Erwerbsloser putzte neue Graffitis schnellstmöglich und immer wieder weg, bis den Sprayenden die Lust vergangen war. «Dadurch haben wir das Problem in den Griff gekriegt», sagt Lukas Mischler, Bau-Departements-Sekretär in Winterthur. Heute sei die Massnahme nicht mehr nötig.
Kein eidgenössisches Singapur
Selbst alle diese Massnahmen zusammen werden den Abfall nie ganz zum Verschwinden bringen. Ein Singapur in der Schweiz ist auch nicht das Ziel. «Wir wollen nicht jeden Abfallsünder verfolgen und mit einem Bussenzettel bestrafen. Das Littering verursachen wir alle zusammen, wir wollen, dass alle zusammen an der Lösung arbeiten», sagt Baumann von PUSCH.
Philippe Kropf
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