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Geothermie auf dem Vormarsch

Das innere Feuer der Erde, in der Vorstellung des deutschen Jesuiten und Philosophen Athanasius Kircher im 17. Jahrhundert Keystone

Die Schweiz hält einen Weltrekord in Bezug auf die Nutzung von Erdwärme: Sie besitzt die höchste Dichte von geothermischen Installationen auf der Welt. Doch bisher fehlen Kraftwerke zur Umwandlung von Erdwärme in elektrischen Strom.

Die Schweiz verfügt über 50’000 Installationen, welche Erdwärme in Form von heissem Wasser oder heisser Luft nutzen. Damit weist die Schweiz weltweit die höchste Dichte geothermischer Anlagen auf.

Erdwärmesonden, beziehungsweise Wärmepumpen heizen im Winter Wohnungen, Büros, Hotels oder Gewächshäuser. Im Sommer kann der Prozess umgekehrt und überflüssige Wärme ins Erdreich abgeleitet werden.

Diese Energieform ist bei Familien und Unternehmern immer beliebter. Die Nachfrage nach Erdwärmesonden steigt kontinuierlich. Die relativ hohen Investitionskosten lassen sich in wenigen Jahren amortisieren.

«Die Zahl der Sonden hat sich in fünf Jahren verdoppelt», sagt Daniel Pahud, Leiter des Zentrums für die Förderung von Erdwärme im Kanton Tessin.

Italien als Vorreiter

Die individuelle Nutzung der Erdwärme ist in der Schweiz stark verbreitet, doch ein kommerzielles Kraftwerk zur Umwandlung von Geothermie in Elektrizität gibt es bisher nicht. Italien und Deutschland sind in dieser Hinsicht weiter fortgeschritten.

In Italien wurde das weltweit erste geothermische Kraftwerk in Betrieb gekommen (Vgl. rechte Spalte). «Italien hat Glück, da das warme Wasser fast bis an die Erdoberfläche aufsteigt», sagt Daniel Pahud, «da war es nicht schwierig, die Hitze zur Stromgewinnung zu nutzen.»

In der Schweiz existieren keine Vulkane. Und die geologischen Verhältnisse sind äusserst komplex. Um warme Quellen zu finden, muss man bis 5 Kilometer unter die Erdoberfläche bohren.

Dabei ist die Reise ins Erdinnere voller Unwegsamkeiten und Überraschungen. Dies zeigen die Schwierigkeiten mit der Bohrung in Basel, wo im Rahmen des Projekts Deep Heat Mining das erste geothermische Kraftwerk der Schweiz entstehen soll.

Wenn die Erde bebt

Das dortige Projekt sieht vor, kaltes Wasser von der Erdoberfläche unter Hochdruck in 5000 Meter Tiefe zu pressen. Dort ist das Gestein 200 Grad heiss. Das erhitzte Wasser wird dann wieder an die Erdoberfläche gepumpt, um schliesslich in elektrische Energie umgewandelt zu werden. 10’000 Haushaltungen sollen so versorgt werden.

Das künftige Kraftwerk in Basel sollte eigentlich zu einem Vorzeigebetrieb für die Entwicklung von geothermischen Kraftwerksanlagen werden. Doch nach den ersten Bohrungen in Basel begann die Erde zu beben.

Die wahrnehmbaren Erdstösse sorgten für grosse Verunsicherung in der Bevölkerung. Das Projekt wurde daher 2007 vorläufig gestoppt. Die Behörden und die federführende Unternehmung Geopower AG klären derzeit die Risiken ab, bevor mit dem Projekt weiter gefahren wird.

Natürliche Kernkraft

Die Geologie ist eine komplexe Wissenschaft. Und im Vergleich zur Sonnen- oder Windenergie steht für die Forschung zur Nutzung von Erdwärme viel weniger Geld zur Verfügung.

Im Jahr 2008 investierte das Bundesamt für Energie rund 1,5 Millionen Franken in die Geothermie. «Dies sind 12 Prozent des Betrags, der für erneuerbare Energiequellen zur Verfügung steht», sagt Markus Geissmann vom Bundesamt für Energie.

Dabei besitzt Geothermie ein enormes Potential. Bei der Produktion elektrischer Energie aus Erdwärme wird kein CO2 frei. Die Energie ist unabhängig von Klima, Tages- und Jahreszeit verfügbar.

«Erdwärme ist eine Art natürlicher Nuklear-Energie», schwärmt die Geologin Kathy Riklin, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Geothermie. In der Tat verdankt sich die Erdwärme radioaktiven Zerfallsprozessen natürlicher Stoffe wie beispielsweise Uran.

Zur Zeit wird weniger als 1 Prozent der weltweit produzierten Elektrizität durch Erdwärme erzeugt. «Es wäre ein grosser Erfolg, wenn es der Schweiz gelänge, 3 bis 4 Prozent ihres Strombedarfs durch Geothermie zu decken», sagt Riklin.

Geothermie als «Master»

Laut dem Leiter des Forschungszentrums für Geothermie in Neuenburg (CREGE), François-David Vuataz, verfügt die Schweiz über gute technische Voraussetzungen, hinkt aber in der Entwicklung anderen Ländern hinterher. «Wir verpassen die Möglichkeit, uns im Bereich erneuerbarer Energiequellen stärker zu profilieren», bedauert er.

Deutschland sei beispielsweise in Bezug auf Sonne- und Windkraft sowie Erdwärme weiter fortgeschritten als die Schweiz.

Um sich besser zu positionieren, wird das Forschungszentrum Crege in Zusammenarbeit mit der Universität Neuenburg im kommenden Jahr einen «Master in Geothermie» anbieten. Man hofft, so Forscher aus ganz Europa anlocken zu können. Es ist der erste akademische Studiengang dieser Art in Europa.

swissinfo, Luigi Jorio
(Aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Am 4.Juli 1904 leuchteten im italienischen Lardarello (Toskana) erstmals Glühbirnen dank der Umwandlung von Erdwärme in elektrische Energie.

Diese Experimente führten zum Bau des weltweit ersten geothermischen Kraftwerks. Dieses Kraftwerk verfügt heute über eine Leistung von rund 5 Mrd. Kilowattstunden. Dies reicht, um den Strombedarf von 2 Mio. Haushalten zu decken.

Es entspricht ungefähr der Leistung eines Kernkraftwerks. Die fünf Kernkraftwerke der Schweiz produzieren zusammen 26 Mrd. Kilowattstunden im Jahr (2006).

Neben Italien sind die USA, Philippinen, Mexiko und Indonesien die Haupterzeuger von geothermischer Energie.

Die Stadt St.Gallen, 70’000 Einwohner, hat Investitionen in Höhe von 120 Mio. Franken für den Bau eines geothermischen Kraftwerks angekündigt.

Die Stadtbehörden von St.Gallen wollen innerhalb von vier Jahren den Energiebedarf für ihre Stadt zur Hälfte aus CO2-freien Energiequellen decken.

Zürich plant ebenfalls den Einstieg in die Geothermie: Das öffentliche Triemli-Spital wird künftig Erdwärme einsetzen.

In Genf gibt es ein 200-Millionen-Franken-Projekt, um 10’000 Wohneinheiten bis zum Jahr 2020 mit Erdwärme zu versorgen.

swissinfo.ch

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