Kampf um Wasser als Ursache von Kriegen
Schwierigkeiten beim Zugang zu Wasser erzeugen schon heute Konflikte, die sich mit dem Bevölkerungswachstum und der Klimaerwärmung vervielfachen werden. Der schweizerische Arbeitskreis "Wasser - ein öffentliches Gut" lud zu einer Tagung ein.
«Wasser hat in den letzten 60 Jahren bei 37 Kriegen eine entscheidende Rolle gespielt. Bis ins Jahr 2025 wird es zwei Dritteln der Weltbevölkerung an Wasser fehlen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Konflikte im 21. Jahrhundert um Rohstoffe drehen werden und insbesondere um Wasser, das überall knapper wird.»
Das prognostizierte Bruno Riesen, Leiter Campaigning von Amnesty International und Mitglied vom Arbeitskreis «Wasser – ein öffentliches Gut» anlässlich der Tagung in Bern, die kürzlich 120 Spezialisten zusammenführte. Die Tagung fand im Hinblick auf das Weltwasserforum in Istanbul statt, das am 16. März eröffnet wird.
Ist die Schweiz zu verwöhnt?
Wasser wird lokale, regionale und internationale Konflikte provozieren. Und die Schweiz? Gelegentlich wird sie zwar von klimatischen Extremen heimgesucht, wie im Jahr 2003 von der Trockenheit. Doch vielmehr ist es die Fülle an Wasser, die Sorgen bereitet.
«In den letzten zweihundert Jahren wurden Dämme errichtet. Nun findet man sich wieder mit Problemen bei der Biodiversität und der Sicherheit. Weil man den Gewässern für Hochwasser und Biodiversität wieder mehr Raum verschaffen möchte, entstehen Konflikte mit den Landwirten», erklärt Bernhard Wehrli, Professor für Aquatische Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.
Das Know How, die Hilfsmittel und der politische Wille seien hier vorhanden. Die Diskussion ecke aber an wegen den oft widersprüchlichen Zielsetzungen beim Umweltschutz, bei der Landwirtschaft und dem Energieverbrauch in diesem Land.
«Als Wasserschloss hat die Schweiz eine gewisse Verantwortung gegenüber ihren Nachbarn und muss Zukunftsvisionen formulieren». Bernhard Wehrli beklagt die Schwerfälligkeit des beratenden und föderalistischen Systems der Eidgenossenschaft mit ihren «26 kantonalen Philosophien».
Natalie Erard, Vertreterin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, erinnert daran, dass Wasser ein wichtiges politisches Thema sei. «Die Schweiz soll sich mit der Friedensförderung befassen, namentlich mit Hilfe von Rahmenkrediten.» Weiter engagiert sich Erard dafür, dass das Recht auf Trinkwasser und Abwasserreinigung in den Menschenrechten aufgeführt wird.
Wasser ist ein Menschenrecht
Der Bund hat den Vorschlag von Deutschland befürwortet, eine unabhängige Expertenstelle beim UNO Menschenrechtsrat zu errichten.
Catarina de Albuquerque ist Expertin für das Recht auf Wasser. «Meine Arbeit besteht darin, den Zugang zu Trinkwasser und die Abwasserreinigung in die politische Agenda der UNO aufzunehmen.» Ziel sei es, beide zu einem Menschenrecht zu machen. Man müsse die Staaten dazu verpflichten, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, erklärt die portugiesische Anwältin.
Das Experten-Mandat wurde zwischen den verschiedenen Ländern hart ausgehandelt, so dass Catarina de Albuquerque nicht dazu befugt ist, sich mit grenzüberschreitenden Konflikten zu beschäftigen. Dies, auch wenn man über 260 grenzüberschreitende Fluss- und Küstenregionen zählt auf diesem Planeten.
«Mein Mandat ist begrenzt», bekennt sie. «Aber die Staaten haben bereits einige Verpflichtungen in Bezug auf das Recht auf Wasser. In Ländern, wo es Probleme hat, hat es auch Lösungen.»
Zu erwähnen sei etwa Costa Rica, das versucht, die Wasserverschmutzung durch Pestizide zu beheben, indem es ökologische Ananasplantagen anpflanze. Oder Südafrika, wo das oberste Gericht den Zugang zu Wasser durch Vorauszahlung verboten habe.
Der Konflikt im Nahen Osten
Fadia Daibes Murad, Programmverantwortliche für den Nahen Ostern der DanChurchAid (Jerusalem) ist gekommen um aufzuzeigen, welche Problematik das Wasser in dieser Region darstellt.
«Seit der Besetzung im Jahr 1967 hat Israel die Kontrolle über den Jordan und das Grundwasser. Die Palästinenser finden sich so auf einem Gebiet wieder, ohne freien Zugang zu Wasser. Die Hilfsmittel sind sehr beschränkt», erklärt die palästinensische Expertin.
Dieser Verstoss trägt dazu bei, eine endlose Krise zu nähren, die durch das Fehlen von politischem Willen noch verstärkt wird. Das sogenannte Oslo-II-Abkommen anerkennt das Recht der Palästinenser auf Wasser, doch kommt es nicht zur Anwendung, weil das Wasser durch einen anderen Staat kontrolliert wird.
«Israel schlägt Entsalzung, Abwasserreinigung oder Einfuhr vor. Aber all das kostet zu viel», fährt Fadia Murad fort. Sie bemüht sich darum, eine palästinensisch-israelische Plattform auszuarbeiten, um beispielsweise Güter gegen Wasser eintauschen zu können.
Vorrang haben die Banken, nicht die Armen
Im Grossen und Ganzen seien die Perspektiven schlecht und das Problem sei ein globales, schliesst Bruno Riesen. «Im Jahre 2025 wird die Hälfte der Ziele der UNO erreicht sein. Die Finanzkrise führt dazu, dass die Rettung der Banken Priorität hat gegenüber den Armen. Oder die Debatte wird, wie in der Schweiz, durch die sich abzeichnende Energieknappheit vereinnahmt.»
Bernhard Wehrli ist seinerseits Realist: «Unser Institut versucht konkrete Lösungen zu finden. Wir haben ein Reinigungssystem für Wasser mit Plastikflaschen erfunden. Das ist eine günstige Innovation, die funktioniert. Aber es ist wahr, dass es, um ein solches Projekt durchführen zu können, Millionen von Dollars braucht.»
swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Sandra Grizelj)
1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Gemäss den Voraussagen der UNO, könnte sich diese Zahl bis ins Jahr 2025 verdoppeln und damit einen Drittel der Menschheit treffen.
Die Landwirtschaft verbraucht 70-80% des Wassers auf der Welt. Fast 60% der verbrauchten Ressourcen gehen wegen ineffizienten Bewässerungs-Systemen verloren.
Durchfallkrankheiten wie die Cholera haben laut dem Roten Kreuz im Jahr 2008, gegenüber 2006, um 35% zugenommen – insbesondere in Afrika südlich der Saharawüste.
Das Millenniumsziel 7 der UNO richtet sich an die Umwelt und namentlich den Zugang zu Wasser.
Im Jahr 2008 lehnte der Menschenrechtsrat den Appell des Generalsekretärs Ban Ki-moon ab, das Recht auf Wasser und Abwasserreinigung für alle anzuerkennen.
Die Schweiz, Deutschland und Spanien hatten sich für eine Resolution eingesetzt. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Indien hatten alles unternommen, um diese Resolution abzuwenden.
Der Rat verwarf den Vorschlag, einen «Sonderberichterstatter» für das Recht auf Wasser zu nominieren. Er beschränkte sich lediglich darauf, ein Mandat für einen «unabhängigen Experten» zu schaffen, der eine Bestandesaufnahme der Länder macht.
Die Tagung des schweizerischen Arbeitskreises «Wasser – ein öffentliches Gut» hat am 6. März in Bern stattgefunden. Anlass war das kommende 5. Weltwasserforum in Istanbul vom 16.-22. März und der internationale Tag des Wassers am 22. März.
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