Schweizer Wald macht sich im Alpenraum breit
Die Erde ist vom Verschwinden der Wälder betroffen, vor allem seit den Bränden, die den Amazonas verwüstet haben. In der Schweiz ist die Situation ganz anders: Der Wald gewinnt Jahr für Jahr an Boden. Aber auch die Schweizer Wälder sind Gefahren ausgesetzt.
Seit 1850 haben sich die Waldflächen in der Schweiz fast verdoppelt. Auch in den letzten dreissig Jahren ist der Wald um etwa 4000 Hektar pro Jahr gewachsen. «Das entspricht der Fläche des Thunersees», sagt Olivier Schneider, stellvertretender Leiter der Abteilung Waldschutz und WaldpolitikExterner Link des Bundesamtes für Umwelt.
Verschwinden von Weiden
«Dieser Anstieg ist hauptsächlich auf die Aufgabe von Weiden im Alpenbogen zurückzuführen. Einige haben nicht mehr die gleiche wirtschaftliche Bedeutung wie früher. Zuerst besiedeln Büsche und dann Bäume diese wieder in die Natur zurückgekehrten Flächen», erklärt Jacqueline Bütikofer, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Wald SchweizExterner Link, dem Dachverband der Forstwirtschaft.
Dazu kommt, dass die Wälder streng geschützt sind. Das Ziel des Bundesgesetzes über den WaldExterner Link ist es, «die Erhaltung der Wälder in ihrem Umfang und ihrer geografischen Verteilung zu gewährleisten» und «die Wälder als natürliche Lebensgemeinschaft zu schützen» (Art. 1). Die Gesetzgebung macht die Rodung fast unmöglich, selbst in Gebieten des Flachlands, in denen der Siedlungsdruck hoch ist.
«Wir roden nur in Ausnahmefällen, wenn es nicht anders geht», sagt Jacqueline Bütikofer. Hinzu kommt, dass die gerodeten Flächen anderswo kompensiert werden müssen. «Die Entwaldung beträgt im Durchschnitt nur 160 Hektar pro Jahr und 90% dieser Fläche sind wieder aufgeforstet worden», sagt Olivier Schneider.
Wassermangel
Der Schweizer Wald ist jedoch nach wie vor mit Gefahren konfrontiert. «Dürre ist derzeit die grösste Gefahr. Wir sehen, dass einige Wälder Schwierigkeiten haben, die Wasserknappheit zu bewältigen», sagt Bütikofer.
Besonders betroffen sind die Wälder des Jurabogens, insbesondere die Buchen, die massiv verschwinden. Die Situation ist so alarmierend, dass der Kanton Jura die Lage auf die Stufe WaldkatastropheExterner Link gesetzt hat. «Im Jura, wo der Boden kalkhaltig ist, bleibt das Wasser nicht lange in der Erde», sagt Bütikofer.
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Schneider relativiert das Problem der Wasserknappheit. «Es ist wahr, dass das Gebiet vom Jura bis Zürich besonders gelitten hat. Es wurde zuerst vom Sturm Eleanor, dann von Dürre und Insektenschädlingen befallen. Diese Kombination hat einigen Schaden angerichtet. Aber anderswo ist die Situation nicht so schlimm.»
Brände unter Kontrolle
In vielen Teilen der Welt (Amazonien, Nordamerika, Nord- und Südeuropa, Sibirien) dezimiert Feuer die Waldflächen. Auch in der Schweiz wächst die Sorge vor Waldbränden.
«In der Vergangenheit kamen Brände nördlich der Alpen nur vereinzelt vor», erinnert sich Schneider. Aber die Situation hat sich geändert. In den meisten Kantonen werden Präventivmassnahmen erwogen, zum Beispiel durch die Begrenzung der Totholzmenge in bestimmten besonders sensiblen Bereichen wie in der Umgebung von Stadtgebieten. Die Behörden haben Waldbrand-GefahrenkartenExterner Link erstellt.»
Aber vorbeugende Massnahmen, Überwachung und die relativ kleinen Flächen ermöglichen es, die Situation unter Kontrolle zu halten. «Die Gefahr wird grösser, aber Brandgefahr beunruhigt uns noch nicht besonders», sagt Bütikofer.
Schädlinge
Auch lebende Organismen bedrohen Wälder. Bei den Insekten kommen neben den einheimischen Schädlingen wie dem Borkenkäfer oder dem grauen Lärchenwickler eine ganze Reihe exotischer Wirte wie Buchsbaumzünsler oder der asiatische Laubholz-Bockkäfer hinzu.
Während Insekten manchmal besiegt werden können – der Kanton Freiburg hat gerade die Ausrottung des asiatischen Laubholz-BockkäfersExterner Link verkündet – sind Pilze hartnäckigere Feinde. «Pilze wie jene, die Schleimkrankheiten verursachen, vermehren und verschieben sich dank ihrer Sporen und sind daher nicht kontrollierbar», warnt Schneider.
Aber solche Phänomene sind nicht neu, und der Wald erholt sich schliesslich. «In den 1950er-Jahren grassierte der Kastanienkrebs, und seit den 1970er-Jahren stellen wir einen Rückgang der Ulmen fest. Diese Bäume wurden dezimiert, aber nicht vollständig ausgerottet, und jetzt kommen sie hier und dort wieder vor», sagt Schneider.
Nur Bäume sterben
Die Schutzmassnahmen sollen es trotz der Gefahren ermöglichen, den Schweizer Wald zu erhalten. «Das ist die grosse Lektion der 1980er-Jahre. Damals befürchtete man irrtümlich ein Waldsterben. Bäume sterben, aber der Wald verändert sich», sagt Bütikofer.
Dieser Ansicht ist auch Schneider. «In hundert Jahren werden in den Bergen Baumarten zu finden sein, die heute in der Ebene wachsen, und im Flachland werden mediterrane Arten vorkommen. Bäume werden verschwinden, aber die Wälder werden immer da sein.»
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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