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Klimaforschung bleibt ungenaue Wissenschaft

Smog in den Augen: Die chinesische Hauptstadt Peking ist besonders von der Luftverschmutzung betroffen. Keystone

Eine Gruppe von schweizerischen und englischen Wissenschaftern hat Studien zum Klimawandel verglichen. Zwar sind fast alle Forscher der Meinung, CO2 sei dafür verantwortlich, doch sie sind sich uneinig, wie viel wärmer es in Zukunft werden wird.

«Unsere Zusammenfassung zeigt, dass die Arbeiten der vergangenen zehn Jahre zwar viele faszinierende, neue Einblicke in unser Klimasystem brachten, jedoch kaum mehr Gewissheit über die langfristig maximal zu erwartende Erwärmung», heisst es in der Studie.

«Für Entscheidungsträger könnte die Zusammenfassung jedoch eine Grundlage für weitere Schritte liefern.»

Die Studie wurde kürzlich im Online-Journal Nature Geoscience publiziert.

Professor Reto Knutti vom Institut für Atmosphären- und Klimawissenschaften der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und Gabriele Hegerl von der School of Geosciences im schottischen Edinburgh haben Klimamodelle und Forschungsergebnisse des letzten Jahrhunderts verglichen.

Der Vergleich zeigte, dass für die meisten Wissenschafter die durchschnittliche globale Temperatur zwischen 2 und 4,5 Grad Celsius ansteigen könnte, wenn sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verdoppelt – ein Niveau, das vor Ende dieses Jahrhunderts erreicht werden könnte.

Über den maximalen Temperaturanstieg waren sich die Forscher aber weniger einig. Einige schätzten, dass sich die Erdatmosphäre um bis zu 10 Grad aufwärmen könnte.

Auch wenn diese Wahrscheinlichkeit sehr klein sei, wären die Folgen katastrophal, sagte Knutti gegenüber swissinfo. «Ein katastrophaler Ausgang ist relativ unwahrscheinlich, doch dies ist eine interessante Situation. Es stellt sich nämlich die Frage, wie mit einem unwahrscheinlichen aber brandgefährlichen Risiko umzugehen ist», so Knutti.

«Im Alltag verdrängen wir diese Fragen. Wir sollten aber auf ein solches Ereignis vorbereitet sein. Schliesslich zahlen wir auch Versicherungsgebühren für den unwahrscheinlichen Fall, dass einmal etwas geschieht.»

Klimasensitivität

Um die Veränderungen in fernerer Zukunft abzuschätzen, untersuchte das Team die so genannte Klimasensitivität, den Effekt von CO2 auf das Klimasystem.

Laut Knutti liegen die ersten Schätzungen über 100 Jahre zurück. In frühen Studien zur Beschaffenheit des CO2-Moleküls fanden Forscher heraus, dass es einen Einfluss auf die Sonneneinstrahlung hat. Sie errechneten einen Anstieg von 5 Grad.

Knutti und Hegerl fanden heraus, dass die meisten der 100 von ihnen untersuchten Studien in den letzten 30 Jahren durchgeführt wurden.

«Verschiedene Leute haben verschiedene Wege beschritten, um zu berechnen, wie anfällig das Klima auf Veränderungen des CO2-Gehalts reagiert. Wir haben diese zusammengefasst», erklärte Kutti.

«Das Bild, das sich uns gezeigt hat, ist ziemlich ausgeglichen und genau. Fakt ist aber auch: Was wir wissen, sieht nicht gut aus», warnte er.

Wetterextreme

Die Studie folgt dem vierten Report des Klimarats (IPCC) von 2007, der hauptsächlich die Forschung zum Klimawandel untersucht hatte.

Basierend auf den Ergebnissen ihrer Studie zeigen die Forscher die Trends auf, die in nächster Zeit auf den Planeten zukommen werden.

Die derzeitigen Temperaturanstiege von zwei Zehntel Grad pro Dekade dürften sich während der nächsten 20 Jahre fortsetzen. In hohen Breitengraden wird es im Winter mehr regnen und in den Subtropen weniger Niederschläge geben.

Extreme Wetterumschwünge werden sich häufen, mit mehr Hitzewellen, Trockenperioden, Überflutungen und massiven Regenfällen. Der Meeresspiegel wird wie bisher 3mm pro Jahr ansteigen, das arktische Eis und der ewige Schnee werden weiter schmelzen.

«Was sich kurzfristig ändern wird, ist vom bisherigen Verlauf her relativ gut bekannt. Längerfristig ist die Entwicklung eher unsicher. Ich denke, wir werden auch in zehn Jahren nicht sicher darüber sein», sagen die Autoren.

Keine Entschuldigung

Das Team kommt zum Schluss, dass ihre Erkenntnisse eine objektive Grundlage für Diskussionen und die Ausrichtung der Umweltpolitik von Regierungen bietet.

«Was sollen wir tun? Wie sollen wir Entscheidungen in der Umweltpolitik fällen? Ich denke, das ist sogar der interessantere Teil der Studie», sagte Knutti.

Er betonte, dass die Welt bald Gegenmassnahmen ergreifen müsse und nicht Jahre auf die Wissenschaft warten solle, bis diese sich über die Wirkung des Klimawandels einig geworden sei.

«CO2 hat eine lange Lebensdauer. Wenn es einmal in der Atmosphäre ist, bleibt es dort für eine lange Zeit. Wenn wir also entscheiden wollen, CO2 auf ein bestimmtes Niveau zu beschränken, müssten wir das sehr bald tun», sagte er.

«Wir müssen in den nächsten Jahren die Emissionen reduzieren und bis Ende des Jahrhunderts eine Reduktion von etwa 80 Prozent erreichen. Wenn wir das nicht schaffen, können wir eine Erwärmung um zwei Grad nicht verhindern. Unsicherheit darf keine Entschuldigung sein, keinen Entscheid zu treffen.»

swissinfo, Jessica Dacey
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

In der Schweiz ist die Temperatur seit 1970 pro Dekade durchschnittlich um 0,57 Grad Celsius angestiegen.
Dieser Anstieg ist doppelt so hoch wie der Durchschnitt auf der nördlichen Hemisphäre.
Kohlendioxid (CO2) ist eines der hauptverantwortlichen Gase für den Treibhaus-Effekt und die Erderwärmung.
In der Schweiz ist es für rund 80% der schädlichen Emissionen verantwortlich.
Trotz ambitiösen Emissionszielen ist der Ausstoss von Treibhausgasen in der Schweiz seit 1990 um 0,4% gestiegen.

Laut Forschern hat die Verdoppelung von CO2 in der Atmosphäre – die Welt ist dabei, dies Ende des Jahrhunderts zu erreichen – ohne klimatische Variabeln eine Erwärmung von einem Grad Celsius zur Folge, weil CO2 die Strahlung abfängt.

Wegen dieses Temperaturanstiegs wird es weniger Schnee geben, die Wolkenbildung wird sich verändern, die Luftfeuchtigkeit zunehmen und die Temperatur periodisch weiter ansteigen. Das Ausmass dieser Variabeln ist ungewiss.

Klimaforscher schätzen, dass der Temperaturanstieg durch CO2-Emissionen um 3 Grad betragen wird. Knutti und Hegerl belegten in ihrer Analyse früherer Studien einen Bereich zwischen 2 und 4,5 Grad.

Über den maximalen Anstieg herrscht grosse Unsicherheit: Modelle und Berechnungen zeigten, dass die Möglichkeit einer Erderwärmung von 8 bis 10 Grad nicht ausgeschlossen werden kann.

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