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Klimakiller Privatjets: Das sind die Zahlen

Blick in die Kabine eines Geschäftsreiseflugzeugs vom Typ Dassault Falcon 2000S.
Blick in die Kabine eines Geschäftsreiseflugzeugs vom Typ Dassault Falcon 2000S. (C) Vanderwolfimages | Dreamstime.com

Die Zahl der Flüge in Privatjets hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und damit auch die Menge der CO2-Emissionen. Die Schweiz ist eine der Hauptdestinationen für diese schadstoffintensiven Flugzeuge, wo superreiche Jet-Reisende gerne an bekannte Ferienorte reisen.

Ein klarer Vormittag Ende Januar im Engadin: Etliche Privatjets nehmen im engen und schneebedeckten Tal Kurs auf den Engadin AirportExterner Link oder starten von hier. Es ist der höchstgelegene Flughafen Europas (1707 Meter) und ein Tor für die nahe gelegenen Feriendestinationen St. Moritz und Davos.

Ein Gulfstream-Jet aus Mailand landet. Der Fahrer eines schwarzen Mercedes-Kleinbusses begrüsst diskret die Flugpassagiere, bevor er sie zum Kleinbus begleitet. Es folgt ein weiterer Jet, diesmal aus Brüssel, den das Bodenpersonal neben einem halben Dutzend anderer Luxusflugzeuge abstellt. Diese warten auf die Erlaubnis zum Starten.

Im Januar und Februar herrscht auf dem winzigen Engadiner Flughafen Hochbetrieb: An manchen Tagen gibt es zwischen 30 und 100 Landungen und Starts von Jets.  In den letzten Jahren ist die Zahl der Flugzeuge aus Europa, den USA, Brasilien und dem Nahen Osten gestiegen. Im Jahr 2023 verzeichnete der kleine Airport fast 17’300 Flugbewegungen.

Ende Januar herrschte besonders viel Betrieb. St. Moritz empfing 25’000 Gäste zum 40. Snow Polo World CupExterner Link. Profis aus Argentinien, Grossbritannien und Spanien nahmen teil, das Publikum bestand aus Einheimischen, VIPs sowie vielen Feriengästen. «Darunter Leute, die für einen Kurzaufenthalt hierher fliegen, hier Ferienhäuser haben und Snow Polo lieben», so Katja Grauwiler, Kommunikationsverantwortliche des Polo-Events, gegenüber SWI swissinfo.ch.

Das Polo-Turnier in St.Moritz fand wenige Tage nach der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF)Externer Link in Davos statt. Viele der 3000 Staats- und Regierungschefs, Geschäftsleute und anderer Entscheidungsträger:innen reisten mit Privatjets an. Sie landeten auf den Flughäfen Engadin, Zürich und Altenrhein und flogen dann mit Helikoptern nach Davos. Die Konferenz lässt jedes Jahr die Privatjet-Aktivitäten explodieren. Nach Angaben von Greenpeace landeten während der einwöchigen WEF-Konferenz im Jahr 2022 über 1000 Privatflugzeuge in der Schweiz.

Doch die Schweiz ist nicht nur während solcher Events, sondern über das ganze Jahr eine beliebte Destination für die Jets der Superreichen. In einem von Greenpeace in Auftrag gegebenen und im März 2023 publizierten BerichtExterner Link wurde festgestellt, dass die Schweiz für fast 5% der Emissionen von Privatjets in Europa verantwortlich ist. Zudem hat sich die Zahl der Flugbewegungen im Vergleich zu 2021 um 63% erhöht.

Flughafen Nizza
Der für Privatjets am häufigsten genutzte Flughafen Europas: Nizza in Frankreich. Reuters

Laut einer Studie des T3 Transportation Think TankExterner Link aus dem Jahr 2024 verzeichnete Genf im Jahr 2023 mehr als 40 Privatjetflüge pro Tag und war damit nach Nizza (Frankreich) der am zweithäufigsten genutzte Flughafen in Europa.

Paris-Genf und Farnborough (London)-Genf gehörten 2023 zu den zehn verkehrsreichsten Strecken in Europa. Auch die Flughäfen in Zürich, Sion, Gstaad und St. Moritz wiesen ganzjährig hohe Frequenzen auf.

Obwohl Privatjets nur von 0,003% der Weltbevölkerung genutzt werden, stellen sie die umweltschädlichste Form aller Transportmittel dar. In detaillierten und unabhängigen Untersuchungen wird immer deutlicher, wie diese Flugzeuge genutzt werden und welche Auswirkungen sie auf die Umwelt haben.

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Im Aufwind: Privatjets und Privatflüge

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die weltweite Jet-Flotte von rund 10’000 Flugzeugen im Jahr 2000 auf 23’100 Mitte 2022 mehr als verdoppelt, wie ein Bericht des Institute for Policy StudiesExterner Link (IPS) aus dem Jahr 2023 zeigt. Seither verzeichnet das Segment der Business Aviation ein weiteres kontinuierliches Wachstum, und bis 2033 werden voraussichtlich weitere 8100 Jets in Betrieb genommen sein.

Die Zahl der Flüge mit Privatjets hat gemäss den erwähnten Studien insbesondere nach der Corona-Pandemie stark zugenommen, vor allem in den USA und in Europa. Auch in Deutschland ist die Zahl der Privatjet-Flüge auf ein RekordniveauExterner Link gestiegen.

Eine kürzlich in der Zeitschrift NatureExterner Link veröffentlichte Analyse von 19 Millionen Flügen zwischen 2019 und 2023 zeigt einen eindrücklichen Anstieg der CO2-Emissionen um 50%. Laut den vorgelegten Berechnungen verursachten diese Flüge im Jahr 2023 rund 15,6 Millionen Tonnen CO2 an direkten Emissionen, was etwa 3,6 Tonnen CO2 pro Flug entspricht. Im Jahr 2019 belief sich der gesamte CO2-Ausstoss noch auf 10,7 Millionen Tonnen.

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Weltweit dürften im Jahr 2024 zirka 3,6 Millionen Flüge mit Privatjets erfolgt sein, wie Daten des Beratungsunternehmens WingXExterner Link zeigen. Das sind 30% mehr als im Jahr 2019.

«Wir haben einen konstanten Anstieg der Flugbewegungen festgestellt und können davon ausgehen, dass das Wohlstandswachstum hauptsächlich für diese Entwicklung verantwortlich ist», sagt Stefan Gössling, Forscher an der schwedischen Linnaeus-Universität und Co-Autor der erwähnten Nature-Studie, gegenüber SWI swissinfo.ch.

Gemäss Schätzungen der Jet-IndustrieExterner Link gab es im Jahr 2018 weltweit rund 256’000 Superreiche (Ultra-High Net Worth Individuals) mit einem durchschnittlichen Vermögen von 123 Millionen Dollar.

Mehr als zwei Drittel (18’163) der weltweiten Privatjets sind in den USA zugelassen, weit mehr als in Brasilien (927) und Kanada (770). Malta hält den Rekord für registrierte Jets pro Einwohner (46,5 pro 100’000); die Schweiz liegt an dritter Stelle (3,76).

Ausserhalb der USA und Europas sind Brasilien, der Nahe Osten und die Karibik beliebte Hotspots für Privatjets.

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Kurzreisen zu Freizeitzwecken

Die erwähnte Nature-StudieExterner Link wertete die Bewegungen von über 25’000 registrierten Privatflugzeugen und fast 19 Millionen Privatflüge zwischen 2019 und 2023 aus.

Ein Grossteil der Flüge diente Freizeitzwecken, wie die Analyse aufzeigt. In der Studie wurden auch die Auswirkungen von Flügen zu und von hochkarätigen internationalen Veranstaltungen ermittelt,  darunter die Fussballweltmeisterschaft 2018 in Katar (1846 Flüge) und der UN-Klimagipfel COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (291).

Die Analyst:innen fanden auch heraus, dass die Hälfte der Jets für Kurzstrecken von weniger als 500 Kilometern und in 900’000 Bewegungen wie Taxis für Flüge von weniger als 50 Kilometern genutzt wurden.

In den USA sind Prominente wie Taylor SwiftExterner Link und Kylie Jenner wegen der intensiven Nutzung von Privatjets und für extreme KurzstreckenExterner Link (beispielsweise mit einer Flugzeit von nur 17 Minuten) in die Kritik geraten. Der T3 Transportation Think Tank identifizierte zahlreiche Beispiele für private Kurzstreckenflüge in der Schweiz, darunter 152 von Sion nach Genf (90 km) und 84 von Lausanne nach Genf (60 km).

«Dafür gibt es nur eine plausible Erklärung: Empty legs», sagt Frederic Rudolph vom deutschen Think Tank T3. Unter «Empty legs» werden private Charterflüge verstanden, die ohne Passagiere unterwegs sind, um den Airport zu wechseln.

Über die steigende Zahl von Privatjetflügen in der Schweiz:

Die wichtigste Schlussfolgerung der Nature-StudieExterner Link ist eindeutig: «Der private Luftverkehr trägt zunehmend zum Klimawandel bei.» Privatjets sind bekannt dafür, dass sie die Umwelt übermässig stark belasten.

Obwohl der Flugverkehr mit Privatjets nur 4% des weltweiten Luftverkehrs ausmacht, werden pro Passagier etwa zehnmal so viele Treibhausgase ausgestossen wie bei herkömmlichen Flügen.

Der T3 Transportation Think Tank schätzt, dass ein typischer Privatjet-Flug 4,46 Tonnen CO2 pro Flug ausstösst. Das sind mehr als die jährlichen CO2-Emissionen pro KopfExterner Link in der Schweiz (ohne Berücksichtigung der im Ausland erzeugten und importierten Emissionen).

Im Bewusstsein ihrer Umweltauswirkungen haben einige Teile der Jet-Industrie versucht, ihren Kundinnen und Kunden umweltfreundliche Optionen wie grüne Flugzeugtreibstoffe oder Kohlenstoffkompensationen anzubieten.

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Erschwinglicher dank neuer Geschäftsmodelle

Die jüngsten wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen auf, wie der Sektor anhaltend boomt, nachdem wohlhabende Menschen während der Corona-Pandemie und den damit verbundenen weltweiten Lock-Downs auf die Privatfliegerei umgestiegenExterner Link sind.

Die steigende Nachfrage ist auf Gesundheits- und Sicherheitsbedenken sowie auf den Wunsch nach Privatsphäre, Flexibilität und persönlichem Service zurückzuführen.

Dazu kommt: Neue Geschäftsmodelle machen Luxusreisen in Privatjets für weitere Kreise erschwinglicher. Ein Privatflugzeug zu besitzen und zu unterhalten, das Dutzende von Millionen Schweizer Franken kostet, ist wohl nur Superreichen vorbehalten. Doch über Unternehmen, die On-Demand-Charter- Flüge, Mitgliedschaften oder Anteilseigentum anbieten, ist es zunehmend möglich, einen Jet mit etwas geringeren Kosten zu nutzen.

«Ich denke, dass das Fliegen mit Privatjets immer noch sehr elitär ist, auch wenn die Chartergebühren auf einigen Strecken inzwischen erschwinglicher geworden sind», meint Gössling.

Es gibt manchmal sogar relativ günstige Angebote, wenn Passagiere im Rahmen von «Leerflügen» (Empty-leg-Flights) befördert werden. So wurde zum Beispiel im letzten Sommer ein einfacher Flug im Business-Jet von München nach Genf für 1190 Euro angeboten, nachdem die Preise um 80% reduziert worden waren, wie das Westschweizer Fernsehen RTS berichteteExterner Link.

Höhere Steuern und Regulierung

Doch der Luftverkehr und insbesondere die Privatjets dürften auch weiterhin fest im Visier von Umweltschutz-Aktivst:innen bleiben. Diese fordern regelmässig eine stärkere Besteuerung und Regulierung, um die Nutzung der Business Jets zu erschweren und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Kritiker:innen bemängeln immer wieder, dass Fluggesellschaften im Gegensatz zu Autofahrer:innen in Europa keine Steuern auf ihren Treibstoff (Kerosin) zahlen. Auch Flugtickets sind meist von der Mehrwertsteuer befreit.

Greenpeace-Aktivisten sind am 22. Januar 2025 in den Engadiner Flughafen im Südosten der Schweiz eingedrungen, um gegen den zunehmenden Einsatz von Privatjets zu protestieren.
Greenpeace-Aktivisten sind am 22. Januar 2025 in den Engadiner Flughafen im Südosten der Schweiz eingedrungen, um gegen den zunehmenden Einsatz von Privatjets zu protestieren. Keystone / Gian Ehrenzeller

Die Denkfabrik IPS schlägt eine Steuer von 10% auf gebrauchte Privatjets und 5% auf neue Jets, eine Verdoppelung der Treibstoffsteuer, eine Steuer auf Kurzreisen und einen Beitrag zur Finanzierung der Flughafeninfrastruktur vor.

Gelegentlich kommt es auch zu spektakuläreren Formen des Protests. Während des diesjährigen WEF drangen fast 30 Greenpeace-Aktivist:innen in den Engadiner Flughafen ein, um symbolisch Privatjets neben der Landebahn zu «konfiszieren». Sie befestigten aufblasbare Bälle und Ketten an parkierten Flugzeugen für einen Fototermin, um die zunehmende Nutzung von Privatjets durch die Superreichen anzuprangern.

Editiert von Veronica De Vore/Gabe Bullard, Übertragung aus dem Englischen: Gerhard Lob / me

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