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Leuenberger ist enttäuscht von Obamas Klima-Rede

Moritz Leuenberger vor Journalisten nach dem UNO-Klimagipfel in New York. Keystone

Der Klimawandel und die Bedrohungen für den Planeten werden ernster genommen als noch vor einem Jahr. Immer mehr Staaten sprächen sich für verbindliche Massnahmen im Kampf dagegen aus, sagte Umweltminister Moritz Leuenberger in New York.

Enttäuscht zeigte sich Leuenberger über den Auftritt von US-Präsident Barack Obama am UNO-Klimagipfel.

Obama hatte zwar einen dramatischen Appell zum gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel erlassen und vor einer «unumkehrbaren Katastrophe» gewarnt, ohne aber konkrete Zielvorgaben für die USA zu nennen.

Leuenberger gehörte zu den rund 150 Staats- und Regierungschefs und Ministern, die am Dienstag in New York an einem eintägigen Klimagipfel teilgenommen hatten.

Eingeladen zu dem Treffen hatte UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Er wollte damit den stockenden Klima-Verhandlungen über ein Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll neuen Schwung verleihen.

Neues Momentum

Ban Ki-Moon zeigte sich zum Abschluss der Konferenz überzeugt, dass das Treffen den Verhandlungen ein neues politisches Momentum eingehaucht habe. Noch blieben viele offene Fragen, aber ohne dieses Treffen hätte man die Ziellinie in Kopenhagen sicher nicht erreicht.

Nun habe er wieder Hoffnung. «Die Welt hat Ihre Worte gehört. Lassen Sie jetzt Taten folgen, es liegt in Ihren Händen», rief Ban den Konferenzteilnehmern zu.

Zum Auftakt der Konferenz hatte Ban gewarnt, wenn in Kopenhagen kein neues Abkommen erreicht werde, wäre dies «moralisch unverzeihlich, wirtschaftlich kurzsichtig und politisch unklug».

Langer Weg

Trotz der verbindlicheren Reden und der stärkeren Präsenz der Staats- und Regierungschefs im Vergleich zum Klimagipfel vor einem Jahr stehe man im Kampf gegen den Klimawandel noch immer am Anfang eines langen Weges, erklärte Bundesrat Leuenberger vor Medienschaffenden in New York.

Er denke, dass sich die Staatengemeinschaft in Kopenhagen auf ein Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll werde durchringen können. Offen bleibe aber, wie verbindlich dieses sein werde, und auf welche Massnahmen sich die Staaten tatsächlich einigen könnten.

Leuenberger lobte die Europäische Union, die sich unabhängig von den Bemühungen anderer dazu verpflichten will, ihre Schadstoff-Emissionen bis 2020 um 20% gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

Auch die Schweiz will dieses Ziel bis 2020 erreichen. Zudem sind die EU und die Schweiz bereit, auf 30% zu gehen, wenn andere Industriestaaten mitziehen.

Die Verpflichtung der EU auf die Reduktion um 20% bedeute, dass es in Kopenhagen mindestens einige klare Resultate geben werde. Leuenberger erwartet, dass noch weitere Staaten dem Beispiel der EU folgen werden.

Enttäuscht über Obama

Eine Enttäuschung sei die Rede von US-Präsident Barack Obama gewesen, sagte der Schweizer Umweltminister. Im Vergleich zur Haltung der Regierung Bush gebe es zwar merkliche Fortschritte. Doch leider habe Obama keine verbindlichen Ziele und Zahlen für die Klimapolitik der USA präsentiert.

Obama sei natürlich auch ein Opfer seiner eigenen innenpolitischen Lage, erklärte Leuenberger unter Verweis auf den amerikanischen Kongress, der sich mit dem Kampf gegen den Klimawandel schwer tut.

Die Folge davon sei eine Kaskade, denn so würden auch China und Japan keine konkreten Zusicherungen machen, bedauerte Leuenberger. Er sei daher für Kopenhagen nicht nur guten Mutes.

Der Schweizer Umweltminister begrüsste die Ankündigung Japans, dessen neuer Regierungschef erklärt hatte, die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt wolle ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 25% senken. Allerdings sei das Programm Japans noch nicht verbindlich.

Um den heissen Brei

«Und die grössten Umweltverschmutzer China und die USA kommen mir vor wie zwei Katzen, die um den heissen Brei herumschleichen und sich misstrauisch beäugen», sagte Leuenberger.

«Aber nur um die Suppe zu tanzen, bringt nichts, sie muss schliesslich in Einigkeit ausgelöffelt werden, wie das Beispiel der Kappeler Milchsuppe in der Schweizer Geschichte zeigt.»

Chinas Staatschef Hu Jintao hatte angekündigt, sein Land wolle den C02-Ausstoss bis 2020 «spürbar» unter die Werte von 2005 drücken. Bisher war dieses Ziel für 2050 angepeilt worden. Ebenfalls bis 2020 soll der Anteil umweltfreundlicherer Brennstoffe am Verbrauch auf 15% erhöht werden.

Schweizer Einsatz trägt Früchte

Die Schweiz sei zwar nur ein kleines Land, sie könne aber im Verbund mit anderen Staaten oder durch die Weiterentwicklung einer Schweizer Idee durch andere Länder auf internationaler Ebene Vorschläge einbringen, die in der Folge auch bei weiteren Staaten auf Interesse stossen könnten.

So habe der französische Präsident Nicolas Sarkozy einen Vorstoss unterstützt, der auch auf Schweizer Ideen zurückgehe. Es geht um eine CO2-Abgabe nach dem Verursacherprinzip: Mit den Geldern sollten Entwicklungsländer, die vor allem unter dem Klimawandel litten, finanziell unterstützt werden.

Die Einsicht, dass jene Länder, die hauptsächlich für die Verschmutzung verantwortlich seien, ihre Verantwortung wahrnehmen müssten, setze sich immer mehr durch. «Es bewegt sich etwas», unterstrich Leuenberger.

Rita Emch, swissinfo.ch, New York

In einer Videobotschaft hat Umweltminister Leuenberger zu gemeinsamen Anstrengungen aller Staaten aufgerufen. Die Konferenz in Kopenhagen werde zeigen, wie einig die Länder tatsächlich seien.

Leuenberger verwies auf die schmelzenden Gletscher in den Schweizer Bergen, das Abbröckeln des Matterhorns, die Zunahme von Überschwemmungen und erinnerte daran, dass auf der anderen Seite des Globus Inseln wie Tuvalu verschwinden könnten.

Wenn Armut und Migration nicht weiter steigen sollen, gebe es keine andere Wahl als die Solidarität. Nicht nur die Industriestaaten müssten sich verpflichten, ihre Emissionen zu reduzieren, auch die aufstrebenden Volkswirtschaften müssten ihren Beitrag leisten. Und jene, die hauptsächlich für die Verschmutzung verantwortlich seien, müssten den Opfern der Klimaerwärmung helfen.

Daher habe die Schweiz die Einführung einer Abgabe auf Treibhausgasen gefordert, um die Anpassungs-Massnahmen an den Klimawandel vor allem in Entwicklungsländern zu finanzieren.

Die Botschaft wurde auf dem Site der UNO-Konferenz, beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation sowie auf dem Videoportal YouTube aufgeschaltet.

Das wichtigste UNO-Abkommen im Klimabereich ist die Klima-Konvention und das dazu gehörende Kyoto-Protokoll.

Das Kyoto-Protokoll von 1997, in dessen Zentrum die Verringerung des CO2-Ausstosses in den Industriestaaten steht, läuft 2012 aus.

Bei einer Konferenz in Kopenhagen soll im Dezember dieses Jahres ein Folgeabkommen zu Kyoto ausgehandelt werden.

Neben dem Klimaschutz nennt das Verhandlungs-Mandat zu dem angestrebten neuen Abkommen auch die Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung sowie der Armutsbekämpfung als wichtige Aufgaben.

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