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Mehr tun zur Erhaltung der Artenvielfalt

Der Pandabär gehört mit nur noch 1600 wild lebenden Exemplaren zu den gefährdeten Tierarten. Panorama Media

4000 Delegierte aus 191 Nationen verhandeln in Bonn über Massnahmen, wie die Zerstörung der Natur in den nächsten Jahren aufgehalten werden kann. Die Schweiz ist auch dabei.

«Seit Menschengedenken hat der Mensch noch nie derart schnell und weit verbreitet in die Ökosysteme eingegriffen» schreiben die Autoren des «Millennium Ecosystem Assessment», das die UNO 2001 ins Leben gerufen hat, um ein weltweites Ökoinventar zu erheben.

Die Resultate der UNO-Erhebung sind alarmierend: Die Aussterberate ist bei manchen Spezies bis zu tausendmal schneller als je zuvor in der Geschichte des Planeten Erde bekannt.

An der 9. UNO-Biodiversitäts-Konferenz in Bonn erörtern die Delegierten, darunter auch der Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger, während zehn Tagen Massnahmen zum Stopp der Zerstörung der Artenvielfalt.

Nur noch zwei Jahre Zeit

2002 hatten sich die Vertragsstaaten in Johannesburg ein Ziel gesetzt: Bis 2010 sollte der Verlust an Arten und Ökosystemen deutlich reduziert werden. Die Europäische Union (EU) ging sogar noch weiter. Das Artensterben sollte gestoppt werden. Dafür bleiben nur noch zwei Jahre.

«Leider ist es ziemlich klar, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden», sagt Thomas Kolly, Schweizer Delegationsleiter in Bonn, gegenüber swissinfo. Er hofft aber, dass sich die Länder verpflichten, «alles zu tun, um dem Ziel von 2010 näher zu kommen».

Kritiker weisen auf das Fehlen von Richtlinien hin. Schlüsselländer wie die USA sind nicht dabei. Die USA nehmen an der Konferenz in Bonn lediglich als Beobachter teil.

Handeln auf Minister-Ebene

Die im schweizerischen Gland ansässige Umweltorganisation WWF International fordert ein Handeln auf Minister-Ebene.

«Wir hoffen, dass Umweltminister, die eingesehen haben, dass sie das Ziel alleine nicht erreichen, jetzt wesentlich mehr mit anderen Regierungs-Bereichen wie Landwirtschaft, Fischerei, Gesundheit und sogar Bergbau zusammenarbeiten», sagt WWF-Vertreter Rolf Hogan gegenüber swissinfo.

«Diese Sektoren spielen eine Rolle bei der Zerstörung der Artenvielfalt, aber viele von ihnen sind gleichzeitig auf die Biodiversität angewiesen. Der Fischerei-Sektor hängt von verfügbaren Fischen ab, also sollte er sich auch zu deren Schutz verpflichten.»

Von Klima-Konvention überschattet

Ein weiteres Problem ist, dass die 1992 in Rio de Janeiro vereinbarte Biodiversitäts-Konvention von der UNO-Klima-Konvention überschattet wurde.

«Viele Dinge geschehen im Bereich der Artenvielfalt, die weniger sichtbar sind als im Bereich Klimaveränderung. Jeden Tag gehen Arten verloren, aber die Öffentlichkeit nimmt es kaum zur Kenntnis. Oft sehen dies nur die Experten», bedauert Thomas Kolly. «Das hat dazu geführt, dass mehr Gewicht auf die Bekämpfung der Klimaveränderung als des Artensterbens gelegt wird.»

Der WWF International verlangt deshalb ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die beiden Bereiche globale Klimaerwärmung und Biodiversität. Dies würde zeigen, wie Artenvielfalt zur Abschwächung der Klimaerwärmung beitragen könne, sagt Rolf Hogan.

Genetische Ressourcen

Die Konferenz in Bonn möchte sich auch auf eine Road map bis 2010 einigen über den Zugang zu genetischen Ressourcen – bei Industriestaaten für Produkte wie Medikamente – sowie über die Aufteilung des Gewinns aus dem Nutzen daraus – für die betroffenen Entwicklungsländer.

Die Schweizer Nichtregierungs-Organisation Erklärung von Bern (EvB) unterstützte neulich ein südafrikanisches Dorf, das für zwei Patente für Extrakte aus einer lokalen Pflanze kämpft, die von einer deutschen Pharma-Gruppe verwendet werden.

«Wir hoffen, dass mit den internationalen Regelungen in Bonn die Verbraucherländer wie die Schweiz klarer und präziser in die Pflicht genommen werden», sagt François Meienberg von der EvB.

Laut Delegationsleiter Thomas Kolly unterstützt die Schweiz, die eine bedeutende Pharma- und Chemieindustrie hat, das Ziel, die Verhandlungen über Zugang und Nutzenteilung bis 2010 erfolgreich abzuschliessen.

In diesem Zusammenhang weist Kolly darauf hin, dass die Schweiz im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) die Idee propagiert, wonach bei der Registrierung eines Patents immer die Herkunft der natürlichen Ressourcen und das traditionelle Wissen deklariert werden müssen.

swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

Die 9. UNO-Biodiversitäts-Konferenz (COP 9) der UNO-Konvention zur Biodiversität (CBD) findet vom 19. bis 30. Mai in Bonn, Deutschland, statt. Das 4. Treffen der Vertragsstaaten des Cartagena Protokolls über Biosicherheit fand eine Woche zuvor statt.

Am 22. Mai geht auch der Internationale Tag für Biodiversität über die Bühne.

Die CBD ist eines der drei Abkommen, die am UNO-Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurden.

Die drei Ziele der CBD sind die Förderung der Artenvielfalt-Bewahrung, des nachhaltigen Gebrauchs ihrer Ressourcen und des fairen und angemessenen Gewinns aus der Nutzung genetischer Ressourcen.

Ihn letzter Zeit wurde vor einer weltweiten Hungerkrise gewarnt, dies infolge der rekordhohen Preise für Nahrungsmittel wie Weizen, Getreide und Reis sowie deren knappen Vorräte.

Experten der Konvention zur Biodiversität (CBD) sind der Ansicht, dass eine Erneuerung der Landwirtschafts- und Viehbestands-Vielfalt das Hungerproblem angehen könnte. 75% des einst landwirtschaftlich genutzten Bodens werden heute nicht mehr bebaut.

An der Konferenz in Bonn ist auch Biotreibstoff ein Thema. Kritisiert wird, dass dieser oft aus Nahrungsmittelanbau gewonnen wird.

Ab 1. Juli will die Schweiz Umwelt- und soziale Standards für Steuererleichterungen auf Biotreibstoff einführen. Die Schweiz ist das erste Land, das eine solche Massnahme ergreift. Sie will diese an der Bonner Konferenz propagieren.

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