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Pionier Piccard will mit Solarflugzeug abheben

Piccards futuristischer "Sonnenvogel" hat eine Spannweite von 63 Metern. Keystone

800 geladene Gäste, darunter Fürst Albert II von Monaco und der Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger, pilgerten nach Dübendorf, um Zeuge von Bertrand Piccards jüngstem Erfolg zu werden: der Präsentation des bisher grössten Solarflugzeugs der Welt.

Solar Impulse soll die bisher bekannten Grenzen der Ingenieurskunst durchbrechen und nur mit Sonnenkraft rund um die Erde fliegen. Wenn nicht alles täuscht, könnte dies sogar gelingen.

Petrus meinte es für einmal gut: Trotz unsicherer Wetterprognose schien am Freitag Mittag die Sonne über Dübendorf bei Zürich. Alles andere wäre ja auch unfair.

Denn just als die Sonne über dem Militärflugplatz am höchsten stand, lüfteten Bertrand Piccard und sein Kollege André Borschberg erstmals den Schleier über ihrem Solarflugzeug HB-SIA.

Sechs Jahre Arbeit und 46 Millionen Euro sind bis jetzt in das Programm investiert worden. Die Flugerfahrungen, die mit diesem Prototypen gesammelt werden, sollen bereits in drei Jahren eine Weltrumrundung ausschliesslich mit Solarkraft ermöglichen.

Nicht das erste Solarflugzeug

Solar Impulse ist zwar nicht das erste Solarflugzeug der Welt, aber sicher das ehrgeizigste Projekt. Bereits 1980 waren in den USA erste bemannte Flüge erfolgreich, 1981 wurde der Ärmelkanal mit Solarpower bezwungen und 2005 gelang der erste Nachtflug – noch unbemannt – mit in Batterien gespeichertem Solarstrom.

Piccards HB-SIA soll all diese Leistungen vereinen, bereits nächstes Jahr mit einem Piloten an Bord und mit in Batterien gespeichertem Solarstrom starten, um danach mindestens 36 Stunden – also über Nacht – in der Luft zu bleiben.

Gebaut wurde das technische Wunderwerk übrigens von der Westschweizer Firma Decision, die auch die erfolgreichen Alinghi-Yachten gefertigt hatte.

Gross wie ein Airbus

Damit wird HB-SIA ihren Zweck erfüllt haben, nämlich die Flugtauglichkeit und das Funktionieren der Steuerungs- und Antriebssysteme eines solch verrückten Vogels unter Beweis zu stellen.

Verrückt ist das Konzept allemal, über 63 Meter beträgt die Spannweite (also gleich viel wie jene des Airbus A340), jedoch bloss 1600 Kilo das Gewicht, wovon ein Viertel allein schon die Lithium-Polymer-Batterien beanspruchen.

Entsprechend supraleicht musste daher gebaut werden, neue und noch nie erprobte Baustoffe kamen zur Anwendung.

Wird es auch fliegen?

Jetzt gilt es zu beweisen, dass das Ding tatsächlich auch fliegt, dass die mit Solarzellen bestückte Haut der Flügelprofile den Schwingungen und Verwindungskräften während des Flugs standhält.

Weil das riesige Fluggerät bloss 35 bis 70 Stundenkilometer schnell sein kann, wird auch das Können der Testpiloten auf eine harte Probe gestellt. «Wir müssen nach dem Training im Simulator erst Schritt für Schritt lernen, diesen Apparat zu fliegen», sagte Bertrand Piccard bei der Präsentation.

Chef der Flugversuche wird übrigens der Schweizer Astronaut Claude Nicollier sein. Und die ersten Flugversuche werden noch dieses Jahr in Dübendorf und später in Payerne im Waadtland durchgeführt werden.

Nummer 2 mit Druckkapsel

Hält die HB-SIA, was sich Piccard und sein 70-köpfiges Entwicklungsteam erhoffen, wird bereits 2011 die HB-SIB gebaut werden, die dann tatsächlich auf die Reise um die Welt geschickt wird.

Nicht in 80 Tagen, sondern in fünf je etwa fünf Tage dauernden Etappen, «das Maximum, das einem Piloten zugemutet werden kann».

Die Route wird dem Äquator entlang führen, und der Weltumflieger wird im Gegensatz zur HB-SIA mit einer Druckkapsel ausgerüstet sein. Dies ist wichtig, damit die HB-SIB während des Tages nicht nur Sonnenstrom in den Batterien sammeln, sonder auch möglichst viel Höhe gewinnen kann.

Und so gleichsam kinetische Energie speichert, die dann nachts im Gleitflug wieder zurück gewonnen wird.

Nie Personen befördern

Auch Piccard und seine Crew glauben nicht, dass mit Solarkraft je Passagiere durch die Lüfte befördert werden können. Eine kleine Rechnung sagt schon alles: Mit den 200 Quadratmetern Fotozellen der Solar Impuls erreichen die Motoren bei 12 Prozent Wirkungsgrad des gesamten Systems gerade mal eine Durchschnittsleistung von acht Pferdestärken oder sechs Kilowatt.

Selbst bei unrealistischen 100 Prozent Wirkungsgrad wären das immer noch bloss 64 PS. Damit bringt man beim besten Willen keinen Jumbojet zum Abheben.

Botschafter für Solarkraft

Aber darum geht es Bertrand Piccard und seinem Team gar nicht. Gemäss eigenen Aussagen soll Solar Impulse in erster Linie ein Symbol sein und ein Botschafter für die Nutzung erneuerbarer Energien.

Aber auch ein Schaufenster für die Technologien der Zukunft, ohne die die Probleme der Menschheit von Ressourcenverknappung bis Armut und Krankheit nicht gelöst werden können, ist Piccard überzeugt: «Wenn ein Flugzeug Tag und Nacht nur mit Solarenergie und ohne Treibstoff fliegen kann, kann niemand mehr behaupten, dass solche Lösungen nicht auch für Autos, Klimaanlagen oder Computer möglich sind.»

Ulrich Goetz, Dübendorf, swissinfo.ch

Spannweite: 63,40 m
Länge: 21,85 m
Höhe: 6,40 m
Gewicht: 1600 kg
Motoren: Vier elektrische 10 PS-Antriebe
Anzahl Solarzellen: 11’628 (10’748 auf dem Flügel, 880 auf dem horizontalen Stabilisator), insgesamt 200 Quadratmeter
Durchschnitts-Geschwindigkeit: 70 km/h
Minimal-Geschwindigkeit: 35 km/h
Maximale Flughöhe: 8500 m (27’900 ft)

Dass ausgerechnet Bertrand Piccard nach der Sonne greift, liegt in der Familie.

Bereits sein in Basel geborener Grossvater Auguste hatte Weltruhm erlangt als Mann, der am höchsten in die Stratosphäre aufstieg und die tiefsten Tiefen der Meere erforschte.

Betrands Vater Jacques war im Marianengraben auf den wohl tiefsten Punkt der Erde abgetaucht. Der bekannte Tiefseeforscher ist 2008 im Alter von 86 Jahren gestorben.

Sohn Bertrand seinerseits wurde zuerst Psychiater und widmete sich der Erforschung von Höhen und Tiefen der menschlichen Seele.

Bis es dem passionierten Deltasegler doch auch noch den Ärmel reinnahm – und er sich wie sein Grossvater der Ballonfahrt zuwandte.

1999 gelang ihm im dritten Anlauf zusammen mit Brian Jones erstmals die Nonstop-Erdumrundung in einem Heissluftballon, der «Breitling Orbiter 3».

Jetzt soll es per Solarkraft rund um die Welt gehen.

«Ein Pionier ist nicht immer der, welcher Erfolg hat, sondern der, der sich nicht vor Fehlschlägen fürchtet», lautet Piccards Motto.

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