Sanitarische Zeitreise ins 21. Jahrhundert
Die Gewässerverschmutzung ist das grösste Umweltproblem Mazedoniens. Die Schweiz ist der Hauptpartner bei der Erneuerung der Wasserversorgung und dem Aufbau der Abwasserreinigung.
swissinfo zu Besuch in Berovo, wo der Spatenstich für ein Abwassersystem bevorsteht, und in Kumanovo, wo eine neue Kläranlage eröffnet wurde.
Wenige Zentimeter unter den Schuhen von Venko Pasaliski sickert Dreckwasser in die Rusinovo. Der Bach durch das gleichnamige Dorf ist Kloake und Müllhalde zugleich. Doch das wird bald anders.
Der Bürgermeister von Berovo zeigt den Verlauf der geplanten und von der Schweiz finanzierten Abwasserleitungen beidseits der Rusinovo und deutet dorfauswärts, wo der Sammler geplant ist. «Wir sind der Schweiz für ihre Unterstützung ewig dankbar», sagt Pasaliski. Seiner kleinen Gemeinde würden die Mittel fehlen.
Umweltsünden in der «kleinen Schweiz»
Der Maleshevo-Bezirk an der Grenze zu Bulgarien in Mazedoniens Osten wird im Volksmund nicht von ungefähr «kleine Schweiz» geheissen: Mit ihren bewaldeten Hügeln, durchfurcht von vielen – sauberen – Bächen, erinnert die Landschaft an die Tessiner Täler.
Die Umgebung des Hauptortes Berovo mit seinen 15’000 Einwohnern ist Landwirtschaftsland, Industrie ist ausser Holzverarbeitung kaum vorhanden. Hier stehts nicht gut ums Wasser. Deshalb wird jetzt im ganzen Einzugsgebiet der Bregalnica – sie ist eines der vier grossen Gewässer Mazedoniens – mit Schweizer Hilfe eine Abwasserkanalisation samt Kläranlage gebaut.
Leitungen aus Asbest…
Zum Programm, das vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) mit 7,1 Mio. Franken finanziert wird, gehört auch die Erneuerung des maroden Trinkwassersystems. Die Leitungen in und um Berovo weisen nicht nur viele Lecks auf, sondern enthalten krebserregenden Asbest.
Ab Ende 2009 soll in Berovo, Rusinovo und allen anderen Dörfern im Bregalnica-Becken sauberes Trinkwasser aus den Hahnen fliessen. Heute müsse dieses mit viel Chemie aufbereitet werden, um die gesetzlichen Mindeststandards zu erfüllen, sagt Kiro Cicakovski, verantwortlich für die Infrastruktur Berovos.
Dynamik auslösen
Mit dem sauberen Wasser wollen Pasaliski und Cicakovski nicht nur die Lebensqualität der Bewohner verbessern, sondern auch die nötige und nachhaltige Entwicklung der abgelegenen Region in Fluss bringen: Die Gegend mit ihrer reichhaltigen Flora und Fauna soll einerseits Destination für sanften Tourismus werden, andererseits sollen die traditionellen natürlichen Produkte wie Käse, Gemüse, Früchte (mit der Aronia oder Apfelbeere als lokale Spezialität), Pilze, Kräuter etc. unter dem einheitlichen Maleshevo-Label in den Städten des Landes vermarktet werden.
Der Schweizer Beitrag im Bregalnica-Becken ist zwar nur der buchstäbliche Tropfen auf den heissen Stein: Die gesamte Programm zur Versorgung Mazedoniens mit sauberem Wasser ist auf knapp 340 Mio. Franken veranschlagt.
«Der Bedarf ist viel grösser als unser Beitrag», relativiert Thomas Füglister, der Schweizer Botschafter in Mazedonien. Dennoch kommt dem Seco-Projekt in der Maleshevo-Region eine Schlüsselfunktion zu. «Wir sind in Berovo aktiv, weil dort noch keine anderen Donatoren präsent sind», sagt Füglister.
Die Schweiz zählt darauf, dass der Initialzündung am Bregalnica-Oberlauf flussabwärts Projekte anderer Donatoren folgen.
Der Zeitsprung
Kumanovo, mit seinen 60’000 Einwohnern die grösste Stadt im Norden Mazedoniens, hat soeben den Sprung ins sanitarische 21. Jahrhundert geschafft: Am 10. November weihten die Behörden und Vertreter der Schweiz die neue Kläranlage ein. Ganz Mazedonien mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern verfügt nur über eine knappe Handvoll Abwasserreinigungs-Anlagen.
«Sie ist nach neuestem Standard gebaut», erklärt Pascal Hubmann, Geschäftsführer der Roediger AG. Mit dem Betrieb sind gleichzeitig 16 neue Stellen entstanden.
Das Unternehmen aus dem Kanton Basel-Landschaft baute die Kläranlage im Auftrag des Seco, welches die Anlage mit Oberflächenbelüftung, Biogas-Heizwerk und vollelektronischer Steuerung mit 16,3 Mio. Franken finanzierte.
Bevölkerung zieht mit
Das saubere Wasser hat aber auch seinen Preis: 25% müssen die Einwohner Kumanovos und Umgebung für das Wasser künftig mehr bezahlen. Diesen Beitrag würden sie aber gerne leisten, versichert Goran Mitreski, der Direktor der Kläranlage.
Mehr Sorgen bereitet ihm der Unterhalt, der rund eine halbe Mio. Franken pro Jahr beträgt. Mitreski ist deshalb auf weitere Beiträge angewiesen, sei es vom Umweltministerium oder von anderen Donatoren.
Dass die neueröffnete Schweizer Anlage in Kumanovo liegt, ist kein Zufall. Das starke Engagement Mitreskis und der Stadtbehörden für eine Kläranlage überzeugte die DEZA, die richtigen Partner gefunden zu haben.
Das ist keine Selbstverständlichkeit: Alle anderen Abwasserreinigungs-Anlagen, die innerhalb eines Programmes der Europäischen Entwicklungsbank geplant waren, sind nicht über die Projektionsphase hinaus gekommen.
swissinfo, Renat Künzi, Berovo/Kumanovo
Die Umweltverschmutzung stellt für Mazedonien die grösste Hürde auf dem Weg in die EU dar.
Das Land mit seinen 2 Mio. Einwohnern verfügt nur über 4 Kläranlagen.
Die Schweiz ist die grösste Geldgeberin bei der Verbesserung der Wasserqualität.
Sie finanziert jährlich Projekte von rund 10 Mio. Franken.
Am 26. November stimmt die Schweiz über die Weiterführung der Osthilfe ab. Mazedonien ist eines der Schwerpunktländer.
Grundlage für die Schweizer Projekte zur Verbesserung der Wasserqualität in Mazedonien ist das integrierte Flussüberwachungs-System RIMSYS.
Es entstand unter Federführung der Schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).
Mit RIMSYS ist das Institut für Wasserwirtschaft betraut, das zum mazedonischen Ministerium für Land-, Wald- und Wasserwirtschaft gehört.
Ziel ist die Erhebung und Auswertung von Daten zu Wassermenge und -qualität. Diese bilden die Basis zu einer wirtschaftlichen Nutzung der Wasserressourcen sowie zur Planung, Einschätzung und Umsetzung von Massnahmen in den Bereichen Hochwasser- und Umweltschutz. Ziel ist auch die Verbesserung der Wasserqualität von Flüssen und Seen.
Das System besteht aus 18 Messstationen mit modernstem Gerät, das die Daten regelmässig direkt ins Institut nach Skopje liefern.
Das Institut ist mit einem modernen Analyselabor zur Bestimmung der Wasserqualität ausgerüstet.
Der Etat für das Überwachungssystem beträgt bis 2008 knapp 4 Mio. Franken, davon übernimmt Mazedonien 200’000 Franken.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch