Schweizer Milliardär schützt Natur im Fernen Westen
Er ist einer der reichsten Männer der Erde und gleichzeitig deren Verteidiger. Einen Teil seines Vermögens setzt er zum Schutz der Natur im Westen der USA ein. Für dieses Engagement hat der Berner Hansjörg Wyss dieses Jahr den Wilderness-Society-Preis erhalten.
Es ist nicht einfach Hansjörg Wyss zu treffen. Der Milliardär verbringt «zwei Drittel seiner Zeit in den USA, den Rest in der Schweiz und anderen Ländern». Er leitet ein Unternehmen, das in seinem Markt weltweit die Nummer 1 ist, und er überwacht nun dessen Fusion mit dem amerikanischen Konzern Johnson&Johnson.
An mehreren Orten auf der Welt besitzt er Häuser. Derzeit verlegt er seine Hauptresidenz von Pennsylvania nach Wyoming, um in die Nähe seiner Kinder und Enkelkinder zu ziehen. Und er nähert sich damit auch dem Grand-Teton-Nationalpark, dessen Landschaft ihn seit seinem 22. Altersjahr prägt und die er schützen hilft.
«Im Sommer 1958 bin ich zum ersten Mal im Rahmen eines beruflichen Austauschprogramms für 4 Monate in die USA gekommen. Ich gehörte einem Ingenieur-Team an, das in Colorado Strassen-Vermessungen vornahm. Von der Schönheit des Westens war ich hingerissen. Nie zuvor hatte ich eine solche Landschaft gesehen», sagt er.
Vom «Far West» zum Massentourismus
Der Begriff «Far West» hielt damals noch, was er versprach. «Man hatte tatsächlich den Eindruck, weit weg von Europa, aber auch von Washington zu sein. Die Leute im Westen waren ausserordentlich offen und sympathisch. Der Grand Canyon war unberührt, es gab einen einzigen Reisebus pro Tag, der höchstens 30 Personen hinführte», erinnert sich Hansjörg Wyss.
Inzwischen hat der Zivilisationsdruck auf die majestätische Landschaft von Arizona und Montana stark zugenommen. «Heute besuchen 5 Millionen Menschen pro Jahr den Grand Canyon, und die Bevölkerung in der Region wächst beachtlich. Aber die Menschen leben heute in den riesigen, seelenlosen Vorstädten viel isolierter als früher.»
Mit dem Siedlungsdruck wächst auch die Bedrohung der Landschaft. Im Juli ist der Yellowstone-Fluss wegen eines Lecks in einer Pipeline oberhalb des gleichnamigen Nationalparks verschmutzt worden. Die Holz-, Mineral-, Erdöl- und Atomindustrie dringt überall in der Region in die natürlichen Räume ein, um Rohstoffe abzubauen oder Abfälle zu lagern.
Wyss-Stiftung
Die von Hansjörg Wyss gegründete Stiftung bezweckt ausschliesslich den Schutz der natürlichen, öffentlichen Räume im Westen. «Die Grundstücke im Besitz der amerikanischen Regierung sind für sehr verschiedene Nutzungen vorgesehen, u.a. für Wasser- und Kohlekraftwerke,
Erdölindustrie und Forstwirtschaft. Deshalb braucht es ein Gegengewicht, damit die Landschaften nicht überall verschandelt werden», sagt der Gründer der Wyss-Stiftung.
Die Stiftung versucht, zum Schutz der natürlichen Zonen die Bundesbehörden zu sensibilisieren und Partnerschaften zwischen der amerikanischen Regierung und den Umweltschutz-Organisationen zu schmieden.
Das politische Klima ist derzeit aber nicht sehr günstig für ökologische Anliegen. Die republikanische Mehrheit im Kongress vertritt die Interessen der Industrie, und der demokratische Präsident Obama hat die Grünen bisher enttäuscht.
Hansjörg Wyss bedauert, dass die Republikaner «gegen Naturschutz» sind. Die Politik des Präsidenten, für den er offensichtlich viel Sympathie hat, will er nicht kommentieren. «Ich möchte nicht darüber reden, es ist ein dornenvolles Dossier», sagt er.
Nichts mehr zu machen in der Schweiz
Weshalb engagiert sich Hansjörg Wyss nicht für die Natur in der Schweiz? «Als wir starteten, war die Schweiz schon stark verbaut. Es gab überall Staumauern und Skistationen. Es wäre sehr schwierig geworden, in der Schweiz etwas zu Stande zu bringen, weil es nichts mehr zu schützen gibt. Natürlich haben wir noch Berge, die sich nicht bewegen, aber in den Tälern hat es keinen Platz mehr für Naturpärke.»
Seine Liebe zur Natur hat indessen in der Schweiz ihren Anfang genommen. «In meiner Kindheit war Bern nur halb so gross wie heute. Auch zu Fuss war man als Städter in kurzer Zeit draussen in der Natur.»
6 Milliarden schwer
Hansjörg Wyss ist in einer bescheidenen Familie aufgewachsen. Sein Vater war Handelsvertreter, und seine Mutter beschreibt er als Hausfrau, welche die Bürden des Haushalts verabscheute. «Meine Eltern lebten mit mir und meinen beiden Schwestern in einer sehr kleinen Wohnung».
Aber die Eltern interessierten sich für alles und liessen ihre Kinder an «bewegten Gesprächen» teilhaben. «Wir hatten sehr wenig Geld, aber meine Familie war reich im Geist. Ich hatte eine spannende Kindheit, und das hat mir erlaubt, unabhängig zu denken».
Heute ist der Berner einer der reichsten Männer der Erde. Was bringt ihm dieser Reichtum von geschätzten 6 Milliarden Dollar? «Das ist nicht wichtig. Es macht eigentlich nicht viel aus», sagt Hansjörg Wyss. «In Bern benütze ich immer die öffentlichen Verkehrsmittel, ich habe die gleichen Freunde wie früher. Zugegeben, ich besitze ein paar schöne Häuser, die ich mir früher nicht hätte leisten können.»
Er fühle sich in den USA genau gleich wohl wie in der Schweiz. «Ich bin überall zuhause, wo ich Freunde habe.»
Er wurde 1936 in Bern geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf.
1958 reiste er im Rahmen eines beruflichen Austauschprogramms zum ersten Mal in den Westen der USA.
1959 erhielt er ein Ingenieur-Diplom der Eidg. Technischen Hochschule Zürich, 1965 ein MBA der Universität Harvard.
1977 übernimmt er die Leitung von Synthes, ein Unternehmen der Medizinaltechnik. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Unternehmen zum weltweit grössten Hersteller von Gelenkprothesen.
2011 kauft der amerikanische Riese Johnson&Johnson den Orthopädiekonzern Synthes für 21,3 Milliarden Dollar.
1989 gründet er die «Fondation Wyss», die im Westen der USA mehrere Millionen Hektaren Naturlandschaft schützt.
2000 kauft er in Kalifornien eine Ranch, auf der er mit natürlichen Methoden Weinbau betreibt.
2009 schenkt er der Universität Harvard 125 Millionen Dollar zur Eröffnung des Wyss-Instituts Harvard für Bio-Engineering.
Er ist einer der beiden reichsten Schweizer und einer der reichsten Männer der Erde.
Im Klassement der reichsten Menschen des Forbes Magazins belegt er 2011 den 154. Rang.
Sein Vermögen wird auf 6,4 Milliarden Dollar geschätzt.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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