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Umweltgruppen machen Druck nach Hochwasser

Ein neues Flussbett für den Flaz - ein preisgekröntes Hochwasserschutz-Projekt im Engadin Keystone

Schweizer Umweltorganisation fordern von der Regierung ein stärkeres Engagement zu Gunsten eines effizienteren Hochwasserschutzes.

Für die Bundesbehörden ist die gegenwärtige Aufgabenteilung mit den Kantonen und Gemeinden sinnvoll, weil sie die regionalen Unterschiede berücksichtigt.

Im Nachgang zum grossen Unwetter und den Überschwemmungen, die vor 10 Tagen Teile der Schweiz heimgesucht hatten, wurde von verschiedener Seite Kritik geäussert; auch Forderungen nach mehr Geld wurden gestellt.

Eine offene Polemik entfachte der Stadtpräsident von Bern, als er die Kantonsbehörden beschuldigte, ihre Aufgabe nicht wahrzunehmen.

Hochwasserschutz ist in der Schweiz Sache der 26 Kantone, die Bundesbehörden haben bloss die Oberaufsicht. Finanziell teilen sich der Bund, die Kantone und Gemeinden die Kosten für Schutzbauten.

Für Andreas Götz vom Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) ist diese Regelung logisch: «Es gibt in der Schweiz sehr unterschiedliche Regionen, und Kantone können in diesem Fall viel zielgerichteter arbeiten.»

Druck und Koordination

Die Stiftung für Landschaftsschutz Schweiz (SL) sieht grundsätzlich im föderalistischen Prinzip beim Hochwasserschutz kein Problem. Allerdings wünscht man sich eine bessere Koordination.

«Föderalismus kann dazu führen, dass jede Gemeinde nur noch für sich entscheidet, besonders in Notlagen», erklärt Richard Patthey.

Die SL fordert eine intelligente Raumplanung, um Schäden bei Hochwasser besser zu begrenzen. Dazu gehört die Einhaltung eines gesetzlichen Mindestabstandes zwischen Bauten und Fliessgewässern sowie Renaturierungen.

Ähnlich sieht dies Andreas Knutti vom WWF Schweiz. «Wir wären froh, wenn die Bundesbehörden bestimmter handeln würden und mehr Druck auf die Gemeinden machten.»

Die Aufgabenteilung im Hochwasserschutz sei aber sinnvoll, insbesondere wenn die Bundesbehörden die Koordination übernähmen.

Interessenpolitik

Kritik äussert auch Greenpeace Schweiz. Wenn sich der Bund – besonders im Zusammenhang mit dem Klimaschutz – darauf beschränke, strategisch zu verwalten, sei dies fragwürdig.

«Die Umstände zwingen uns zum schnelleren Handeln beim Klimaschutz», sagt Alexander Hauri von Greenpeace. Er kritisiert aber vor allem Lobby-Gruppen aus der Auto- und Erölbranche, die mit ihrer Interessenpolitik verantwortungslos handelten.

Beim Bund gibt man zu bedenken, dass eine Einschränkung des Beschwerderechts von Verbänden und Organisationen im Bereich des Hochwasserschutzes wenig bringe.

«Interessengegensätze gibt es immer. Es geht darum, die verschiedenen Ansichten auf den Tisch zu bringen und in Diskussionen zusammen eine gute Lösung finden», meint Andreas Götz vom Bundesamt für Wasser und Geologie.

Er rechnet mit Kosten in Milliardenhöhe, um bestehende Schutzbauten an den Flüssen Rhone, Rhein und Linth den neuen Bedürfnissen anpassen zu können.

Sparen

Erschwerend kommt dazu, dass der Staat im Hochwasserschutz wie in anderen Bereichen sparen will. Nun müssten aber sowohl auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene Anstrengungen unternommen werden.

Mit seiner Skepsis gegenüber Sparmassnahmen beim Hochwasserbau ist Götz nicht alleine. Sowohl bei Umweltorganisationen, wie beim Wasserwirtschafts- oder Forstpersonalverband warnt man vor falschen Schritten.

Der Bund habe sich in der letzten Zeit aus der Mitverantwortung bei der Waldpflege gestohlen. Zudem steckten die Behörden eher Geld in Schadensbehebung, anstatt genügend Mittel für vorbeugenden Schutz bereit zu stellen.

Beim WWF mag man nicht ins Klagelied von fehlenden Finanzen einstimmen. Die Organisation fordert aber neue Lösungsansätze. So soll zum Beispiel – wie auf regionaler Ebene auch schon erprobt – ein gewisser Prozentsatz des Wasserzinses für die Renaturierungs-Projekte eingesetzt werden.

Es braucht Zeit

Es gelte auch zu akzeptieren, dass es keinen absoluten Schutz vor Hochwasser gebe, gibt Andreas Götz vom Bundesamt für Wasser und Geologie zu bedenken.

Bis in 10 Jahren soll eine umfassende Gefahrenkarte über mögliche hydrologische und geologische Risiko-Zonen in der Schweiz erstellt werden.

«Wir haben wenige Experten, und es braucht Zeit, um die modernisierte Hochwasser-Philosophie durchzusetzen», meint Götz.

Nach den neuesten Überschwemmungen werde sich vermehrt die Einsicht durchsetzen, dass die Gefahrenkarte eine sehr wichtige Grundlage sei, betont Götz.

Die Stiftung für Landschaftsschutz warnt vor allzu grossem Optimismus. Die Karte sei stark umstritten, und es gehe schliesslich um viel Geld, wenn die Bautätigkeit eingeschränkt werde.

swissinfo, Urs Geiser

Hochwasserschutz ist eine Aufgabe der Kantone, die Bundesbehörden unterstützen die Kantone und haben die Oberaufsicht.

Grössere Überschwemmungen richteten 1987 und 1999 Schaden in der Höhe von 8 Mrd. Fr. an.

Beim neuesten Unwetter geht man von Schäden von rund 2 Mrd. Fr. aus. Zusätzlich rechnen die Behörden mit Kosten in Milliardenhöhe zur Erneuerung von Schutzbauten an den grösseren Schweizer Flüssen.

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