Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

UNO-Klimakonferenz: Erderwärmung ist «ein Spiel mit dem Feuer»

Autos auf einem überschwemmten Parkplatz
Starke Regenfälle durch den Hurrikan Milton führten im Oktober zu einer Überschwemmung des Anclote River in New Port Richey, Florida. Die rasche Verstärkung von Milton von einem Sturm der Kategorie 1 zu einem Monster der Kategorie 5 in weniger als 24 Stunden ist das jüngste Beispiel für den beunruhigenden Trend, dass Stürme aufgrund des Klimawandels immer stärker und schneller werden. AP Photo / Mike Carlson

Die Vorbereitungen für die UNO-Klimakonferenz COP29, die nächste Woche in Aserbaidschan stattfindet, laufen auf Hochtouren. Welche Fortschritte wurden bei den globalen Klimazielen erreicht, und wo steht die Schweiz?

Die nächste UNO-Klimakonferenz (COP29)Externer Link wird vom 11. bis 22. November in Baku abgehalten, der Hauptstadt von Aserbaidschan.

Dabei geht es einmal mehr um die Bemühungen der Unterzeichnerstaaten des Pariser AbkommensExterner Link, eine Begrenzung der globalen Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius zu erreichen.

Dieses Ziel scheint momentan nicht in Reichweite. Im Vorfeld der Klimakonferenz haben daher Forschende und Behördenvertretende deutliche Worte gefunden. Sie sprechen von einem «Spiel mit dem Feuer» oder auch einem «Drahtseilakt für den Planeten». Die Zeit laufe ab.

Inger Andersen, Exekutivdirektorin des UNO-Umweltprogramms (UNEP), sagte kürzlich bei der Präsentation des Emissions Gap Report 2024Externer Link: «Bitte keine heisse Luft mehr!» Die Autorinnen und Autoren des Berichts warnen vor einer «massiven Kluft zwischen Rhetorik und Realität».

Der Rückgang der Emissionen gehe nicht schnell genug voran. Die Staaten –besonders die G20-Länder, die für fast 80 Prozent er weltweiten Emissionen verantwortlich seien – müssten viel ehrgeiziger sein und «deutlich stärkere Zusagen» machen, um die riesige Emissionslücke zu schliessen.

Externer Inhalt

Die teilnehmenden Länder werden in Baku über Emissionsziele diskutieren und bis Februar 2025 aktualisierte Verpflichtungen vorlegen – vor den nächsten UNO-Klimagesprächen, die in Brasilien stattfinden.

Die UNEP-Expert:innen sind der Auffassung, dass es einen «Quantensprung» in der Zielsetzung geben müsse.

Eine beispiellose globale Mobilisierung von erneuerbaren Energien, Waldschutz- und Energieeffizienzmassnahmen sei nötig, um die aktuelle Entwicklung zu stoppen, welche momentan in Richtung eines «katastrophalen Temperaturanstiegs» von 2,6 bis 3,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau weise.

Externer Inhalt

Laut der Forschungseinrichtung Net Zero TrackerExterner Link haben mehr als 40 Prozent der grossen Unternehmungen, Städte und Regionen auf der ganzen Welt noch keine Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen festgelegt.

In der Schweiz scheint die Situation deutlich besser zu sein. Mehr als zwei Drittel der 30 grössten börsenkotierten Unternehmen verfügen über CO2-Klimaschutzziele, um ihre Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Null zu reduzieren.

Einige der 26 Kantone der Schweiz haben laut einem im August 2024 publizierten Rating des WWFExterner Link ebenfalls Fortschritte in ihrer Klima- und Energiepolitik gemacht, speziell im Gebäudesektor. Allerdings gebe es grosse Unterschiede zwischen den Regionen, und kein Kanton befinde sich auf dem 1,5-Grad-Pfad.

Externer Inhalt

Hoffnungsschimmer dank Solarenergie

Inmitten der schlechten Nachrichten über die Emissionslücke bietet das enorme Wachstum der sauberen Energien, besonders der Solarenergie, dennoch einen gewissen Hoffnungsschimmer.

Auf der COP28-Klimakonferenz in Dubai im Dezember letzten Jahres einigten sich die Regierungen der Welt darauf, die Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen und sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden.

Das UNEP schätzt, dass durch den forcierten Einsatz von Solar- und Windenergie 27 Prozent der gesamten bis 2030 erforderlichen Emissionsreduzierung erreicht werden könnten, bis 2035 sogar 38 Prozent.

Ein Stopp von Rodungen und Entwaldung könnte eine Reduzierung um weitere 20 Prozent bewirken. Die restlichen Reduktionen könnten durch eine verbesserte Energieeffizienz, die Elektrifizierung von Gebäuden, Verkehr und Industrie sowie die Verringerung der Methanemissionen aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Anlagen erreicht werden.

Externer Inhalt

In ihrem Jahresbericht 2024 zur Weltenergieentwicklung Externer Linkzeigt die Internationale Energieagentur (IEA) auf, dass die Solarenergie bis zum Jahr 2033 die Kernkraft, die Windenergie, die Wasserkraft sowie Gas und Kohle als Energieträger überholen wird. Dann wird Sonnenenergie zur weltweit wichtigsten Energiequelle zur Stromerzeugung.

Laut IEA wächst die saubere Energie «in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit». Diese Entwicklung erfolgt jedoch parallel zu einem globalen Anstieg der Energienachfrage, einschliesslich der durch Kohleverbrennung erzeugten Energie.

Die Agentur geht davon aus, dass die Nachfrage nach Öl und Gas noch in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen wird und die Erderwärmung auf einen Wert von plus 2,4 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zusteuert.

«Es gibt einen zunehmend schmalen, aber immer noch erreichbaren Pfad, um unter 1,5 Grad Celsius Temperaturanstieg zu bleiben», so der IEA-Jahresbericht. Nötig wären mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen, eine raschere Elektrifizierung und eine Senkung der Emissionen um 33 Prozent bis 2030.

Hat die Schweiz Fortschritte bei den Emissionszielen gemacht?

Die Schweiz hat sich verpflichtetExterner Link, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens minus 50 Prozent gegenüber 1990 zu senken, zudem um mindestens minus 35 Prozent im Zeitraum von 2021 bis 2030.

Ausserdem hat sie sich verpflichtet, bis 2050 überhaupt keine CO2-Emissionen mehr zu verursachen (Netto-Null-Ziel).

Im Jahr 2022 emittierte die Schweiz gemäss TreibhausgasinventarExterner Link im Inland 41,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Dies ist vergleichbar mit Ländern wie Norwegen oder Portugal. Insgesamt lagen die Emissionen 24 Prozent unter dem Niveau von 1990.

Externer Inhalt

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) ist nach wie vor zuversichtlich, dass sich die Schweiz auf dem richtigen Weg befindet, um diese Ziele zu erreichen.

«Neben den Massnahmen im Inland sollen auch die Massnahmen im Ausland einen Beitrag leisten, um dieses Ziel zu erreichen», sagt Bafu-Sprecher Robin Poëll gegenüber SWI swissinfo.ch.

In den letzten Jahren hat die Schweiz einen Teil ihrer Emissionen durch Investitionen in Klimaprojekte im Ausland kompensiert. Die Eidgenossenschaft gehört zu den aktivsten Staaten beim Abschluss von bilateralen Verträgen, die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zulässig sind.

So hat die Schweiz mit mehr als einem Dutzend Ländern bilaterale KlimavereinbarungenExterner Link abgeschlossen, darunter Thailand, Peru und Senegal.

Es gibt aber Uneinigkeit zur Frage, ob der EmissionshandelExterner Link tatsächlich zu einer echten CO2-Reduzierung führt.

Einige Gruppen und Organisationen wie der WWF und der Climate Change Performance Index kritisieren, dass die Schweiz stark in die Kompensation im billigeren Ausland investiert, anstatt wichtige Massnahmen im eigenen Land durchzusetzen.

Laut Bafu-Sprecher Poëll macht die Schweiz aber Fortschritte: «Die nationalen Emissionen sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Hervorzuheben ist die Entwicklung im Gebäudebereich und in der Industrie. Bis 2030 sollten es die Massnahmen des revidierten CO2-Gesetzes ermöglichen, die nationalen Emissionen um rund 37 Prozent gegenüber 1990 zu senken.»

Externer Inhalt

Die verbleibenden CO2-Reduktionen sollen gemäss Bafu durch Klimaschutzprojekte im Ausland erreicht werden, die von der Regierung und Unternehmen wie Treibstoffimporteuren finanziert werden.

Kritische Stimmen halten Schweizer Massnahmen für unzureichend

Der Climate Action TrackerExterner Link (CAT), eine unabhängige Gruppe mit Sitz in Berlin, welche die Klimapolitik weltweit beobachtet, hegt Zweifel am Schweizer Weg. In ihrer jüngsten Analyse bewertet sie die Schweizer Klimaschutzmassnahmen als «ungenügend».

CAT behauptet, dass sich die Schweizer Klimapolitik und -gesetzgebung zwar verbessert hätten, doch die Ziele unzureichend seien, besonders wenn es um die inländischen CO2-Emissionen gehe.

Für das Ziel 2030 habe das Schweizer Parlament beschlossen, keine klaren CO2-Reduktionsziele im Gesetz festzulegen (beispielsweise 75 Prozent Anteile in der Schweiz und maximal 25 Prozent Kompensationen im Ausland). Der Bund bleibt nun frei in seiner Entscheidung.

Mehr

Mehr

Der Klimawandel trifft die Schweiz härter als andere

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Video 1 unserer zweiteiligen Serie zeigt, wie sich der Klimawandel auf die Schweizer Landschaft, Wirtschaft und Menschen auswirkt.

Mehr Der Klimawandel trifft die Schweiz härter als andere

«Die Schweiz macht mit ihrer Politik bedeutende Fortschritte und ist auf dem besten Weg, ihre Klimaziele und internationalen Verpflichtungen zu erfüllen», gibt sich CAT-Analystin Judit Hecke zuversichtlich. Die eigentliche Herausforderung liege in der Umsetzungsphase.

WWF und Greenpeace Schweiz sind wesentlich kritischer. Sie haben ernsthafte Zweifel an den Auswirkungen der kürzlich erlassenen Gesetze und dem Engagement der Schweizer Regierung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

Greenpeace weist darauf hin, dass die Schweizer Klimapolitik und ihre Ziele weit hinter vergleichbaren europäischen Ländern zurückblieben: Die EU hat sich für 2030 das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent zu verringern. Dänemark peilt sogar 70 Prozent an, Finnland 60 Prozent und Kohlenstoffneutralität bis 2035 als Zielmarke, Deutschland 65 Prozent.

Zudem weise die Schweizer Politik erhebliche Regulierungslücken auf, etwa das Fehlen von Klimazielen für den Finanzsektor.

«Der Schweizer Beitrag zur Finanzierung des Klimaschutzes sollte aufgrund der Wirtschaftskraft der Schweiz und der durch den hohen Schweizer Konsum verursachten Treibhausgasemissionen im Ausland auf mindestens 1 Milliarde Dollar pro Jahr verdoppelt werden», fordert Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz.

«Die Schweizer Klimapolitik bis 2030 ist nicht ausreichend und wird nicht substanziell verbessert», sagt er.

Externer Inhalt

Editiert von Veronica De Vore/ds, Übertragung aus dem Englischen: Gerhard Lob

Mehr
Newsletters SWI swissinfo.ch

Mehr

Newsletter

Melden Sie sich für unsere Newsletter an und Sie erhalten die Top-Geschichten von swissinfo.ch direkt in Ihre Mailbox.

Mehr Newsletter

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft