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Waldschutz soll rentabler werden als Abholzung

Illegale Rodung des Regenwalds in Sumatra für die Papier- und Palmölindustrie. Keystone

Die Abholzung von Wäldern trägt erheblich zum Klimawandel bei. Dass ein künftiges Klima-Abkommen dem Rechnung tragen muss, ist unbestritten. Doch wie? Eine Expertengruppe versucht, konsenstaugliche Lösungen zu erarbeiten.

Regierungen positionieren sich, Umweltorganisationen lancieren Kampagnen: Ein halbes Jahr vor der Klimakonferenz in Kopenhagen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

Im Stillen trifft sich Anfang August im waadtländischen Gland eine bunt gemischte Gruppe zum «Wald-Dialog». Vertreten sind staatliche Stellen, die Weltbank, die Holzindustrie, Umweltorganisationen und Verbände indigener Bevölkerungen.

Der Dialog begann vor zehn Jahren mit einer Arbeitsgruppe für nachhaltige Waldwirtschaft. Das Ziel ist der Konsens: «Die Teilnehmenden bringen unterschiedliche Sichtweisen ein, begegnen sich aber nicht als klassische Interessensvertreter», sagt Daniel Birchmeier vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), der beim letzten Treffen eine Gesprächsgruppe leitete.

«Das ist eine grosse Chance, um Fortschritte zu erzielen.» Das SECO unterstützt den Wald-Dialog (The Forests Dialogue) im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit auch finanziell.

Die Experten hoffen, mit konsolidierten Vorschlägen in Kopenhagen Gehör zu finden. Zur Debatte steht, wie der Schutz von Wäldern vergütet werden soll. Bisher wurde nur das Aufforsten entschädigt.

Künftig soll auch das Erhalten der Wälder berücksichtigt werden: Entwicklungsländer sollen entschädigt werden, wenn sie die Tropenwälder erhalten statt für die Landwirtschaft abholzen oder an die Holzindustrie verkaufen.

Drohender Preiszerfall im Emissionshandel

Viele Organisationen warnen jedoch davor, Wälder in den Handel mit Verschmutzungsrechten einzubeziehen. Befürchtet wird, dass wegen der grossen Menge an Verschmutzungsrechten für den Waldschutz die Preise für die Zertifikate einbrechen würden.

Die Industriestaaten hätten dann keine Anreize mehr, die eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren und in erneuerbare Energien zu investieren.

Diskutiert wird deshalb auch über eine Entschädigung mittels Fonds, die von den Industrieländern und allenfalls von der Wirtschaft zu speisen wären. Den Teilnehmenden des Wald-Dialogs schwebt laut Daniel Birchmeier eine abgestufte Mischlösung vor: In einer ersten Phase soll der Waldschutz mit Geldern aus Fonds kompensiert werden.

Längerfristig soll die Entschädigung an den Markt gebunden werden, wobei der Handel mit Wald-Zertifikaten nicht in den bestehenden Emissionshandel integriert würde.

Für die Experten ist jedoch nicht nur der Finanzierungsmechanismus wichtig. Sie sehen ihre Aufgabe auch darin, Aspekte einzubringen, die vergessen gehen könnten, wie Eric Chevallier von der Entwicklungsorganisation Intercooperation festhält. Die Erkenntnis etwa, dass der Einbezug der lokalen Bevölkerung unabdinglich ist. Oder die Frage, wie zu gewährleisten ist, dass die Gelder am richtigen Ort landen.

Um solche Probleme anzugehen, engagiert sich das SECO in der Forest Carbon Partnership Facility der Weltbank. Diese unterstützt Länder dabei, die Abholzung in den Griff zu bekommen, und baut Kontrollsysteme auf.

Fragezeichen bei der Umsetzung

Carl Ulrich Gminder, der für das multinationale Holzunternehmen Danzer mit Sitz im Kanton Zug am Wald-Dialog teilnimmt, sieht bei gewissen Ländern die Gefahr, dass Klima-Gelder in den falschen Taschen landen könnten.

Das Unternehmen, das in der Demokratischen Republik Kongo tätig ist, war selbst schon Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Greenpeace beschuldigte Danzer, auf illegale Weise an Einschlagsrechte gekommen zu sein.

Auch Konflikte mit der lokalen Bevölkerung kennt das Unternehmen aus eigener Erfahrung. Die wachsende Bevölkerung Kongos sei auf zusätzliche Anbauflächen angewiesen und rode trotz Verboten, sagt Gminder.

Waldschutz könne nur funktionieren, wenn mit den Geldern konkrete Projekte finanziert würden – zum Beispiel zur Förderung von Anbaumethoden, die weitere Rodungen überflüssig machten.

Vielerorts haben indes nicht Selbstversorger, sondern Konzerne einen grossen Teil der Abholzung zu verantworten. In Indonesien fallen Tausende von Hektaren Wald der Palmölproduktion zum Opfer, in Brasilien der Fleischproduktion. Und auch die Holzindustrie trägt zur Zerstörung bei.

Allerdings denke diese sehr kurzfristig, wenn sie nicht auf Nachhaltigkeit setze, gibt Gminder zu bedenken. Zu einem Umdenken könnten sie die Konsumenten bewegen, durch die Wahl von Produkten des Labels FSC. «Das funktioniert unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen in Kopenhagen.»

Charlotte Walser, swissinfo.ch und InfoSüd

Wälder haben einen grossen Einfluss auf das lokale, regionale und globale Klima. Als CO2-Speicher können sie das Tempo des Klimawandels verlangsamen. Umgekehrt beschleunigt die Abholzung der Wälder den Prozess: Rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen werden durch Rodungen verursacht.

Besonders schnell erfolgt die Abholzung in Indonesien. Wegen der steigenden Nachfrage nach Palmöl, das auch als Treibstoff verwendet wird, hat Indonesien inzwischen nach China und den USA den drittgrössten CO2-Ausstoss.

Weltweit verschwinden jedes Jahr 13 Millionen Hektaren Wald, eine Fläche, die rund dreimal so gross ist wie die Schweiz. Dadurch sterben auch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aus.

Umweltorganisationen beziffern die Kosten für das Stoppen der Abholzung auf jährlich rund 45 Milliarden Franken.

Wird die Entwaldung nicht gestoppt, werden nach Schätzungen von Greenpeace bis 2050 allein durch die Abholzung in der Demokratischen Republik Kongo über 34 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt.

Dies entspricht etwa jener Menge, welche die Schweiz nach momentanem Stand in 700 Jahren ausstösst.

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