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Wie sauber ist das Grundwasser in der Schweiz?

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Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass unser Hahnenwasser zu 80 Prozent aus Grundwasser besteht. Keystone / Urs Flüeler

Letzte Woche fand in Davos der Weltgrundwasser-Kongress statt (8.-13.9.2024). Themen sind der Wert und die Bedrohung des Grundwassers weltweit. Wir haben mit Forscher Mario Schirmer über die Qualität des Grundwassers in der Schweiz gesprochen.

SRF News: Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass das Grundwasser im Schweizer Mittelland vielerorts belastet ist, hat das die Bevölkerung aufgerüttelt. Steht das Grundwasser in der Schweiz zunehmend unter Druck?

Mario Schirmer: Ja, das Grundwasser steht unter Druck – in Bezug auf die Menge des Grundwassers, was uns zur Verfügung steht, und natürlich auch in Richtung Qualität.             

Mario Schirmer ist Forscher und Professor für Wasserresourcen und Trinkwasser am «Eidgenössischen Wasserforschungsinstitut Eawag». Er beschäftigt sich schon seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Grundwasser.

Was sind da die grössten Herausforderungen?

Ein Beispiel ist die Verstädterung, also dass sich die städtischen Gebiete ausbreiten an Orten, wo früher Wald oder Wiese war. Wenn das so weitergeht, dann wird die Ressource Grundwasser und die Qualität immer mehr eingeschränkt.

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Was bedeutet das ganz konkret für das Grundwasser?

Es ändert sich erst mal die Grundwasserneubildung. Wenn auf einer freien Fläche wie Wiese oder Wald Regenwasser versickert, dann wird das Grundwasser eine sehr hohe Qualität haben.

Durch die Verstädterung wird das Gebiet eingeschränkt, wo Wasser versickern kann.

Es wird dann viel Wasser lokal an den Rändern von versiegelten Flächen in den Grundwasserleiter mit vielleicht schlechterer Qualität eingebracht, weil das Wasser schon Stoffe aufgenommen hat auf den versiegelten Flächen oder auf den Dächern. Und zusätzlich muss auch das Abwasser, was wir produzieren, abgeführt werden.

Was hat der Klimawandel für einen Einfluss auf das Grundwasser in der Schweiz?

Mit dem Klimawandel kommt es zu Veränderungen der Niederschlagsverhältnisse. Vorhersagen zeigen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten in der Schweiz ungefähr gleich viel Regenmenge haben. Aber es wird dazu kommen, dass wir mehr Winterniederschläge haben.

Im Sommer kann das Wasser fehlen, es kann zu Trockenheit führen. Und wenn die Trinkwasserversorgung oder die Bewässerung in der Landwirtschaft aufrechterhalten werden sollen, dann könnten die Grundwasserleiter stärker fallen, als dies heute der Fall ist.

Wie kann man Grundwasservorkommen über solch trockene Perioden hinweg retten?

Das Auffüllen der Grundwasserleiter geschieht über den Regen oder den schmelzenden Schnee. Wenn dies aber nicht ausreicht, wird bei den Wasserwerken künstlich Oberflächenwasser versickert, damit es dann Grundwasser wird und als Trinkwasser gepumpt werden kann.

Dies geschieht heute schon in einigen Gebieten der Schweiz. Wir müssen uns überlegen, ob diese künstliche Grundwasseranreicherung auch an weiteren Orten eingesetzt werden soll.

Was passiert, wenn es uns nicht gelingt, das Grundwasser als wichtige Trinkwasserressource zu erhalten?

In der Schweiz sind wir in einer sehr komfortablen Lage. Wir haben viel Grundwasser und können unsere Bevölkerung noch über viele Jahrzehnte sehr stabil versorgen.

Aber wenn es uns nicht gelingt, diese Ressource zu schützen, dann wird es auch hierzulande aussehen wie in anderen Teilen der Welt: Leute werden in andere Gebiete ausweichen, wenn sie nichts mehr zu trinken haben. Diese Massenflucht und die Migration würde auch bei uns zunehmen.

Das Gespräch führte Cathrin Caprez.

Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass unser Hahnenwasser zu 80 Prozent aus Grundwasser (und 20 Prozent Seewasser) besteht. Die Hälfte von diesen 80 Prozent ist gepumptes Grundwasser und die andere Hälfte ist Wasser aus Quellen.

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