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Zahlt die Schweiz ihren «fairen Anteil» für das Klima?

schüssel mit chilis
Ernte von Chilis in Chipinge, Simbabwe, im Rahmen eines von der US Agency for International Development finanzierten Landwirtschaftsprogramms, 19. September 2024. AP Photo / Aaron Ufumeli

Finanzhilfe für Entwicklungsländer war eines der Hauptthemen am Klimagipfel COP29. Die Schweiz zahle mehr als ihren angemessenen Anteil, heisst es in einer internationalen Analyse. Greenpeace und Alliance Sud sind jedoch anderer Meinung.

Wenn es darum geht, arme Länder bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen, tut die Schweiz mehr, als sie muss. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle AnalyseExterner Link des Overseas Development Institute (ODI), einer in London ansässigen Denkfabrik, die sich mit internationaler Entwicklung und humanitären Fragen befasst.

Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass die Industrieländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel in den Entwicklungsländern bereitstellen. Die Schweiz ist eines von zwölf Ländern (von 23), die laut dem ODI einen Beitrag geleistet haben, der ihrem «fairen Anteil»(fair share) entspricht oder diesen übersteigt.

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Das Konzept des angemessenen Anteils bezieht sich auf den gerechten und verantwortungsvollen Anteil des globalen Finanzbeitrags, den jedes Industrieland den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen sollte.

Das Geld soll diesen Ländern helfen, sich an die Folgen der globalen Erwärmung anzupassen und den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen voranzutreiben.

Der «fair share» basiert hauptsächlich auf zwei Grundsätzen: der historischen Verantwortung, das heisst den kumulierten Treibhausgasemissionen, und dem wirtschaftlichen Vermögen. Das Pariser Abkommen legt keine nationalen Quoten fest, und jedes Land kann selbst entscheiden, welchen Anteil es für angemessen hält.

Umwelt- und Klimaschutzorganisationen werfen den reichen Ländern jedoch vor, ihren «fairen Anteil» nicht zu leisten. Ausserdem argumentieren sie, dass das derzeitige Finanzziel nicht ausreicht, um den Bedürfnissen der Entwicklungsländer gerecht zu werden.

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Das Übereinkommen von Paris ist ein internationales Klimaabkommen, das darauf abzielt, die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C im Vergleich zu den vorindustriellen Werten des 19. Jahrhunderts zu begrenzen, als die Nutzung fossiler Brennstoffe begann, eine erhebliche Erderwärmung auszulösen.

Um eine Chance zu haben, dieses Ziel zu erreichen und die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden, sind sich die Wissenschaftler:innen einig, dass es notwendig ist, die globalen Emissionen bis 2030 zu halbieren oder nahezu zu halbieren. Zudem muss bis Mitte des Jahrhunderts eine Netto-Null-Emissionsbilanz erreicht werden.

Wer hat den fairen Anteil für das Klima bezahlt?

Norwegen und Frankreich waren bisher die grosszügigsten Länder. Im Jahr 2022 war ihr Beitrag zum 100-Milliarden-Dollar-Ziel laut ODI mehr als doppelt so hoch wie ihr «fairer Anteil». Die Schweiz, Deutschland und Japan gehören zu den Ländern, die ebenfalls mehr als ihren «fairen Anteil» bereitgestellt haben.

Das ODI schätzt den «fairen Anteil» der Schweiz auf 930 Millionen USD pro Jahr (rund 814 Millionen CHF). Im Jahr 2022 betrug der Beitrag der Schweiz 1,33 Milliarden US-Dollar (1,16 Milliarden Franken).

Im Gegensatz dazu haben mehrere Industrieländer, darunter Italien, Grossbritannien und Spanien, ihre Quote nicht erfüllt. Am unteren Ende der Rangliste stehen Griechenland und die Vereinigten Staaten von Amerika: Sie haben bis 2022 nur etwa ein Drittel dessen erbracht, was sie hätten zahlen müssen.

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Die Vereinigten Staaten haben mit über 14 Milliarden USD zwar den grössten Betrag zur Verfügung gestellt. Doch wie die Analyse zeigt, hätten sie angesichts ihres Bruttonationaleinkommens, ihrer Emissionen und ihrer Bevölkerung dreimal so viel leisten müssen.

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Kredite erhöhen Klimafinanzierung

Die Zahlen des ODI sind mit Vorsicht zu interpretieren. Der Think Tank weist darauf hin, dass viele Länder einen erheblichen Teil ihrer internationalen Klimafinanzierung in Form von Krediten bereitstellen.

Einem BerichtExterner Link der britischen Nichtregierungsorganisation Oxfam aus dem Jahr 2023 zufolge machen Kredite etwa drei Viertel dieser Mittel aus. Diese erhöhen jedoch die öffentliche Verschuldung des Empfängerstaates.

Würde nur die Direkthilfe berücksichtigt – die im Gegensatz zu Darlehen nicht zurückgezahlt werden muss, wären die Fortschritte bei der Erreichung der richtigen Quote deutlich geringer», so das ODIExterner Link.

In seiner Analyse berücksichtigt das ODI auch die Klimafinanzierung durch Multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs). Das sind übernationale Institutionen, die von den souveränen Staaten, die Anteilseigner sind, gegründet wurden. Das ODI weist diese Beträge den Mitgliedsländern auf der Grundlage ihrer Kapitalbeteiligung oder Stimmrechte zu.

Diese Zahlen sind «weit höher als die offiziellen Schweizer Zahlen», sagt Laurent Matile von Alliance Sud, einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit internationaler Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe befassen.

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NGOs fordern eine Verdoppelung des Schweizer Beitrags

Die Schweizer Regierung hat beschlossenExterner Link, dass die richtige nationale Quote zwischen 450 und 600 Millionen Dollar pro Jahr liegen sollte (etwa 400-532 Millionen Franken zum aktuellen Umrechnungskurs). Bei der Berechnung werden die im Lande erzeugten Emissionen berücksichtigt.

Im Jahr 2023 stellt die Schweiz rund 546 Millionen Franken aus öffentlichen Quellen und rund 301 Millionen Franken aus privaten Quellen bereit, wie das Bundesamt für Umwelt mitteilt. Die 546 Millionen stammen hauptsächlich aus dem jährlichen Budget der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die NGOs kritisieren jedoch dieses System.

Alliance Sud fordert eine Verdoppelung der öffentlichen Mittel auf mindestens 1 Milliarde USD pro Jahr. Matile argumentiert, dass dieser Betrag dem tatsächlichen globalen Klima-Fussabdruck der Schweiz entsprechen würde.

Dabei würden nicht nur die inländischen Emissionen berücksichtigt, sondern auch die importbedingten Emissionen. Also die Emissionen, die im Ausland durch in die Schweiz importierte Güter verursacht werden. Diese sind pro Kopf mehr als doppelt so hoch wie die Emissionen in der Schweiz, so das BAFUExterner Link.

Für Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz, «hat die Schweizer Regierung die Verantwortung des Bundes in der Klimakrise bisher heruntergespielt».

Auch er ist der Meinung, dass der «faire Anteil» der Schweiz eine Milliarde Dollar pro Jahr betragen sollte. Dieses Geld müsse aufgebracht werden, ohne die Mittel für die internationale Zusammenarbeit zu beeinträchtigen, fordert er.

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Meinungsverschiedenheiten über die künftige Klimafinanzierung

An der Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, standen finanzielle Hilfen für die ärmsten und durch die globale Erwärmung am stärksten gefährdeten Länder im Mittelpunkt.

Vertreter:innen von rund 200 Ländern, darunter auch die Schweiz, haben ein neues Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified TargetExterner Link) für die Zeit nach 2025 verabschiedet. Die Industrieländer haben sich verpflichtet, bis 2035 jährlich 300 Mrd. USD – das Dreifache des derzeitigen Betrags – bereitzustellen.

Die im Climate Action Network vereinten Organisationen sowie zahlreiche Entwicklungsländer, darunter Indien und die Golfstaaten, forderten hingegen eine jährliche öffentliche Finanzierung von mindestens 1 Billion US-DollarExterner Link.

Die Schweiz müsse 1 Prozent zum neuen Klimafinanzierungsziel beitragen, argumentiert Klingler. Das 1 Prozent ergebe sich aus der Wirtschaftskraft der Schweiz, da das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schweiz etwa 1 Prozent des weltweiten BIP ausmache, sagt er. Auch für Laurent Matile muss der Schweizer Beitrag «massiv erhöht werden».

Editiert von Sabrina Weiss, Übertragung aus dem Englischen mit der Hilfe von Deepl: Janine Gloor

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