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Kopftuch kein Hindernis für Einbürgerung

Kopftuch und Trachten am Unspunnenfest in Interlaken. Keystone

In zwei Grundsatzentscheiden hat das Bundesgericht entschieden, dass das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen kein Argument ist, um eine Einbürgerung abzulehnen.

Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer Türkin und eines Bosniers aus dem Kanton Aargau gutgeheissen. Es befand die Nichteinbürgerung für diskriminierend und verfassungswidrig.

Der Einwohnerrat (Parlament) der Aargauer Gemeinde Buchs hatte 2007 einer Türkin die Einbürgerung verweigert: Als Grund wurde angeführt, dass sie mit dem Tragen des Kopftuchs als religiöses Bekenntnis eine fundamentalistische Glaubensrichtung bezeuge.

Kopftuch oder Schleier seien ein sichtbares Zeichen der Unterwerfung der Frau unter den Mann.

Damit werde eine Ungleichbehandlung der Frau allein aufgrund ihres Geschlechts demonstriert, was der verfassungsmässig garantierten Gleichberechtigung widerspreche. Die Integration der Gesuchstellerin müsse damit verneint werden.

Ähnlich wurde in der aargauischen Gemeinde Birr die Nicht-Einbürgerung eines bosnischen Ehepaares begründet.

Grundsatzentscheide

Nun hat das Bundesgericht in Lausanne zwei Grundsatzentscheide gefällt: Es hat die Beschwerde der Frau aus Buchs und des Ehemannes aus Birr nun gutgeheissen.

Die Nichteinbürgerung seiner Gattin ist laut den Lausanner Richtern indessen nicht zu beanstanden, da ihr Gesuch zusätzlich wegen mangelnden Sprach- und Staatskundekenntnissen abgelehnt worden war.

«Recht auf Identität»

«Der Entscheid des Bundesgerichts ist absolut korrekt. Man darf nicht allein auf Grund des Kopftuchs entscheiden, ob jemand ein guter Staatsbürger sein wird», sagt Saïda Keller vom Forum für einen fortschrittlichen Islam gegenüber swissinfo.

Erfreut vom Bundesgerichtsentscheid ist auch Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS): «Es braucht nicht Assimilation, sondern Integration. Integration heisst, dass man jemanden akzeptiert, wie er ist. Die Frauen haben ein Recht auf ihre Identität, so lange dies dem Bundesrecht entspricht und ihre Freiheit nicht beschneidet.»

Diskriminierungsverbot verletzt

Laut den Entscheiden aus Lausanne wird das Diskriminierungsverbot verletzt, wenn die Einbürgerung eines Ehepaares oder einer Einzelperson einzig mit der Begründung verweigert wird, dass die Frau ein Kopftuch trägt.

Die Ungleichbehandlung lasse sich durch keine qualifizierten und objektiven Kriterien rechtfertigen.

Das Kopftuchtragen als religiöses Bekenntnis sei grundsätzlich von der Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt. Dabei könne nicht mit Grund gesagt werden, das Kopftuch bringe in allgemein erkennbarer Weise eine Unterwerfung der Frau und damit mangelnden Respekt vor der Bundesverfassung zum Ausdruck.

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Bundesgericht

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Schweizerische Bundesgericht (BGer) in Lausanne wurde 1848 bei der Umwandlung der Schweiz in einen föderalistischen Bundesstaat errichtet. Bei der Totalrevision der Bundesverfassung 1874 wurde der Aufgabenkreis des Gerichts erweitert. Das Bundesgericht ist im Wesentlichen eine Rekursstelle, welche die Einhaltung des Bundesrechts überwachen muss. Das BGer prüft auch, ob die kantonalen Gesetzgebungen konform mit dem…

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Eigenständiger Entschluss der Frau

Die Befolgung der aus dem Koran abgeleiteten Übung könne auch auf einem eigenständigen Entschluss der Frau beruhen, die damit einfach ihren Glauben manifestieren wolle. Das blosse Tragen des Kopftuches sei damit in der Regel wenig aussagekräftig.

Dass die Frau ein Kopftuch trage, könne allenfalls dann mitberücksichtigt werden, wenn auf Grund weiterer Umstände eine Haltung zum Ausdruck komme, die grundlegenden schweizerischen Wertvorstellungen zu Rechtsstaat und Demokratie widerspreche. Solches sei hier aber weder behauptet noch nachgewiesen worden.

Vor Ablehnung gewarnt

Der Gemeinderat von Buchs wird das Einbürgerungsgesuch der Türkin dem Einwohnerrat im Juni erneut vorlegen. Der Entscheid des Bundesgerichts sei «vollkommen erwartet» worden, sagte Heinz Baur, Gemeindeammann von Buchs.

Der Gemeinderat habe das Gesuch unterstützt und vor einer Ablehnung gewarnt. Der Einwohnerrat habe an der gleichen Sitzung im Juni 2007 die Tochter der abgelehnten Gesuchsstellerin eingebürgert. Auch sie trage ein Kopftuch, sagte Baur.

In Birr wird die Gemeindeversammlung im Juni nochmals über das Einbürgerungsgesuch des Bosniers entscheiden, wie Gemeindeammann Markus Büttikofer sagte. «Wir halten uns ganz klar an die Vorgaben.»

swissinfo und Agenturen

Wer sich in der Schweiz einbürgern will, muss seit 12 Jahren hier wohnhaft sein.

Eine Einbürgerungsbewilligung des Bundes erhält, wer gut integriert ist und die schweizerische Rechtsordnung kennt.

Die Einbürgerung erfolgt durch den jeweiligen Kanton und die Wohngemeinde. Die Einbürgerungsverfahren sind je nach Gemeinde sehr unterschiedlich.

2004 lehnte das Stimmvolk eine Verfassungsänderung ab, welche Ausländer der zweiten und dritten Generation unbürokratisch einbürgern wollte.

2006 wurden 46’700 Einbürgerungen vorgenommen. In der Schweiz leben 1,57 Mio. Ausländer.

Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen europäischen Ländern flammt die Debatte um das Kopftuchtragen muslimischer Frauen immer wieder auf.

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus stellt fest, dass Kopftuch tragende Musliminnen am Arbeitsplatz und an Schulen oft diskriminiert würden.

In Frankreich und in einigen deutschen Bundesländern gilt an Schulen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schülerinnen. Die Schweiz kennt, zumindest für Schülerinnen, keine solchen Einschränkungen.

Dagegen hat das Bundesgericht einer muslimischen Genfer Lehrerin verboten, während des Unterrichts das Kopftuch zu tragen. Kein Kopftuch tragen dürfen die Verkäuferinnen bei Coop, bei der Migros können Mitarbeiterinnen mit Kopftuch in einen Bereich ohne Kundenkontakt versetzt werden.

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