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1.-Augustfeier lebt in Israel wieder auf

Der Schweizer Botschafter in Israel hat die Regierung und das Parlament des hebräischen Staats zur Schweizer Nationalfeier vom 1. August in Tel Aviv eingeladen. Es war die Wiedergeburt eines Anlasses, der eine lange Tradition hat.

Der Schweizer Botschafter in Tel Aviv, Walter Haffner, knüpft an eine Tradition an, die einst im sozialen Leben der israelischen Metropole fest verankert war: Der Empfang zu Ehren des Schweizer Nationalfeiertages.

Dieser fand meist in Form einer Garten-Party in der Residenz der Schweizer Botschaft im Ramat-Gan-Quartier von Tel Aviv statt.

In den letzten Jahren hatten die verschiedenen Bewohner der Residenz darauf verzichtet, eine 1. August-Feier zu veranstalten. Die Gründe dafür waren nie wirklich erläutert worden. Die einzige Erklärung, die hinter vorgehaltener Hand zu hören war: «Der Botschafter ist in die Ferien abgereist».

Nun hat Walter Haffner dem Bruch mit der Tradition ein Ende gesetzt. Weil der 1. August auf einen jüdischen Feiertag fällt, hat der Botschafter bereits am 28. Juli im Theater Nalaga’at de Jaffa in der gleichnamigen Stadt einen «aussergewöhnlichen Empfang» organisiert.

Es gehe darum, sich von vorgefassten Meinungen und Stereotypen zu verabschieden und statt dessen ein Schaufenster der multikulturellen Schweiz zu zeigen, die offen gegenüber andern und der Welt ist, sagte Haffner im Vorfeld des Anlasses gegenüber swissinfo.ch.

Illustre Gästeliste

Um dieses Image zu vermitteln, hat der Schweizer Botschafter hochgesteckte Ziele. Er lud nicht nur alle israelischen Minister ein, sondern auch die Abgeordneten in der Knesset. Dies, obwohl dort die letzte Krise in den schweizerisch-israelischen Beziehungen noch nicht verdaut ist. Diese war durch den Empfang einer Hamas-Delegation in Genf ausgelöst worden.

Zum aussergewöhnlichen Happening wurden auch sämtliche Botschafter in Israel sowie alle Korrespondenten der Schweizer und einiger ausländischer Medien eingeladen.

Nach dem offiziellen Teil mit der Nationalfeier führten die Schauspieler des Theaters Nalaga’at de Jaffa das Stück «Nicht von Brot allein» auf. Das Besondere: Die Akteure auf der Bühne waren alle gehörlos und sehbehindert.

Sie führten die Zuschauer auf eine magische Reise durch die Welt der Finsternis, der bedrückenden Stille und ….des Brots. Zwischen Schauspielern und Zuschauern bildete sich eine einmalige Verbindung. Eine subtile Form, um zu zeigen, dass wir in der heutigen Welt alle voneinander abhängig sind, dass es nur durch Dialog gelingt, die Türen der Verständnislosigkeit aufzustossen, nicht nur jene der Blind- und Gehörlosigkeit.

Die Truppe konnte nach verschiedenen Auftritten in Israel und weiteren Ländern auch in Zürich und Genf Erfolge verbuchen. Leiterin ist Adina Tal, die aus der Schweizer stammt.

Firmen mit im Boot

Das Budget des Anlasses wurde zu 90 Prozent von Sponsoren getragen, 10 Prozent steuerte die Eidgenossenschaft bei. Zahlreiche Schweizer Firmen, die in Israel tätig sind, wie die UBS, Credit Suisse, Crédit Agricole suisse, Roche, Zürich Versicherung, Swiss, griffen ebenfalls ins Portemonnaie.

Die Präsenz der Schweizer Wirtschaft auf dem israelischen Markt erlebte innerhalb eines Jahrzehnts einen unvergleichlichen Aufschwung, der einem eigentlichen Feuerwerk gleichkommt.

Obwohl sich die beiden Länder von Zeit zu Zeit auf dem politischen Parkett oder auf der internationalen Bühne die Stirn bieten, vollziehen sich ihre Handelsbeziehungen in einem optimalen Klima.

Philippe Weil, Delegierter der Auslandschweizer-Vereinigung, nahm keinen Anstoss daran, dass er von der Schweizer Botschaft keine Einladung erhalten hatte. «Die Schweizer Bürger in Israel werden den 1. August unter sich feiern», sagt er.

«Es ist normal, dass sich solche Empfänge an Politiker und Diplomaten richtet. Angesichts der beschränkten Anzahl Plätze im Theater konnte die Botschaft nicht alle Auslandschweizer einladen. Deshalb wurden die Gäste sorgfältig ausgewählt».

Blick auf eine Krise

Die aktuelle Krise zwischen den beiden Ländern nimmt Philippe Weil zwar ernst. Er versucht nicht, sie herunter zu spielen oder sie als Sturm im Wasserglas zu betrachten, sondern sieht sie eher als Ausdruck einer vorübergehenden Spannung in einem Interessenkonflikt.

«Die Schweiz mit ihrem Neutralitätsanspruch will Freund Israels und der Hamas sein. Eine Position, die jener Israels entgegenläuft, weil es die Hamas in die Isolation treiben will. Daher rührt das Zähneknirschen im Aussenministerium und die Missverständnisse, die sauer aufstossen», sagt er.

Philippe Weil bedauert, dass die Diplomaten in der Schweizer Botschaft in Tel Aviv im Vergleich zu früher «weniger aufmerksam auf ihre Landsleute hören, die in Israel leben».

Ihnen gelingt es nämlich nicht selten, allen Hindernissen zum Trotz die schweizerisch-israelischen Beziehungen zu pflegen, sie von den destabilisierenden Einflüssen zu beschützen, die aufgrund des widersprüchlichen Ansatzes in der Nahost-Politik entstehen.

In Jaffa leben Juden, Muslime und Christen mehr neben- als miteinander. Mit der Nationalfeier machte die Schweizer Botschaft das Nalaga’at-Theater zum Begegnungsort, um den Gästen die Idee der Multi-Kulturalität, der Koexistenz von Völkern verschiedener Herkunft und Religionen näherzubringen. Ein Abend im Zeichen der Öffnung und der Solidarität.

Serge Ronen, Jérusalem, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

Das Theater Nalaga’at in Jaffa wurde vor acht Jahren gegründet.

Das Aussergewöhnliche: Die Schauspieler des Theaters Nalaga’at in Jaffa sind alle gehörlos und sehbehindert.

«Nichts ist unmöglich», umschreit die Leiterin Adina Tal die Devise. Tal wurde in Zürich geboren und wanderte mit 19 Jahren nach Israel aus.

«Alle Menschen haben das Recht, auf ihre Weise der Gesellschaft etwas zurück zu geben, statt nur zu fordern», erklärt Adina Tal.

In der Schweiz existiert eine Vereinigung der Freunde des Nalaga’at-Theaters, welche eine Tournee mit Auftritten in Bern, Basel, Zürich und Genf organisierte.

«Es war etwas Besonderes, mit den Schauspielern von Nalaga’at in der Schweiz zu sein», bilanzierte Tal, «es war auch wie eine Heimkehr.»

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