30. Todestag: Charlie Chaplins Tramp lebt weiter
Grosse Schuhe, schäbige Kleider, die Melone, der Schnurrbart und der Spazierstock: Die Leinwand-Figur des abgerissenen, aber immer würdevollen Vagabunden machte Charlie Chaplin unsterblich.
An Weihnachten 1977 starb der grosse Clown und Schauspieler in der Westschweizer Ortschaft Vevey am Genfersee, wo er seit 1952 gelebt hatte.
Als Vagabund mit grossem Herzen bezirzte er die Frauen, beschützte die Schwachen, schlug der Staatsgewalt ein Schnippchen und kämpfte gegen Despoten: Mit seiner Figur des Tramps schrieb Charlie Chaplin Kinogeschichte.
Der Erfinder der unnachahmlichen Figur wurde am 16. April 1889 in London als Charles Spencer Chaplin geboren. Die Eltern, beide Künstler an der Music Hall, trennten sich kurz nach Charlies Geburt. Der Vater starb 1901 an Alkoholmissbrauch, die psychisch angeschlagene Mutter gab Charles und seinen Bruder Sid ins Heim.
Charlie debütierte mit fünf Jahren am Theater als Gassenjunge. Als 12-Jähriger bekam er seine erste Titelrolle. Es folgten Tourneen mit Wanderbühnen. Bei einem Gastspiel in den USA entdeckte Mack Sennett, Produzent und Regisseur der Keystone Company, 1913 das Jungtalent.
Überwältigender Erfolg
Eigentlich sollte der schmächtige Engländer zusammen mit dem kräftigen Fatty Arbuckle eine Art Dick-und-Doof-Duo bilden. Stattdessen entwickelte Chaplin den Tramp-Charakter: Aus dem Fundus von Keystone borgte er sich ein altes Paar Schuhe von Ford Sterling, eine Hose von Arbuckle, eine Melone von Arbuckles Stiefvater, ein Jäckchen von Charles Avery und den falschen Schnauzer von Mack Swain.
Der Erfolg war überwältigend: Bei Sennett hatte er mit 150 Dollar die Woche begonnen, zwei Jahre später erhielt er beim Essanay-Studios 1250 Dollar, im Jahr darauf bei der Mutual Corporation 10’000 Dollar Wochenlohn. 1918 betrug sein Jahressalär eine Million Dollar, und er galt als populärster Komiker der Welt. Mit Mary Pickford, Douglas Fairbanks sen. und D. W. Griffith gründete er die United Artists Filmstudios.
Ernster und politischer
Mit Idealismus, Perfektionismus und Mut wendete sich Chaplin ambitiöseren und längeren Filmprojekten zu, darunter «The Kid» (1921) und «Gold Rush» (1925), die zu Klassikern wurden. Zunehmend flossen düsterere Elemente ein wie in «City Lights» (1931) und «Modern Times» (1936).
Diese Filme hatten eine deutliche politische Botschaft. «Modern Times», bei dem Chaplin für beinahe alles verantwortlich zeichnete bis hin zur Filmmusik, wurde in den USA als systemfeindlich und antikapitalistisch verurteilt. Auch die Anti-Hitler-Farce «The Great Dictator» war nicht nur auf den Faschismus, sondern auch auf die US-Staatsmacht und den Militarismus allgemein gemünzt.
Hoover kontra Chaplin
1947 musste Chaplin wiederholt vor dem Komitee für unamerikanische Aktivitäten aussagen, und FBI-Chef Edgar Hoover versuchte, ihm die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen. Chaplin konterte mit einem Artikel in einer britischen Wochenzeitung: «Ich erkläre Hollywood den Krieg!».
1952 durfte er nach einem Kurzbesuch in England nicht mehr in die USA einreisen. Also beschloss er, in Europa zu bleiben. Im Dezember 1952 liess er sich auf dem Anwesen Manoir de Ban oberhalb Corsier-sur-Vevey am Genfersee nieder. Später sollte er sich mit den USA wieder versöhnen – 1972 holte er einen Ehren-Oscar ab.
1952 war mit «Limelight» sein letzter grosser Erfolgsfilm herausgekommen. Die beiden letzten Werke «A King in New York» (1957) und «A Countess From Hong Kong» (1967) wurden vom Publikum kaum mehr wahrgenommen.
Vier Ehen
Neben Filmen und politischen Reibereien gab auch Chaplins Privatleben immer wieder zu reden. Der Charmeur, der eine Vorliebe für blutjunge Frauen hatte, war vier Mal verheiratet. Wirkliches Eheglück bescherte ihm erst Oona, die Tochter des Dramatikers Eugene O’Neill. Als er sie 1943 heiratete, war Oona 17 Jahre alt.
Sie blieb bei ihm, bis er am 25. Dezember 1977 im Alter von 88 Jahren im Schlaf starb. Zwei Monate nach der Beerdigung wurde Chaplins Sarg aus dem Friedhof von Corsier-sur-Vevey gestohlen, um Geld von den Hinterbliebenen zu erpressen. Die Täter wurden gefasst und Chaplin erneut bestattet. Nach Oonas Tod 1991 wurde das Grab zubetoniert.
swissinfo und Philippe Triverio, sda
Charles Spencer Chaplin wurde am 16. April 1889 in London geboren.
1903 begann er seine Karriere als Schauspieler in England.
1914 hatte er seinen ersten Filmauftritt.
1952 verliess er die USA und liess sich in der Schweiz nieder, nachdem er von den US-Behörden als kommunistischer Sympathisant beschuldigt worden war.
Chaplin starb am 25. Dezember 1977 in Corsier-sur-Vevey.
Die Chancen, dass sich der frühere Wohnsitz des berühmten Filmkünstlers dem Publikum öffnet, sind kurz vor Weihnachten gestiegen.
Zwei Investoren aus Luxemburg haben ein Kaufversprechen unterschrieben. Im Februar 2008 soll der Ankauf der Liegenschaft Manoir du Ban in Corsier erfolgen.
Der Kaufpreis beträgt 7 Mio. Franken. Für Umbau und Ausstattung des Museums – unter anderem mit einem Filmsaal und einem Restaurant – veranschlagen die Initianten weitere 23 Mio. Franken.
Die Stiftung Chaplin-Museum hatte ursprünglich geplant, das Museum diese Weihnachten zum 30. Todestag von Charles Chaplin zu eröffnen.
Der Rekurs eines Nachbarn hatte das Projekt aber blockiert. Seine Beschwerde wurde Anfang Dezember abgelehnt. Er könnte das Urteil bis vor Bundesgericht weiterziehen.
Eugene Chaplin, der 1953 geborene Sohn von Charlie Chaplin, ist auch heute noch der Schweiz verbunden: Er ist artistischer Programmleiter beim Circus Nock, dem ältesten Zirkus der Schweiz.
Auch die Schauspielerin Geraldine Chaplin, die 1944 geborene Tochter des berühmten Vaters, lebt in der Schweiz (Genf).
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