5. Schweiz fühlt sich als 5. Rad am Wagen
Voraussichtlich ab 2015 werden die meisten Auslandschweizer elektronisch abstimmen können. Das stellte Bundeskanzlerin Corina Casanova am Auslandschweizer-Kongress in Luzern in Aussicht. Zentrales Thema war eine kohärentere Auslandschweizer-Politik.
Zehn Prozent der Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland. Die rund 700’000 Auslandschweizer seien den Werten der Schweiz aufs engste verbunden, sagte der Präsident der Auslandschweizer Organisation ASO, Jacques-Simon Eggly, am Kongress in Luzern.
«Gleichsam wie ungeschliffene Diamanten besitzen sie einen von unseren Behörden und Wirtschaftsverantwortlichen nur unzureichend erkannten und ungenutzten Wert», so Eggly.
Viele Auslandschweizer fühlten sich von den Schweizer Behörden vernachlässigt, gab Eggly zu Bedenken. Er erwähnte die Konsulats-Schliessungen in den vergangenen Jahren, die Budgetkürzungen bei der Schweizer Revue, dem offiziellen Informationsorgan der ASO, und die geplante Budgetkürzung bei swissinfo.ch.
Bereits am Freitag hatte der Auslandschweizerrat verschiedene Resolutionen verabschiedet. So wurden die Schweizer Behörden aufgerufen, der Auslandschweizerpolitik mehr Gewicht zu geben und diese gesetzlich zu regeln.
Konkrete Forderung: Die bisher über verschiedene Departemente verteilten Bereiche, die Auslandschweizer betreffen, sollen bei einer einzigen Anlauf- und Kompetenzstelle zusammengeführt werden.
Bewegung beim E-Voting
Eine alte Forderung der ASO ist auch die Einführung des E-Votings für Auslandschweizer. Die Kompetenz liegt bei den Kantonen. Dafür, dass das Dossier jahrelang nicht richtig vom Fleck kam, sind auch die verschiedenen Vorstellungen und der fehlende politische Wille in grossen Teilen des Landes verantwortlich.
Vor wenigen Monaten nun hat der Kanton Basel-Stadt einen Vertrag mit dem Kanton Genf unterzeichnet. Basel benutzt künftig die Infrastruktur des Kantons Genf, der die Abstimmung per Mausklick bereits eingeführt hat. Die Bundeskanzlei bezeichnete die Unterzeichnung damals als «Meilenstein».
Andere Kantone sind zurzeit daran, die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit den E-Voting-Pionierkantonen Genf, Neuenburg und Zürich zu prüfen. «Bis zu den eidgenössischen Wahlen 2015 wird ein grosser Teil der Auslandschweizer elektronisch abstimmen können», stellte Bundeskanzlerin Corina Casanova in Ihrer Rede zum Schluss des Kongresses in Aussicht.
Exoten-Bonus in London
Vorher diskutierten prominente Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer über ihre Erfahrungen im Ausland. Die seit fünf Jahren in London lebende Schriftstellerin Zoë Jenny sagte, sie profitiere von einem Exoten-Bonus: «Es gibt viele Leute in London, die noch nie einen Schweizer gesehen haben. Man ist sehr angesehen im Ausland», so Jenny.
Sie habe erst auf ihren zahlreichen Auslandreisen gewisse Werte der Schweiz – wie der hohe Wert der demokratischen Traditionen – entdeckt. Sie verteidige durchaus schweizerische Werte, sagte Jenny. Aber sie habe nie den Eindruck gehabt, die Schweiz versuche ihre Kulturschaffenden zu instrumentalisieren, antwortete sie auf eine Frage aus dem Publikum.
Humanitäre Tradition weiterführen
Auch der Arzt Ruedi Lüthy, der 2004 in Simbabwe eine Aids-Klinik gegründet hat, lobte die Unterstützung der offiziellen Schweiz, auf die er beim Aufbau der Klinik zurückgreifen konnte. «Das diplomatische Korps hat viel gelernt in den letzten Jahren. Was ich in Simbabwe erlebt habe, ist hervorragend.»
Dass er nach einer erfolgreichen Karriere in der Schweiz nach seiner Pensionierung in Afrika zum Auslandschweizer geworden ist, begründete Lüthi mit der «sozialen Verantwortung» gegenüber einem Land, das damals praktisch keine Therapiemöglichkeiten gegen Aids hatte und mit der «grossen humanitären Tradition der Schweiz».
Andreas Keiser, Luzern, swissinfo.ch
Knapp 670’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland.
Zwei Drittel der Landsleute im Ausland leben in Europa.
Drei Viertel aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind Doppelbürger.
Vom 6. bis 8. August haben sich rund 400 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Luzern zum alljährlichen Kongress getroffen.
Im Zentrum des von der Auslandschweizer-Organisation (ASO) organisierten Anlasses steht die Rolle, die die Fünfte Schweiz für ihre alte Heimat spielt.
Am Freitag tagte das Parlament, der 140 Personen umfassende Auslandschweizerrat.
Am Samstag fand im Verkehrshaus der Kongress statt zum Thema «Die Auslandschweizer – Eine Bereicherung für die Schweiz?».
Neben Zoë Jenny und Ruedi Lüthy sprachen auch der Tessiner Ständerat Filippo Lombardi, der zugleich die über 100-köpfige Parlamentarische Gruppe Auslandschweizer präsidiert, sowie der neue Präsident der Schweizerischen Post, Claude Béglé.
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