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50 Jahre Fernsehen in der Westschweiz

Eine TSR-Live-Sendung 1960 auf der Place St. Francois in Lausanne. SRG/ASL

Rund ein Jahr nach der Deutschschweiz startete am 1. November 1954 auch die Télévision Suisse Romande den Sendebetrieb.

«Das Fernsehen hat die Westschweiz ebenso verändert wie der Autobahn-Bau», sagt der frühere Programmdirektor Raymond Vouillamoz.

Der Nationalstrassenbau liess die Westschweiz geografisch zusammenrücken, das Fernsehen lieferte die kulturelle Klammer.

«Es entstand eine kantonsübergreifende Identität. Zuvor herrschte ein Kantönligeist.»

Das Fernsehen habe der Westschweiz ein gemeinsames Bewusstsein vermittelt, analysiert Raymond Vouillamoz, Programmdirektor der Télévision Suisse Romande (TSR) von 1992–2003.

Die Nähe zum Publikum in der Romandie demonstriert die TSR mit Regional-Redaktionen in allen Westschweizer Kantonen.

«Die Korrespondenten haben die Aufgabe, die Aktualität in den Regionen so aufzubereiten, dass sie die gesamte Westschweiz interessiert», betont Vouillamoz.

Konkurrenz aus Frankreich

Der regionale Bezug ist nicht zuletzt auf die starke TV-Konkurrenz aus Frankreich zurückzuführen. Während sich das Deutschschweizer Fernsehen (SF DRS) sprachlich von den deutschen Nachbarn abgrenzt, muss die TSR die Nähe zum Publikum durch die Inhalte herstellen.

Das führt mitunter dazu, dass in der Tagesschau etwa dem Schuljahresbeginn in den Westschweizer-Kantonen mehr Platz eingeräumt wird als den grossen Krisenherden der Welt.

«Die TSR ist weltoffen, muss aber gleichzeitig ein Programm anbieten, das auf den französischen Kanälen nicht zu sehen ist.»

Die Deutschschweiz sei durch den Dialekt und «das natürliche Bedürfnis, in dieser Sprache fernzusehen» geschützt, betont Vouillamoz.

«In der Westschweiz hingegen sprechen wir exakt die gleiche Sprache wie in Frankreich». Lokale Akzente verblassen nicht zuletzt wegen des TV-Konsums immer mehr.

Schwieriger Brückenschlag

«Sitcoms wie ‹Fascht e Familie› sind in der Westschweiz undenkbar, weil sie schlicht nicht funktionieren», sagt der frühere TSR-Programmdirektor.

In der Deutschschweiz reiche der Dialektbezug bereits, um das Publikum zu binden. «Diese Basis haben wir in der Westschweiz nicht.»

Eine weitere Differenz ortet Vouillamoz in der Wahrnehmung der Identität: «In der Deutschschweiz geht man selbstverständlich davon aus, Schweizer zu sein.»

Die Romands nähmen dies anders wahr. «Sie müssen ihren Weg innerhalb der frankophonen Kultur finden.»

Die kulturellen Unterschiede und die sprachregionale Verankerung machen den nationalen Brückenschlag zwischen TSR und SF DRS nicht leicht.

«Wir haben versucht, gemeinsame Sendungen zu realisieren. Abgesehen von der Miss Schweiz-Wahl und der 1. August-Sendung funktioniert das nicht», stellt Raymond Vouillamoz fest.

Utopische Idee

In seiner Zeit als Programmdirektor hatte Vouillamoz «die utopische Idee», alle Programme von SF DRS zu übersetzen. Der Versuch, die «Arena» dank Dolmetschern auch in die Westschweizer Stuben zu übertragen, scheiterte am mangelnden Echo.

Inzwischen hat der Sender mit «Infrarouge» seine eigene «Arena» entwickelt.

Umgekehrt diente die Westschweiz auch als Vorbild für erfolgreiche TV-Formate: Bereits ein Jahr vor der Gotthelf-Sommerserie realisierte TSR die Doku-Soap «Mayen 1903».

Eine Familie aus dem Jura lebte wie vor 100 Jahren auf einem Maiensäss im Wallis.

swissinfo und Theodora Peter, sda

Die TSR beschäftigt 1000 Angestellte.

Jährlich werden auf TSR1 und TSR2 insgesamt 17’000 Programmstunden ausgestrahlt.

2003 erreichten TSR1 und TSR2 in der Westschweiz einen Marktanteil von knapp 31%.

Sie liegen damit vor den französischen Haupt-Konkurrenten TF1 und M6.

Jahrelang bemühten sich Genf und Lausanne um die TSR.

1972 bezieht die TSR den «Fernsehturm» im Genfer Plainpalais-Quartier.

Trotzdem wird das «Téléjournal» vorläufig weiterhin in Zürich produziert.

Erst in den 80-er Jahren zieht die Westschweizer Tagesschau nach Genf. Eine umfangreiche Abteilung Information entsteht.

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