60 Jahre Widerhall zum Weltgeschehen
Das "Echo der Zeit" des Schweizer Radios, die weltweit wohl älteste regelmässige politische Hintergrund-Sendung, ist seit 60 Jahren täglich zu hören.
Das Jubiläum wird nicht etwa mit einem ausschweifenden Fest gefeiert, sondern standesgemäss mit einem Buch und einem Podiumsgespräch.
«In der Schweiz hat die Politik im Radio nichts zu suchen», sagte 1935 der damalige Bundesrat Marcel Pilet-Golaz. Zwei Gründe führten zu dieser «Regierungserklärung»:
Einmal hörte die Schweizer Regierung wie der Rundfunk aus dem benachbarten Nazi-Deutschland herüber brüllte. In der Schweiz sollte das Radio nicht für politische Propaganda missbraucht werden können. Seine Aufgabe zu dieser Zeit: die «Geistige Landesverteidigung».
Doch der Ukas der Regierung hatte noch einen zweiten Grund: Die Schweizer Zeitungsverleger sahen wohl, dass im Radio Nachrichten schneller verbreitet werden konnten als in der Zeitung.
Sie fürchteten die Konkurrenz durch das neue Medium, und ihr Lobbying hatte Erfolg: Erst 1971 durfte das Schweizer Radio für die Nachrichtensendungen alleine zeichnen. Vorher mussten die Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur (die Agentur gehörte den Zeitungsverlegern) verlesen werden.
Idee wird umgesetzt
Kein üppiger Nährboden also für eine eigene, regelmässige politische Hintergrund-Sendung. Doch am Nationalfeiertag, am 1. August 1945, wagten die Verantwortlichen den Sprung ins kalte Wasser und beschlossen die Einführung einer täglichen politischen Aktualitätensendung nach den Abendnachrichten. Am 17. September 1945 wurde das erste «Echo der Zeit» aus dem Studio Basel gesendet.
Der Rest ist Schweizer Radio-Geschichte. Gesammelt und aufgeschrieben im Buch «Echo der Zeit – Weltgeschehen am Radio» von Hanspeter Gschwend. Der NZZ-Verlag hat es zum 60. Geburtstag der Sendung herausgegeben.
Wie Autor Gschwend gegenüber swissinfo sagte, hat er während der Recherchen zum Buch festgestellt, dass das «Echo» nach wie vor die populärste Radiosendung in der deutschsprachigen Schweiz sei.
«Die Sendung wird geschätzt, weil sie vertieft, analytisch, kommentierend und einordnend berichtet.» Etwas, das selten geworden sei. Populär sei die Sendung auch, weil sie immer von Identifikationsfiguren gelebt habe.
Tatsächlich: Im «Echo der Zeit» wurden Medienstars geboren. Die älteren Zuhörerinnen und Zuhörer werden sich an Namen wie Heiner Gautschy, Hans O. Staub, Annemarie Schwyter, Arnold Hottinger oder Theodor Haller erinnern.
Die Identifikationsfiguren der neueren Zeit heissen unter anderen: Rolf Pellegrini, Hanspeter Born, Alfred Defago, Alexander Gschwind, Martin Durrer oder Casper Selg.
Monopolsendung
Eine Umfrage von swissinfo bei den vier Regierungsparteien ergab, dass alle das «Echo der Zeit» regelmässig hören und die Sendung als «hochstehend, ausgewogen und kompetent» beurteilen, wie sich SP-Sprecher Nicolas Galladé, stellvertretend für alle Befragten, ausdrückte.
Es sei wohl das letzte Sendegefäss im Radio, das noch «mehr als zwei Minuten für einen redaktionell recherchierten Beitrag aufwendet», sagt Roman Jäggi, Sprecher der Schweizerischen Volkspartei, SVP.
Christian Weber von der freisinnigen FDP findet die Sendung umfassend und «hintergründlich». Die Auslandberichterstattung empfinde er klar stärker als das «Inland».
Monika Spring, Sprecherin der CVP, lässt heraushören, was die andern auch denken: Niemand will und kann es sich leisten, mit dem «Echo» in Konflikt zu geraten. Denn die Sendung verfügt über ein Monopol in der Schweizer Radiolandschaft. Nur das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Radio DRS hat die finanziellen Mittel für eine solche Hintergrundsendung.
Diese Monopolsituation verlange von den Machern hochstehende journalistische Arbeit, sagt Gschwend. Zwar würden intern schon mal die Fetzen fliegen bei Auseinandersetzungen um die Ausrichtung. Von «du landest noch bei der NZZ» bis «du Kryptostalinist» würden die Anwürfe reichen. Doch der Sendung selber merke man das nicht an.
Hochstehend elitär
Bezeichnen viele der 700’000 Hörerinnen und Hörer, welche täglich «Echo der Zeit» einstellen, die Sendung als kompetent und hochstehend, gibt es doch auch solche, die sie als elitär empfinden.
Tatsächlich, so Hanspeter Gschwend, habe man nie die Vorstellung gehabt, das «Echo» müsse eine Sendung für «Frau Meier aus Immensee» sein. Obwohl niemand wusste, ob Frau Meier aus Immensee «Echo der Zeit» hört oder nicht, sie wurde zum etwas elitären Robotbild der Redaktion.
Herrn Meier aus Immensee wird eher zugetraut, die Sendung zu verstehen, was möglicherweise der Grund dafür ist, dass Frauen in der Echo-Geschichte eher dürftig vertreten sind.
Traumjob
Doch es ist der Traum vieler Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz, die hohe Würde einer Anstellung beim «Echo» zu erreichen.
Allerdings ist die Aufnahme in den hehren Zirkel, in diese akademische Welt, nicht einfach, wie die Geschichte von Echo-Mitarbeiter Ruedi Küng zeigt. Küng träumte mit 20 von einem Job beim Echo.
Als er sich mit 30 zum ersten Mal bewarb, fehlte die geforderte Ausland-Erfahrung. Die erwarb er sich während über sechs Jahren als IKRK-Delegierter. Danach wurde bemängelt, er habe beim IKRK gar nicht journalistisch gearbeitet. Mit 40 wurde Küng dann angestellt.
Bleibt noch die Frage, ob denn die Sendungen der erlauchten Echo-Redaktion intern auch genügend gewürdigt und als Zeitdokumente archiviert wurden. Das Buch von Hanspeter Gschwend enthält eine CD mit Tondokumenten. Doch gerade in den frühen Jahren wurde den Berichten keine grosse Ehre zuteil.
Die erste Tonaufzeichnung erfolgte auf direkt geschnittenen Schellack-Platten. Um Platz zu schaffen, wurden die Platten im Studio Zürich bei einem Betriebsausflug mit einem Tontaubenschiessen entsorgt.
swissinfo, Urs Maurer, Zürich
23. Juli 1945: Die «Programmleitersitzung Beromünster» lehnt eine tägliche politische Aktualitäten-Sendung nach den Nachrichten von 19 Uhr ab.
1.August 1945: Die Programmleitung kommt auf das Traktandum zurück.
17. September 1945: Erste Sendung «Echo der Zeit» aus dem Studio Basel.
1975: Echo wird live moderiert.
2005: Das Echo ist seit 60 Jahren auf Sendung.
Zum 60. Geburtstag erschien im NZZ-Verlag das Buch «Echo der Zeit – Weltgeschehen am Radio» von Hanspeter Gschwend.
Zum Buch gehört eine Audio-CD von «Echo»-Redaktionsleiter Casper Selg.
Am 20. September feiert Schweizer Radio DRS das Jubiläum mit einem Spezialtag aus dem Museum für Kommunikation in Bern.
Am Abend findet ein Podiumsgespräch zum Thema «Wie viel Weitsicht braucht der Mensch» statt.
Ab 20. September steht das «Echo der Zeit» unter www.drs.ch als Download zur Verfügung.
Bei swissinfo kann es auf der deutschsprachigen «Internetseite» unter Multimedia gehört werden.
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